Jaguar F-Type S: Raubkatze mit Sound Inferno

Autofahren soll Freude bereiten – doch so einfach wird es Autofans heutzutage nicht gemacht. Die Spritpreise steigen, die EU schreibt immer stärkere Abgasnormen vor und der Saugmotor steht auf dem absterbenden Ast. Da kommt es gerade recht, dass Jaguar sich wieder auf den Kern der Marke fokussiert hat und einen Roadster auf die Strasse stellt, der so atemberaubend sexy aussieht, dass alle Sorgen für einen Moment vergessen scheinen. Hat die Legende E-Type mit dem F-Type einen würdigen Nachfolger bekommen?

Das Design vom F-Type lässt Herzen höher schlagen. Alleine die lange Motorhaube und das kurze Heck sprechen Bände. Tief und breit steht der F-Type auf der Strasse, er scheint von vorne fast zu grinsen, während er von hinten grimmig zurück guckt. Mit 4.47 Meter Länge ist er kurz und wendig, mit 1.92 Meter Breite hingegen wuchtig und stabil. Die schmalen LED-Rücklichter und die nach vorne öffnende Motorhaube (siehe Bilder) sind eine Reminiszenz an den E-Type, aber ansonsten macht der F-Type keinen auf Retro, sondern präsentiert sich modern und athletisch. Die versenkbaren Türgriffe und die unsichtbare Antenne zeugen von der Liebe zum Detail und einem schnörkellosem Design. Das Textilverdeck, welches in vier verschiedenen Farben erhältlich ist, legt sich passend über den F-Type, so dass er offen, als auch geschlossen eine äusserst verführerische Form zu bieten hat.
Innen schmiegt sich die Katze regelrecht um den Fahrer, hüllt ihn in perfekt stützende Schalensitze, dessen Sitzwangen sich verstellen lassen, während das Cockpit um den Fahrer herum gebaut wurde. Der Beifahrer wird durch einen massiven Haltebügel separiert, wodurch Jaguar den F-Type keck als 1+1 Roadster bezeichnet. Auch innen kommt sie wieder, diese Liebe zum Detail: Versenkbare Lüftungsdüsen, Jaguar-Schriftzüge auf der Pedalerie und die orange Einfärbung aller fahrdynamisch wichtigen Bedienelemente wie Startknopf, Dynamikschalter und die Schaltwippen.
Keine Freudensprünge bereitet hingegen das Mediasystem, welches nicht gerade intuitiv zu bedienen ist. Zudem verweigert das System die Koppelung vom iPhone via USB und Bluetooth gleichzeitig und ist nicht mit Spotify kompatibel. Entschädigt wird man dafür vom beeindruckend rein und satt klingenden Meridian Soundsystem.

Hat man seinen Allerwertesten in den F-Type plumpsen lassen, erfreut man sich an der sehr tiefen, aber perfekten Sitzposition. Unten auf der Mittelkonsole wartet er, der Startknopf. Dezent pulsierend signalisiert er, dass die Raubkatze zwar schlummert, aber lebt und jetzt aufgeweckt werden möchte. Ich atme nochmals tief ein – und erwecke das Herz der Katze, einen 3.0 Liter V6 Benziner mit Kompressoraufladung und Start-Stopp-Automatik. Der F-Type beginnt ab dem ersten Augenzwinkern, sein Revier zu markieren, denn beim Motorstart wird die Umwelt mit einer Fanfare inkl. Fehlzündung über seine Präsenz aufmerksam gemacht. Bereits diese kleine akustische Darbietung weckt Zweifel, ob da wirklich “nur” ein V6 unter der Haube werkelt, aber über das musikalische Talent des jüngsten Jag kommt später mehr.
Der Testwagen generiert mit seinem V6 Kompressor 460 Nm Drehmoment, sowie 280 kW Leistung und soll sich laut NEFZ mit 9.1 l/100 km zufrieden geben. Der Sprint von 0 auf 100 km/h dauert gerade mal 4.9 Sekunden und der Vorwärtsdrang endet erst bei 275 km/h, auch bei offenem Dach. Jaguar propagiert die optimale Gewichtsverteilung von 50:50, wofür sogar die Batterie, die Elektronik und der Scheibenwasserbehälter (!) in das Heck verlegt wurden. Zudem besitzt der F-Type eine besonders steife und leichte Aluminium-Karosserie. Das hört sich zwar fantastisch an, aber in Tat und Wahrheit ist das Gewicht ist ein heikles Thema beim F-Type. Denn die optimale Gewichtsverteilung stimmt nur bei den V6 Modellen, beim V8 ist dies aufgrund des schwereren Motors nicht möglich. Dazu kommt, dass der Jaguar trotz Aluminium ein verdammt schwerer Brocken ist: 1853 Kilo bringt der Testwagen auf die Waage, der stärkere V8 wiegt gar 1887 Kilo, das ist mehr als der deutlich grössere Camaro und wirft bei mir die Frage auf, wo diese überflüssigen Kilos, nein, Zentner beim F-Type sitzen…
Trotzdem gelang es den britischen Ingenieuren, das hohe Gewicht geschickt zu kaschieren. Der F-Type schmeisst sich beherzt in Kurven, während das adaptive Sportfahrwerk und die 8-Gang Automatik (kein Schaltgetriebe erhältlich) vorauszudenken scheinen, so gut ist deren Abstimmung. Wer es noch schärfer will, der kann den Dynamic-Modus aktivieren, um Lenkung, Fahrwerk, Getriebe und Motor zusammen oder einzeln zu schärfen, damit die Katze ihre Krallen ausfährt. Die Lenkung wird dann steifer und direkter, das Fahrwerk verhärtet sich, der Motor hängt feinnerviger am Gas und das Getriebe wirft die Gänge noch schneller rein, begleitet von einem Auspuffknaller. Womit wir wieder beim Sound wären. Der F-Type beherrscht ein unglaubliches Klangspektrum: Knurren, blubbern, furzen, grummeln, röcheln, kreischen, fauchen; am besten alles nacheinander und in einem Tunnel, wo man beinahe Angst bekommt, die Wände könnten vom Schalldruck beschädigt werden. Da können sich die Akustikspezialisten von Meridian noch so anstrengen, gegen diese Symphonie aus den beiden Endrohren kommt kein Lautsprecher ran. Ermöglicht wird das Ganze durch Bypass-Ventile im Auspufftrakt, die bei höheren Drehzahlen offen sind und die Katze aus Herzenslust brüllen kann. Sollte also jemand an der Potenz vom V6 zweifeln, der sollte nach einer kurzen Darbietung eines Besseren belehrt sein. Auf Knopfdruck können die Ventile auch manuell geöffnet werden, damit bereits aus dem Stand genügend Krawall generiert wird – obwohl der Jaguar diese zusätzliche Aufmerksamkeit gar nicht benötigt, denn bewundernde Blicke sind ihm so oder so sicher.

