Der Jaguar XF Sportbrake steht sinnbildlich dafür, was uns die CO2-Grenzwerte antun. Erst kürzlich habe ich ein Buch gelesen, dessen Autor in seinen Beschreibungen «Jaguar mit zwölf Zylindern» verwendete. Der gute Mann lebt wohl noch in vergangenen Zeiten! Den neuen, fast fünf Meter langen Kombi gibt es praktisch nur mit ordinären Vierzylindern, lediglich das Topmodell fährt mit einem V6 vor. Angesichts des eher schmächtigen Motoren-Angebots läuft man schnell Gefahr, eine ziemlich antriebslose Raubkatze vor die Tür gestellt zu bekommen.
So geschehen bei meinem Testwagen. Der elegante Kombi in schöner Farbe, schicken Felgen sowie R-Dynamic und Black Pack Optikpaket sieht rattenscharf aus und lässt das deutsche Premium-Trio ziemlich altbacken aussehen. Insbesondere die lange, fadengerade verlaufende untere Fensterlinie zieht das Auto optisch in die Länge. Die kurzen Überhänge verleihen ihm zudem sportliche Proportionen.
Die Ansprüche sind folglich hoch. Bei einem Jaguar erwarte ich immer das gewisse Extra, diese Prise mehr Fahrspass oder Exklusivität. Woher diese Haltung kommt, weiss ich gar nicht. Vielleicht, weil die Briten früher – ähnlich wie Porsche – eine reinrassige Sportmarke waren und heute mit SUVs, Limousinen und eben dem Sportbrake das breite Premium-Segment bedienen wollen?
Jedenfalls knurrt nach dem Druck des pulsierenden Startknopfes, den mittlerweile alle Jaguare vom F-Type geerbt haben, der 132 kW starke Diesel los. Ein gutes und sportliches Fahrgefühl stellt sich schon bald nach dem Losfahren los, selbst im Wissen, keine Leistung im Überfluss zu haben. Doch die ziemlich schmalen Fenster sowie die tief montierten Sportsitze mit prima Halt geben einen das Gefühl, dass dieser Kombi für weit mehr zu haben ist, als nur den Grosseinkauf.
Dazu kommt, dass der ordinäre Vierzylinder-Diesel ziemlich kernig klingt und das typische, unschöne Nageln nur bei hohen Drehzahlen in den Innenraum gelangt. Offenbar haben die Briten einiges an Hirnschmalz aufgebracht, um dafür zu sorgen, dass vom Motor nur möglichst angenehme Frequenzen in den Innenraum geleitet werden. Ich würde sagen: Well done!
Leider entpuppt sich der Antrieb beim sportlichen Fahren schnell als das schwächste Glied der Kette. Im Prinzip ist der Sportbrake nämlich ein sehr agiles und williges Auto. Mit der direkten Lenkung lässt er sich präzise und leichtfüssig dirigieren und dank des hecklastigen Allradantriebes neigt der Kombi in schnell gefahrenen Kurven trotz des hohen Gewichts nicht so schnell zum Untersteuern.
Selbst bei forscher Fahrt geben sich Fahrwerk und Getriebe unbeeindruckt. Die bewährte 8-Gang-Schaltung sortiert beflissen die Gänge, während das Fahrwerk dafür sorgt, dass keine grosse Seitenneigung aufgebaut wird. Sportliches Kurvenfahren gelingt so ohne ESP-Eingriff. Auf der Geraden aber, da müht sich der Diesel ziemlich ab, um den knapp zwei Tonnen schweren Kombi nach vorne zu wuchten. Insbesondere bergauf geht schnell jedes sportliche Feeling verloren. Was kann man da machen?
Es kommt ganz auf die eigenen Präferenzen darauf an. Wer wie ich gerne zügig und sportlich fährt und Leistungsreserven zum Überholen von Schnarchnasen wünscht, sollte mindestens zum 177 kW Diesel greifen. Das ist im Prinzip derselbe Motor wie im Testwagen, bloss sorgt in der stärkeren Variante ein zweiter Turbolader für den nötigen Druck. Sahnestück ist natürlich der V6-Diesel. Der einzige Benziner im Programm, ein Vierzylinder mit 184 kW, sollte man jedoch links liegen lassen, da es diesem Aggregat am nötigen Drehmoment für das hohe Gewicht fehlt. Generell fehlt ein anständiger Benziner im Sportbrake-Portfolio.
Wer es gemütlicher nimmt und kein Problem damit hat, dass sich die Raubkatze mit spontanen Zwischensprints ziemlich schwer tut, ist auch mit den schwächeren Aggregaten gut bedient. Das sportliche Handling hat der XF Sportbrake schliesslich stets «im Blut» und trotz sehr des schicken Designs geizt der Brite nicht mit Nutzwert.
