Wer erinnert sich an das legendäre Game Need for Speed Most Wanted? Natürlich die erste Version, nicht der billige Aufguss von 2012. Bei höheren Fahndungsstufen im Game wurde man von sogenannten Rhino-Einheiten – fette SUVs – verfolgt oder gar frontal gerammt. Als Fahrer auf der Flucht tat man gut daran, den Rhinos aus dem Weg zu gehen.
Im echten Leben wird man zwar (hoffentlich) nicht von Rhino-Einheiten verfolgt, aber man ist ebenfalls gut beraten, dem Jeep Grand Cherokee SRT (Street Racing Technology) tunlichst aus dem Weg zu gehen. Dessen 6,4 Liter Hemi-V8 saugt nämlich soviel Luft ein, dass die Luft zum Atmen für die umstehenden Menschen und Autos ziemlich dünn wird. Die Frage, ob es so ein Monstrum wie den Jeep SRT wirklich braucht, ist völlig obsolet, denn das Auto existiert schliesslich schon. Also beschränken sich meine Aktivitäten mit dem Jeep SRT auf jene, die der stärkste Jeep aller Zeiten besonders gut beherrscht: Leute provozieren, Autos attackieren und Benzinvorräte minimieren.
Wie der Jeep Grand Cherokee SRT dasteht. Wie ein Fels in der Brandung. Im Gegensatz zu seinem zivilen Bruder wirkt die Front deutlich aggressiver, die Motorhaube zieren zwei Luftauslässe und ein Diffusor mit der zweiflutigen Abgasanlage zeigt, dass gerade eben kein gewöhnlicher Jeep vorbeigerauscht ist. Dass der SRT im Vergleich zu seinen braven Brüdern tiefer gelegt ist, sieht man ihm nicht an – er ist nach wie vor ein riesiges Monster. Ein Sympathieträger ist er auf jeden Fall nicht: Monster, Zuhälterschlitten, Panzer, Säufer, Schlachtschiff oder Protzkarre, die diversen Spitznamen, die mein Testwagen von meiner Kollegschaft erhalten hat, sprechen eine deutliche Sprache.
Im Innenraum sind bis auf die Sportsitze und das extrem dicke Lenkrad mit SRT-Prägung keine Unterschiede zum normalen Grand Cherokee auszumachen. Schade, hat sich SRT den Alcantara-Dachhimmel gespart. Das Uconnect Infotainmentsystem gefällt durch den grossen Touchscreen und die einfache Bedienbarkeit. Skurril ist jedoch, dass mal das Symbol für die Systemeinstellungen und mal das Symbol für das SRT Performance App ersichtlich ist.
Je nach dem, welches Symbol gerade aktiv ist, kann man nicht auf den anderen Menüpunkt zugreifen. Ansonsten bietet der Jeep SRT jede Menge Platz für die Passagiere und mit 782 Liter Volumen einen immensen Kofferraum. Das maximale Ladevolumen von 1554 Liter ist hingegen sehr bescheiden, da laden gewisse Kompaktkombis sogar mehr. Im Innenraum findet sich leider in den Türen und in der Mittelkonsole einiges an billigem Kunststoff. Auch das Geräusch, wenn die Türe zugeschlagen wird, klingt eher blechig als satt.
Nüchtern betrachtet ist der Jeep Grand Cherokee SRT für nichts zu gebrauchen. Im SRT-Trimm geht seine Geländegängigkeit vollends flöten, jedes Kompakt-SUV kann da mit ihm mithalten. Mehr als einen Snow-Fahrmodus hat ihm SRT nicht auf den Weg gegeben. Und so sehr der SRT auch einen auf Sport machen will, kein Fahrwerk der Welt kann 2,5 Tonnen Kampfgewicht kompensieren, denn die Grenzen der Physik lassen sich nicht überlisten.
