Der britische Kombi ist nicht mehr der Jüngste, doch im Zuge des jüngsten Facelifts wirkt er nicht nur moderner, sondern ist in der Tat besser denn je. Er ist nicht nur eine blendende Alternative zum deutschen Premium-Trio, sondern lässt auch puncto Platzangebot viele SUVs weit hinter sich. Ein nobler Kombi mit vielen Talenten, der einen dennoch mit einem weinenden Auge zurück lässt.
Es ist ein bisschen wie bei den Italienern. Auch die Briten haben ein gutes Händchen fürs Design, denn der in die Jahre gekommene XF Sportbrake wirkt immer noch frisch, elegant und voller Tatendrang. Seine Linienführung ist ziemlich schnörkellos, der Sportbrake genannte Kombi will gar kein verkappter Shooting Brake sein, sondern ein gut aussehender Praktiker.
Aufgewertet werden kann das Design durch das R-Dynamic sowie das Black Pack, beides ist beim Testwagen verbaut. Um das Facelift aber äusserlich zu erkennen, muss man fast schon Jaguar Ahnenforscher sein, so subtil sind die Änderungen. Schade, versteckt Jaguar bei einem durchdesignten Kombi die Auspuff-Endrohre, dies würde den sportlichen Anspruch unterstreichen.
Ein Sprung nach oben
Deutlich umfangreicher sind die Änderungen im Interieur! Dieses sieht beim Testwagen dank der braunen Lederausstattung besonders nobel aus, doch endlich stimmt auch die Gesamtqualität. Feine Materialien hatten die Briten schon immer im Einsatz, doch nun ist die Verarbeitungsqualität auch auf dem Niveau angekommen, auf dem sie sein sollte – bei Jaguar in der jüngeren Vergangenheit leider nicht immer selbstverständlich.
Bei der XF Überarbeitung sind die Briten dafür über sich hinaus gewachsen. Feinste Strukturen auf dem Aluminium, angenehme Druckpunkte an allen Bedienelementen, absolut keine Störgeräusche. Selbst Details wie Fensterheber oder Lüftungsdüsen wurde besondere Aufmerksamkeit geschenkt und das verdient besonderes Lob. Dieser Wagen ist nicht nur todschick, sondern auch qualitativ ganz weit oben.
Anständig vernetzt
Das Loblied geht weiter. Das Infotainmentsystem mit zentralem, freistehenden und leicht gekrümmtem (!) Display ist brandneu und verrichtet einen ausgezeichneten Dienst. Die Menüführung ist intuitiv, die Bedienung flüssig, die Online-Dienste zuverlässig, die Sprachführung gut brauchbar. Ausserdem ist das System sofort ab Motorstart ready und mit dem Smartphone gekoppelt, ein mühsames Aufstarten ist nicht mehr notwendig. Kein Vergleich zum lethargischen System von früher. Auch hier: Well done.
Schon immer stark war der XF Sportbrake beim Raumangebot. Vorne sitzt man tief und top integriert im Auto, als Fahrer fühlt sich das angenehm sportlich an. Hinten gibt es Bein- und Kopffreiheit im Übermass und der flache, tiefe Kofferraum ist die beste Voraussetzung für einen langen Besuch im Möbelhaus. Die meisten SUVs können mit diesem Kombi diesbezüglich nicht mithalten.
Super Fahrwerk, mauer Motor
Im Testwagen steckt zwar der stärkste Antrieb, doch leider endet das Antriebsportfolio beim 221 kW starken Vierzylinder-Turbo, den es ausschliesslich in Verbindung mit Allrad gibt. Der Motor hat zwar im mittleren Drehzahlbereich ordentlich Punch, ist aber weder besonders drehfreudig, noch klingt er irgendwie gut, vom Motorlauf her ist er sogar eher rau.
Dass die Konkurrenz unter anderem auch leisstungsstärkere Antriebe anbietet und früher ein traumhafter V6-Kompressor im Jaguar-Portfolio stand, macht die Angelegenheit gleich doppelt bitter. Schwach ist der Zweiliter ja nicht, aber wirklich souverän fühlt er sich halt nicht an.
Begeisterter Sportler
Beim Handling macht der Jaguar dagegen alles richtig. Das adaptive Fahrwerk ist klar auf der aktiven Seite und hält die Karosserie im Zaum sowie den Wagen in der Spur. Es macht grossen Spass, das Auto mit der direkten Lenkung und dem hecklastigen Allradantrieb um die Kurve zu drücken, obwohl für ein lebendiges Heck zu wenig Kraft vorhanden ist. Trotzdem macht der XF Sportbrake mit seinem begeisternden und präzisen Handling dem Markennamen alle Ehre.