Der Jaguar F-Type ist in drei Varianten erhältlich, nämlich als F-Type (ab 92’500 CHF, 250 kW), F-Type S (getestet, ab 115’500 CHF, 280 kW) und F-Type V8 S (ab 132’500 CHF, 364 kW). Damit reichen seine Konkurrenten vom BMW Z4 und Mercedes SLK bis zum Porsche 911.
Alles andere als vorbildlich ist aber die magere Serienausstattung. Insbesondere in dieser Preisklasse sollten Dinge wie Sonnenblenden, Regensensor, Einparkhilfe hinten, Tempomat und Windschott von Grund auf an Bord, stattdessen wird man kräftig zur Kasse gebeten. So kommt es, dass der Testwagen 144’230 CHF (28’730 CHF Sonderausstattung) kostet. Doch abgesehen von ein paar unschönen Zahlen ist der F-Type ein Auto, welches dem Fahrer wie kaum ein Zweites den Tag versüsst. Man fährt in einem äusserst edlen Interieur und geniesst die Freiheit, innert 12 Sekunden die Hüllen fallenzulassen und einem Sound zu lauschen, dass einem ganz warm ums Herz wird.

Alltag ★★☆☆☆

Jaja, der Alltag. Eine Schande, dass der F-Type dieses Bewertungskriterium über sich ergehen lassen muss. Aber mit zwei Sitzplätzen und einem Kofferraum, dessen Bezeichnung nicht verdient ist, sollte in der Garage auch noch ein etwas praktischeres Auto für die alltäglichen Aufgaben stehen.
Immerhin bietet der F-Type ein Winter-Setup, trotzdem ist er kein Ganzjahresauto.

Fahrdynamik ★★★★★

Bezüglich Fahrdynamik bräuchte es wiederum einen ganzen Sternenhimmel anstelle von fünf Sternen, um die Begeisterung auszudrücken. Diese lineare Kraftentfaltung, das adaptive Fahrwerk, die hervorragende Automatik und die präzise, wie auch rückmeldungsintesive Lenkung schaffen ein Fahrerlebnis der besonderen Art. Unglaublich, wie das hohe Gewicht kaschiert wird.

Umwelt ★★☆☆☆

Schon wieder so ein widriges Bewertungskriterium. Aber was soll’s, der F-Type hat nun mal einen gesunden Durst, dafür verrichtet er auch erstklassige Arbeit. Trotz serienmässiger Start-Stopp-Automatik liegt der Testverbrauch bei 10.7 l/100 km. Trotzdem, jeder Tropfen Benzin sei diesem wunderbaren Auto gegönnt. Wenn die Welt irgendwann untergeht, dann würde dies auch ohne F-Type geschehen.

Ausstrahlung ★★★★★

Der Jaguar F-Type ist von vorne betrachtet so heiss wie Megan Fox oben ohne, während sein Hintern selbst J. Lo neidisch werden lässt. Der F-Type gehört aufs Cover des nächsten Playboys, während Megan Fox und J. Lo als Beigemüse ebenfalls willkommen sind.

Fazit ★★★★★

Auch wenn rational betrachtet eine 5-Sterne Bewertung nicht möglich ist: weniger wird dem F-Type nicht gerecht, zu gross ist das entfachte Feuerwerk der Emotionen. Trotzdem muss er sich ein paar Kritikpunkte gefallen lassen.

+ Lineare Kraftentfaltung dank Kompressor
+ Unglaublich hohe Fahrdynamik
+ Start-Stopp-Automatik
+ Wahnsinniges Klangspektrum
+ Top Hi-Fi Anlage
+ Sehr hochwertige Innenausstattung inkl. Verarbeitung
+ Superknackiges Design
+ Schnelles und gut isoliertes Verdeck

– Winziger und zerklüfteter Kofferraum
– Knausrige Serienausstattung
– Zu hohes Leergewicht
– Umständlich zu bedienendes Mediasystem mit ein paar Schwächen

(Bilder: Marco Koch)

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