Was den Jeep so faszinierend macht, ist, dass er ein Widerspruch in sich selber ist. So massig, so gross, so schwer – und trotzdem geht er ab, wie vom Katapult abgeschossen. Unter der mächtigen Haube poltert nämlich ein gewaltiger 6,4-Liter Hemi-V8 und da bleibt kein Auge trocken. Unter wütendem Gebrüll lässt er bis zu 624 Nm an alle vier Räder ab, wodurch der Jeep schön linear anschiebt, wie ein Jet auf der Startbahn. Verwaltet wird die Kraft von der bewährten ZF 8-Gang-Automatik. Downsizing? Turbolader? Kennt der Jeep nicht mal vom Hörensagen. Stattdessen steht praktisch ab Leerlaufdrehzahl eine gewaltige Kraft auf Abruf bereit, Gasbefehle werden prompt in Vortrieb umgesetzt. Die maximale Leistung beträgt 344 kW und es ist ausgesprochen bedauerlich, dass der Begrenzer bei 6000 Umdrehungen der Drehfreude ein Ende bereitet.
Rasen kann der Jeep auf jeden Fall und spätestens dann, wenn seine übel gelaunte Visage formatfüllend im Rückspiegel des Vordermannes auftaucht, macht jeder, aber wirklich jeder, Platz. Eine Lichthupe ist im SRT somit überflüssig, schiere Grösse reicht eben auch aus.
Auch auf Passstrassen ist der SRT erstaunlich schnell unterwegs. Die Lenkung ist schwergängig, aber präzise, das Fahrwerk genügend straff, so dass sich Wankbewegungen in Grenzen halten. Man spürt das hohe Gewicht zwar deutlich, aber der Über-Jeep bleibt trotzdem lange in der Spur. Da er allerdings bei zu hohen Kurvengeschwindigkeiten zum Übersteuern neigt, empfiehlt es sich, das ESP nicht ganz auszuschalten. Das Bremspedal ist zwar teigig, allerdings ist die Brembo-Bremsanlage im Ernstfall über alle Zweifel erhaben, denn sie kann sehr hart zubeissen.
In städtischen Gefilden erntet der Jeep viele Blicke – tendenziell eher weniger wohlwollende. Insbesondere das Beschleunigen in niedrigen Gängen und das daraus folgende, wütende Schnauben und Grummeln des Reaktors unter der Haube sorgen bei Passanten für Begeisterungsstürme. Vor allem in engen Gassen, am besten mit Restaurant-Gästen, die draussen am dinieren sind, folgt auf das V8-Spektakel tobender Applaus. Wer also einen schlechten Tag hatte und seinen Groll auslassen muss, der sollte lautstark in einem Jeep SRT durch ein paar Gassen grollen.
Das majestätische Gefühl im Jeep Grand Cherokee SRT ist dann vollkommen, wenn der 93 Liter Tank voll ist. Allerdings bedient sich der Hemi-V8 gerne grosszügig beim mitgeführten Benzin. Bei aggressivem Einsatz sind es gerne über 30 Liter, bei ruhiger Autobahnfahrt und aktiver Zylinderabschaltung wird der Motor mit nur noch 11 Liter Verbrauch zum vorbildlichen Öko-Meister. Wer wie ich im Test mal so, mal so fährt, muss mit einem Durchschnittsverbrauch von 16,1 l/100 km rechnen. Laut Werk sollten ihm 14,0 l/100 km genügen, was gar nicht mal so weit davon entfernt ist. Das schöne am Jeep ist, dass sowohl das Donnern über einsame Land- und Bergstrassen, wie auch das gediegene Cruisen über die Autobahn äusserst befriedigend sind. Überland wütet und poltert der V8, was das Zeug hält, während er auf der Autobahn angenehm im Hintergrund vor sich hin grummelt. Zudem erhöhen auf der Autobahn der Abstandstempomat und der Tot-Winkel-Warner den Komfort zusätzlich. Trotzdem muss der Fahrer stets wachsam bleiben, denn mit seinen fetten 295er Walzen fährt der Jeep gerne Spurrillen hinterher.