Wer sich in den tiefen Fond plumpsen lässt, geniesst nicht nur fürstliche Beinfreiheit, sondern auch viel Luft über dem Kopf – trotz gigantischem Panoramadach, dessen Jalousie sich übrigens via Gestensteuerung bewegen lässt. Trotz dieser Verspieltheit glänzt der Sportbrake im Heck mit weiteren Qualitäten: Der nahezu kubische Laderaum mit automatisch öffnendem Rollo, Befestigungsmöglichkeiten sowie Schienensystem traut man dem Briten gar nicht zu.
Zudem übernimmt der Sportbrake den im F-Pace vorgestellten Activity Key. Dieses Gummiarmband mit RFID-Chip ersetzt temporär den Autoschlüssel. Bei outdoor Aktivitäten wie schwimmen oder wandern kann man so das Armband anziehen und den Schlüssel sicher im Auto lassen. Die automatische Heckklappe samt Gestensteuerung ist angesichts soviel smarten Eigenschaften fast schon eine Selbstverständlichkeit.
Weniger selbstverständlich ist dafür die Preisgestaltung. Niemand erwartet ein Sparangebot für einen Jaguar, aber mit 97’760 Franken ist der dürftig motorisierte Testwagen sehr teuer. Zwar vereint der Sportbrake auf geschickte Weise Design, Nutzwert und Sportlichkeit, doch insbesondere mit dem verbauten Motor im Testwagen fehlte mir das Wow-Erlebnis, um diesen Preis rechtzufertigen. Das ändert aber nichts daran, dass der Briten-Kombi ein sehr gutes Auto ist. Da grosse Kombis zudem gerne durch noch grössere SUVs ersetzt werden, bleibt abgesehen von Audi A6, BMW 5er, Mercedes E-Klasse und Volvo V90 kaum mehr Konkurrenz übrig. Ob das dem Sportbrake in die Karten spielt, wird sich weisen.
Alltag
Obwohl der Jaguar XF nicht nur lang, sondern auch breit ist, lässt er sich gut manövrieren und steht sich nicht selber im Weg. Ein praktischer Kofferraum, viel Platz im Fond sowie der Activity Key erweisen sich als seine Stärken. Allerdings sind die Ablageflächen vorne eher knapp.
Fahrdynamik
Der grosse Kombi glänzt mit seinem hecklastigen Allradantrieb, einer sehr präzisen Lenkung sowie einem feinfühligen Adaptivfahrwerk, welches das grosse Auto lange neutral hält. Das Getriebe bleibt auch in hektischen Situationen gelassen. Der Diesel hat sich aber als Schwachmat erwiesen, der fürs sportliche Fahren schlicht zu wenig Bumms bietet.
Umwelt
Immerhin ist der Testverbrauch von 6,9 l/100 km für das hohe Gewicht ein guter Wert. Lässt man die sportlichen Fahrten weg, dürfte sich ein Alltagsverbrauch von rund 6,5 Litern einpendeln.
Ausstrahlung
Dass unter der Haube nur mässiges schlummert, würde man dem sportlich designten Testwagen mit R-Paket und grossen Felgen nicht geben. Mit seinem Design kann der Brite definitiv punkten.
Fazit
+ Sehr elegantes Design
+ Praktischer und grosser Kofferraum
+ Viel Platz im Innenraum
+ Erstklassige Sportsitze, tiefe Sitzposition
+ Komfortables und leises Fahrverhalten
+ Präzise und direkte Lenkung
+ Ausgewogenes Fahrwerk
+ Heckbetonter Allradantrieb
+ Perfektes Getriebe
+ Akzeptabler Verbrauch
+ Activity Key
– Schwacher Motor passt nicht zur sportlichen Optik und zum sportlichen Image
– Kein adäquater Benziner im Portfolio
– Hoher Preis
– Fernlichtassistent regelt viel zu spät
– Viele Untermenüs im Infotainmentsystem
Steckbrief
Marke / Modell | Jaguar XF Sportbrake |
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Preis Basismodell / Motorisierung / Testwagen | 55 200 CHF / 62 300 CHF / 97 760 CHF |
Antrieb | Diesel, Allradantrieb |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor |
Hubraum / Zylinder | 1999 ccm / R4 |
Getriebe | 8-Gang Automatikgetriebe |
Max. Leistung | 132 kW bei 4000 r/min |
Max. Drehmoment | 430 Nm bei 1750 - 2500 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 8,9 s |
Vmax | 219 km/h |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 5,0 l/100 km / 132 g/km / C |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 6,9 l/100 km / 182 g/km / +38% |
Länge / Breite / Höhe | 4,96 m / 1,88 m / 1,49 m |
Leergewicht | 1972 kg |
Kofferraumvolumen | 565 - 1700 l |
Bilder: Koray Adigüzel