Angst kann man riechen. Wer sich fürchtet, sondert bestimmte Moleküle in seinem Schweiss ab; Menschen und Tiere können diesen Geruch wahrnehmen. Und wer vor dem Jeep Grand Cherokee Trackhawk steht, der fürchtet sich. Weil er ein Tier ist. Wortwörtlich und im übertragenen Sinn, denn unter der Haube des Ungetüms schlummert die Hellcat. Ein V8-Kompressormonster, höchst angriffslustig und jederzeit bereit, alles um sich herum auszuknocken. Auch dich. Zu deinem Vorteil kann der Jeep Trackhawk als wohl einziges Tier dieser Welt deine Angst nicht riechen. Scheint wohl ein Gendefekt zu sein. Aber gut für dich, ansonsten hättest du das Duell gegen das Zweieinhalbtonnen-Vieh von vornherein schon verloren.
Angst ist unschön, beklemmend. Aber überlebensnotwendig. Puls, Blutdruck und Atmungsfrequenz erhöhen sich, die Pupillen weiten sich, Muskeln spannen sich an. Die Reaktionszeiten sind verkürzt, die Instinkte geschärft. Du bist in der Lage, innert Sekundenbruchteilen zu entscheiden: Kampf oder Flucht. Gas oder Bremse. Das sind deine elementaren Waffen im Zweikampf mit der kolossalsten aller Hellcats. Es gibt auch noch eine Lenkung, aber sie hat hier beängstigend wenig zu sagen.
Mit zitternden Fingern drückst du den Startknopf. 6,2 Liter Hubraum erwachen, schütteln sich, brüllen zornig auf. Lärmbegrenzungen kennt dieser Jeep nicht. Schon im Stand bollert er lauter als ein Dreizylinder am Limit, läuft unruhig, zittert. Vor Wut? Vielleicht. Auch das Umfeld hat jetzt die Wahl: Kampf oder Flucht. Es heisst, wer aufgibt, hat schon verloren. Aber, Hand aufs Herz, was kann man dem Jeep Trackhawk schon entgegensetzen? Okay, eine Radarfalle, die ist höchst effektiv. Aber alles andere: Vollkommen wirkungslos, wenn du dich für Kampf entscheidest. Vorwärtskommen ist gar kein Begriff für die Brutalität, mit welcher der Jeep nach vorne stürmt.
522 kW und 868 Nm demonstrieren, dass Gewalt eben doch eine Lösung ist, wenn es schnell gehen muss. Und es geht schnell, denn der Jeep muss nicht erst Luft holen. Der Kompressor sirrt, setzt das Triebwerk unter Druck und dann geht es abartiger nach vorne, als du es dir jemals erträumt hast. Wie sich diese Masse katapultartig beschleunigen lässt, einfach unglaublich. Nicht nur aus dem Stand, sondern vor allem aus höherem Tempo. Selbst auf der Autobahn zieht der Trackhawk beim Kickdown nach vorne, als gäbe es keinen Widerstand. Kraft ohne Ende.
Dazu dieser Soundtrack, V8-Getöse vom feinsten: keine Symphonie, sondern Heavy Metal. Bei jedem Schaltvorgang bläst der Trackhawk eine Fanfare hinten raus, als hätte er sich eben an einem Smart verschluckt. 95 Dezibel schafft dieses Monstrum garantiert, wenn nicht sogar 100. Wer mit offenen Fenstern durch einen Tunnel brettert, riskiert fast einen Gehörsturz. Dieses Auto fährt nicht, es wütet und zwar permanent. Lustig ist das trotzdem. 😉
Mit der Zeit weicht deine Angst einem Gefühl der Unbesiegbarkeit, denn trotz der schier unbändigen Kraft bleibt das Monstrum auch bei schlechten Strassenverhältnissen stabil. Doch die Sicherheit ist trügerisch, denn du hast in diesem Kampf stets einen Verbündeten, vor allem in Kurven und bei stürmischer Beschleunigung. Würde das ESP dich nicht tatkräftig unterstützen, dann würde dich der Trackhawk abwerfen wie ein Rodeo-Stier.
Adaptive Bilstein-Dämpfer sollten die Fuhre in der Kurve stabil halten, doch während Jeep beim Motor das Gröbste vom groben einbaut, bleiben sie beim Fahrwerk zurückhaltender. Selbst in der Track-Stellung kommt Seitenneigung auf, das grosse Gefühl von Verbundenheit stellt sich jedenfalls nicht ein, trotz für SUV-Verhältnisse direkter und präziser Lenkung. Wenigstens die Brembo-Bremsanlage im 400-mm-Format ist dem ganzen Irrsinn gewachsen. Sie verzögert bissig, stabil und nachhaltig, auch bergab bei harten Bremsmanövern.
Wie krank dieser Apparat tatsächlich ist, wird deutlich, wenn der Antrieb im Track-Modus seine Kraft zu 70% zur Hinterachse leitet und das ESP zurückhaltender wird. Du glaubst, du verfügst über schnelle Reflexe, aber wenn 868 Nm wie eine Abrissbirne an der Hinterachse einschlagen, kannst du nur der Verlierer sein. Der Jeep kündet ein ausbrechendes Heck nicht sanft an, er ringt dich nieder wie ein Sumo-Ringer. Wer unbedingt Todesängste ausstehen möchte, bitte sehr. Ich hatte nach einem mal genug. Nie wieder Track-Modus. Ich bin noch zu jung, um in der Hölle zu schmoren.
