Jaguar XJ: König der Jaguare

Jaguar XJ – eXperimental Jaguar – die Interpretation einer Oberklasselimousine von Jaguar. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass viele Pressetestwagen sehr gut bestückt sind, was die Sonderausstattung anbelangt; man will schliesslich zeigen, was man hat. Auch unter der Haube findet sich häufig ein potentes Triebwerk. Executive steht klein am Fensterrahmen meines schneeweissen XJ Testwagens, das will doch schonmal was heissen. Ich nehme den Schlüssel in Empfang und studiere das Datenblatt des Testwagens. Magerkost. Das war mein erster Gedanke – aber da hatte der Charme vom XJ mich noch nicht in seinen Bann gezogen…

Wie stellt man sich ein Auto der Luxusklasse vor? Schwarz. Gross. Auf eine Art und Weise kühl und distanziert, wenig emotional. Mein XJ strahlt in unschuldigem Weiss und wirkt alles andere als distanziert. Er wirkt von vorne angriffslustig, während sein Heck zeitlose Eleganz ausstrahlt. Dank dem serienmässigen Panoramadach scheint beinahe die ganze, stromlinienförmige Dachlinie verglast zu sein. Bereits in der Standardversion wirkt der XJ majestätisch lang, es gibt ihn aber auch ihn einer Langversion mit nochmals verlängertem Radstand für ultimativen Platz im Fond.
Das Interieur wirkt äusserst gediegen. Auf allen Plätzen könnte man stundenlang verweilen, obwohl mein Testwagen weder Massagefunktion, Sitzkühlung oder individuell verstellbare Rücksitze bietet. Auch ein Kühlfach sowie ein Fond-Entertainment inkl. Digital-TV fehlt. Man könnte den XJ aufrüsten wie die First Class im Flugzeug, aber bereits in der Basis fühlt man sich bestens aufgehoben. Für das richtige Ambiente sorgt die kühle, phosphorblaue Beleuchtung, die optional sogar die Lüftungsdüsen ins richtige Licht rückt. Als Fahrer blickt man auf gestochen scharfe, digitale Instrumente, die sich hervorragend ablesen lassen und jene für den Fahrer gerade notwendigen Informationen anzeigen. Schade, dass es ab dem ganzen Luxus nicht mehr für einen schlichten, kleinen Haltegriff oberhalb des Beifahrers gereicht hat… Als kleine Kuriosität ist mir aufgefallen, dass die Welt beim Blick durch den Rückspiegel sehr in die Breite gezogen wirkt. Das ist nicht weiter störend, aber es ist das erste Mal, dass mir dies bei einem Auto auffällt.

Unter der Haube des britischen Flaggschiffes ist sehr deutlich der aktuelle Trend zum Downsizing erkennbar. Ein herkömmlicher 2.0 Liter Vierzylinder Turbobenziner verrichtet nämlich seinen Dienst. Nicht gerade das, was man in einer Luxuslimousine erwartet, aber auch aus technischer Sicht hat sich gezeigt, dass die Basis durchaus ausreichend sein kann. Mit den 177 kW Leistung und 340 Nm Drehmoment, die der Motor generiert, ist man weder unter-, noch übermotorisiert unterwegs. Sollte man es doch einmal eilig haben, dreht der Benziner gierig bis knapp 7000 Umdrehungen, wobei der Sound stets dezent bleibt. Der Motor wird bestens von der 8-Stufen-Automatik unterstützt. Bei forscher Gangart wirkt die erhabene Luxuslimousine dank direkter Lenkung und Adaptivfahrwerk zudem agiler, als man es ihr zutrauen würde. Unterstützt wird das sportliche Fahrverhalten durch das verhältnismässig leichte Gewicht von nur 1.9 Tonnen – Aluminiumkarosserie sei Dank. Allerdings fällt der Benziner durch ein spürbares Turboloch negativ auf, erst deutlich über 2000 Umdrehungen geht es vehement vorwärts. Dies muss man insbesondere beim Abbiegen berücksichtigen, da der XJ bei gleichbleibender Gaspedalstellung nur zögerlich anfährt und dann plötzlich stark beschleunigt. Ebenfalls nicht von der besten Seite zeigte sich die Start-Stopp-Automatik, die entweder gar nicht oder erst verspätet reagierte. Der Verbrauch liegt laut Werk bei 8.5 l/100 km – schade, dass selbst mit der Einstiegsmotorisierung nur die schlechteste Energieeffizienzklasse G drin liegt. Wirtschaftlich ist nur der Diesel, denn im Test verbrauchte der Vierzylinder 9.5 l/100 km.
So richtig in seinem Element ist der XJ aber, wenn er schön gleichmässig über die Strassen gleiten darf. Der Federungskomfort ist sehr hoch und das Geräuschniveau fast so niedrig wie in einem Elektroauto, auch auf der Autobahn ist der XJ flüsterleise unterwegs. Seltsam, dass unter all den verfügbaren Assistenzsystemen ausgerechnet ein Spurhalteassistent nicht verfügbar ist, wo doch der XJ die prädestinierte Reiselimousine ist.