Das geilste am Jeep Grand Cherokee SRT ist allerdings sein Preis. Für 99’900 CHF ist so ziemlich alles dabei, was das automobile Herz begehrt. Als einzige Option stehen diverse Metallic-Lackierungen für 1400 CHF zur Wahl. Bei der deutschen (BMW X5, Mercedes M-Klasse und Audi Q7) sowie der britischen (Range Rover) Konkurrenz liegt nicht nur der Basispreis höher, man darf sich dann auch durch dicke Aufpreislisten blättern. Zwar sieht man beim Jeep SRT teilweise, wo gespart wurde und der Verbrauch liegt ein bisschen höher, aber der bessere Kauf macht man mit dem Jeep alleweil. Ausserdem bietet der Jeep SRT als Einziger den ehrlichen, dreckigen V8-Sound, wie es eben nur die grossvolumigen Originale aus Übersee können. Wer also auf der Suche nach neuen Hobbys – Leute provozieren, Autos attackieren und Benzinvorräte minimieren – ist, sollte beim nächsten Jeep Händler vorbeischauen. Die Passanten und Nachbaren werden sicher schon bald den Daumen recken…
Alltag ★★★★★
Für die Innenstadt ist er vielleicht ein wenig zu gross geraten, aber wen das nicht schert, der ist auch mit dem Jeep SRT bestens bedient. Wer keine Ausflüge ins Gelände plant, bekommt mit dem Jeep SRT alles, was er braucht. Und noch viel mehr.
Fahrdynamik ★★★★☆
In Anbetracht seiner Masse ist der Jeep Grand Cherokee SRT ein Rakete. Das Faszinierende ist, wie er trotz seiner Grösse und seines Gewichts rasen und um Kurven fahren kann. Trotzdem, einem Golf R würde er nicht folgen können. Aber dafür brüllt sein V8, als gäbe es kein Morgen.
Umwelt ★☆☆☆☆
Eine Ölquelle im eigenen Garten wäre für den Betrieb des Jeep Grand Cherokee SRT ein angenehmer Vorteil und eine nicht zu unterschätzende, finanzielle Entlastung. Zwar zügelt die Zylinderabschaltung auf der Autobahn seinen Durst ein kleines bisschen, aber mit mehr als 15 Liter im Schnitt muss man rechnen, wenn man den Jeep ab und zu von der Leine lässt.
Ausstrahlung ★★★★★
Der Jeep polarisiert, weil jedem, der ihn hört, sofort klar ist, dass er völlig übermotorisiert ist. Eine gewisse Abgebrühtheit gegenüber feindlichen Blicken sollte man schon haben. Es gibt aber auch jene Fraktion, die ihn tatsächlich mögen. Weil er ehrlich, faszinierend und für manche ein fahrender, ausgestreckter Mittelfinger ist.
Fazit ★★★★☆
+ Massig Platz im Innenraum
+ Irrsinnige Beschleunigung
+ Ehrlicher, originaler V8-Sound
+ Direkte und präzise Lenkung
+ Mächtige Bremsanlage
+ Intuitives Infotainmentsystem
+ Perfektes Automatikgetriebe
+ Assistenzsysteme erhältlich
+ All Inclusive – Sehr gutes Preis- / Leistungsverhältnis
– Teilweise billiger Kunststoff im Interieur
– Teigiges Bremspedal
– Exorbitanter Verbrauch – ist aber voraussehbar
– Ein Jeep ohne Offroad-Fähigkeiten
Steckbrief
Marke / Modell | Jeep Grand Cherokee SRT |
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Preis Basismodell / Testwagen | 99'900 CHF / 101'300 CHF |
Antrieb | Benzin, Allrad |
Hubraum / Zylinder | 6417 ccm / V8 |
Getriebe | 8-Gang-Automatik |
Max. Leistung | 344 kW |
Max. Drehmoment | 624 Nm |
Beschleunigung 0–100 km/h | 5,0 s |
Vmax | 257 km/h |
Verbrauch Werk / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 14,0 l/100 km / 327 g/km / G |
Verbrauch Test / CO2 Emissionen / Differenz | 16,1 l/100 km / 376 g/km / + 15% |
Länge / Breite / Höhe | 4,85 m / 1,95 m / 1,75 m |
Leergewicht | 2458 kg |
Kofferraumvolumen | 782 — 1554 l |
(Bilder: Koray Adigüzel)
Wirklich ein sehr schickes Fahrzeug. Da ich eh viel in der Natur unterwegs bin, würde ich den Jeep Grand Cherokee in jedem Fall nicht ablehnen. Leider liegt er über meinem persönlichen Preislimit und bleibt daher wohl eher ein Traum… 😉