Das Nonplusultra an Absurdität ist aber, dass dieser Jeep über keinerlei Offroad-Fähigkeiten mehr verfügt. Dafür wurde er zu heftig tiefergelegt, das Fahrwerk ist zu steif, die Reifen auf Performance ausgelegt. Stattdessen poltert er über die Strassen, schnauft, surrt, röhrt, brüllt – und säuft. Wie ein gottverdammtes Loch. Drei Tonnen vermag er zu ziehen und am besten würde man einen Tankwagen anhängen. Nach einer rasanten Bergfahrt zeigt der Trackhawk 50,0 l/100 km an. Nicht, weil es genau 50 Liter sind, sondern weil der Bordcomputer schlicht nicht in der Lage ist, einen noch höheren Verbrauch anzuzeigen. Und du dachtest schon, noch wahnsinniger kann es nicht mehr werden… Ach ja, es gibt übrigens auch noch einen Eco-Modus.
Wenig überraschend taugt der aber nichts. Zu aggressiv hängt das Kompressor-Triebwerk am Gas und kann es kaum erwarten, mit barbarischer Gewalt über dich herzufallen. Dieses Monstrum ist der Gipfel der Unvernunft, aber eben auch der Gipfel der Geilheit. Dagegen ist fliegen fast schon umweltfreundlich. Wenn du der Versuchung nicht widerstehen kannst und gewillt bist, die Angst zu bändigen, dann trennen dich 139’000 Franken vom Jeep Grand Cherokee Trackhawk. Eine ordentliche Summe, aber ein Schnäppchen im Vergleich zum Lamborghini Urus oder Porsche Cayenne Turbo. Klar erreicht das amerikanische Dickschiff niemals deren Präzision, aber who cares?
Alltag
Klar kannst du dieses Vieh im Alltag einsetzen, der Komfort stimmt, das Platzangebot ebenso. Städte und Parkhäuser sind aber nicht unbedingt das Lieblingsrevier des Trackhawks.
Fahrdynamik
Dank Kompressorpower und Brembo-Gewalt kann dich dieser Jeep mit positiven und negativen Längskräften malträtieren, dass dir schwindelig wird. Die Geräuschkulisse scheint direkt aus der Hölle zu stammen. In Kurven wird das Gewicht aber nicht gut kaschiert und wer zu unsensibel mit dem Gas umgeht, dem lehrt der Trackhawk das Fürchten.
Umwelt
Eine eigene Ölraffinierie wäre bei einem Testverbrauch von 17,6 l/100 km keine schlechte Sache. Tatsächlich läuft der Trackhawk auf der Autobahn auch mit 12 Litern, aber sobald der Hellcat-Motor anschiebt, scheint das Triebwerk den 90-Liter-Tank auf ex leer schlürfen zu wollen.
Ausstrahlung
Der Trackhawk ist kein rollendes Ausrufezeichen, er ist ein rollender Mittelfinger. Seine ungehobelte Art und sein völlig gestörter Motor finden viele geil, doch genauso viele finden es vollkommen daneben.
Fazit
+ Komplettausstattung inklusive
+ Sehr bequeme Sitze mit Heizung rundum sowie Lüftung vorne, super Ergonomie
+ Massig Platz im Innenraum
+ Akzeptabler Wendekreis
+ Toller Fahrkomfort
+ Sanftes und doch sehr schnelles Automatikgetriebe
+ Aggressives Ansprechverhalten
+ Monströser Sound
+ Unglaublicher Schub
+ Sehr gute Traktion
+ Sehr starke und bissige Bremse
+ Preis-/Leistungs-Verhältnis
– Völlig abnormaler Verbrauch
– Sitze bieten zu wenig Seitenhalt
– Handling kann nicht mit der gewaltigen Kraft mithalten
– Teilweise mässige Verarbeitungsqualität
– Absolut keine Offroad-Fähigkeiten mehr
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Jeep Grand Cherokee Trackhawk |
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Preis Basismodell / Testwagen | 139 000 CHF / 139 000 CHF |
Antrieb | Benzin, Allradantrieb |
Hubraum / Zylinder | 6166 ccm / V8 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Kompressormotor |
Getriebe | 8-Gang Automatikgetriebe |
Max. Leistung | 522 kW bei 6000 r/min |
Max. Drehmoment | 868 Nm 4000 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 3,7 s |
Vmax | 289 km/h |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 16,8 l/100 km / 385 g/km / G |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 17,6 l/100 km / 403 g/km / +5% |
Länge / Breite / Höhe | 4,85 m / 1,95 m / 1,75 m |
Leergewicht | 2545 kg |
Kofferraumvolumen | 782 - 1554 l |
Bilder: Koray Adigüzel
Was für ein geiler Artikel! Besser könnte man es nicht beschreiben. Voller Wortwitz, Wahnsinn, Freude und Emotion. Wie die Karre selber eben. Mit dem Herzen der Höllenkatze schiessen sie im Jeep echt den Vogel ab! Gehe am Freitag wieder einen Probefahren. Leider geil. Mal schauen, was meine Frau auf dem Beifahrersitz meint..
Danke für dein Kompliment und viel Spass auf der Probefahrt! Hoffe, das hast dir schon mal ein paar Argumente für deine Frau ausgedacht… 😉
Super Artikel – lange nicht mehr so amüsiert einen Autobericht gelesen… „dagegen ist Fliegen umweltfreundlich“ bin immer noch am schmunzeln. Leider hat es bei mir nicht zum Jeep SRT oder Trackhawk gereicht – aus Vernunft gabs nur einen Cupra Ateca 🙁