Der Test mit dem XJ hat gezeigt, dass er bereits in der Basisausführung sehr viel Eleganz, Moderne und Komfort bietet. Der in dieser Klasse kleine Benziner ist leistungsmässig völlig ausreichend, aber nicht besonders sparsam. Wird dieser Wagen nicht als Chauffeurslimousine bewegt, reicht die Basisausstattung mit ein paar sinnvollen Extras bei weitem aus, wodurch der Preis bei ungefähr 100’000 Franken stehen bleibt. Ein sehr guter Preis angesichts dieses rollenden Schlosses der Ruhe und Besinnlichkeit. Und die Aura dieses Autos, die ist absolut unbezahlbar.

Alltag ★★★★★

Die erhabene Länge über fünf Meter erfordert entsprechend grosszügige Parklücken. Ausserdem leidet der XJ wie auch der XF Sportbrake unter einer geringen Zuladung. Ansonsten fehlt es den Insassen eines XJ absolut an nichts.

Fahrdynamik ★★★★☆

Trotz Basismotorisierung kann der XJ sehr aktiv und sportiv gefahren werden. Dank der direkten Lenkung lässt sich der grosse Jaguar präzise und agil um Kurven scheuchen.

Umwelt ★★★☆☆

Effizient ist nur der Dieselmotor, selbst als Basisbenziner kommt sein Durchschnittsverbrauch der 10-Liter Marke ziemlich nahe. Ausserdem funktionierte im Test die Start-Stopp-Automatik sehr unzuverlässig.

Ausstrahlung ★★★★★

Die geschmeidige Form des XJ schmeichelt dem Auge, er wirkt wie aus einem Guss. Die Ruhe, Eleganz und Gelassenheit, die dieses Auto ausstrahlt, sind erstklassig.

Fazit ★★★★★

+ Exzellente Material- und Verarbeitungsqualität
+ Im Innenraum viele Individualisierungsoptionen
+ Fond lässt sich in eine First Class umwandeln (nur in höheren Ausstattungslinien)
+ Sehr modernes Erscheinungsbild
+ Elegantes Design
+ Perfektes Automatikgetriebe
+ Bei ruhiger Fahrt extrem leise
+ Sportlich – komfortabel Spagat gelingt sehr gut
+ Verhältnismässig tiefer Preis (als Basisausführung)

– Anfahrschwäche
– Geringe Zuladung
– Auch mit dem Basisbenziner recht hoher Verbrauch

Steckbrief

Marke / ModellJaguar XJ
Preis Basismodell / Testwagen89'400 CHF / 96'950 CHF
AntriebBenzin, Heckantrieb
Hubraum / Zylinder1999 ccm / R4
Getriebe8-Stufen Automatikgetriebe
Max. Leistung177 kW
Max. Drehmoment340 Nm
Beschleunigung 0-100 km/h7.5 s
Vmax241 km/h
Verbrauch Werk / CO2 Emissionen / Energieeffizienz8.5 l/100 km / 199 g/km / G
Verbrauch Test / CO2 Emissionen9.5 l/100 km / 222 g/km
Länge / Breite / Höhe5.12 m / 1.90 m / 1.46 m
Leergewicht1915 kg
Kofferraum520 l

(Bilder: Jaguar)

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