Auch technisch braucht sich der Brite nicht zu verstecken. Mit dem optionane Matrix-Laser-Fernlicht hat er sogar Spitzentechnologie an Bord. Dafür beschränkt sich der adaptive Tempomat auf seine grundlegenen Fähigkeiten und fungiert nicht als Stauassistent. Dass im Test aber keine Fehlalarme ausgelöst wurden, spricht bereits für eine solide Technik.
Kein Preisschreck
Noch immer ist in einigen Köpfen Jaguar als sündhaft teure Marke verankert. Dem ist nicht so. Der XF Sportbrake ist ein absolut überzeugender Kombi mit hohem Nutzwerk, zeitlosem Design und fahraktivem Handling. Der Motor ist zwar kein Sahnestück, aber wem die gebotene Leistung reicht, findet im Jaguar einen hervorragenden Allrounder, der sich auch mal richtig hart rannehmen lässt, sowohl bezüglich Beladung als auch Fahrdynamik. Der sehr gut ausgerüstete Testwagen kostet 92’320 Franken, das ist in der Premium-Liga ein faires Angebot. Die Qualität des Autos ist bestechend, trotzdem finde ich es jammerschade, dass ausgerechnet Jaguar in dieser Klasse nur noch emotions- und charakterlose Vierzylinder einsetzt.
Alltag
Mit fünf Metern Länge ohne Allradlenkung ist der XF Sportbrake sicherlich nicht der Handlichste, doch die Platzverhältnisse sind über jeden Zweifel erhaben. Auf den kubischen, sehr tiefen Kofferraum dürfte so manches SUV neidisch sein. Auch die Platzverhältnisse im Fond sind luxuriös. Zwei Tonnen Zuglast gibt es on top dazu.
Fahrdynamik
Auch als grosser Kombi ist dieser Jaguar dem Sport sehr angetan. Das adaptive Fahrwerk zeigt die nötige Härte, die Lenkung brilliert mit Präzision und Feedback. Das Fahrverhalten ist neutral bis hin zu leicht hecklastig. Es wären alle Voraussetzungen vorhanden für einen richtig wilden Kombi-Ritt, doch leider ist der Vierzylinder-Turbo auch in der höchsten Ausbaustufe kein Pulsbeschleuniger.
Umwelt
Zwar hat der Motor im Test genau den Normverbrauch von 9,7 l/100 km erreicht. Das ist eigentlich eine gute Nachricht, doch für einen Zweiliter-Motor ist das immer noch kein Ruhmesblatt.
Ausstrahlung
Die agressive Schnauze verheisst Sportlichkeit, die Dach-und Fensterlinie verlaufen sehr elegant nach hinten. Ein schnittiger, grosser Kombi.
Fazit
+ Elegantes, zeitloses Design
+ Exzellente Verarbeitungsqualität
+ Tiefe Sitzposition, top Ergonomie
+ Verschwenderische Platzverhältnisse
+ Verschiedene Fahrmodi mit grosser Spreizung, inklusive Eco, Schnee und Matsch
+ Grundsetting setzt bereits den Fokus auf die Sportlichkeit
+ Spontanes, treffsicheres Automatikgetriebe
+ Schnell reagierende Lenkung, hohes Feedback
+ Hecklastiger Allradantrieb, hoher Grip
+ State-of-the Art Assistenzsysteme, semi-autonomes Parkieren möglich, keine Fehlalarme
+ Matrix-Laser-Fernlicht optional vorhanden
– Nur Vierzylinder im Angebot, rauer Motorlauf
– Verhältnismässig recht hoher Verbrauch
– Grosser Wendekreis
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Jaguar XF Sportbrake P300 |
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Preis Basismodell / Motorisierung / Testwagen | 64 800 CHF / 76 300 CHF / 92 320 CHF |
Hubraum / Zylinder | 1997 ccm / R4 |
Antrieb | Benzin, Allradantrieb |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor |
Getriebe | 8-Gang Automatikgetriebe |
Max. Leistung | 221 kW bei 5500 r/min |
Max. Drehmoment | 400 Nm bei 1500 - 4500 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 6,2 s |
Vmax | 250 km/h (elektronisch abgeregelt) |
WLTP-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 9,7 l/100 km / 218g/km / F |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 9,7 l/100 km / 218 g/km / +0% |
Länge / Breite / Höhe | 4,96 m / 1,88 m / 1,49 m |
Leergewicht | 1961 kg |
Kofferraumvolumen | 582 - 1724 l |
Bilder: Koray Adigüzel
1 thought on “Jaguar XF Sportbrake: Kampf der Werte”