Kia Cee’d GT-Line: Superheldenkostüm

Hoppla, da ist der kleine Kia Cee’d scheinbar in den Kessel voller Zaubertrank gefallen. Mit dem markant-sportlichen Look des echten Cee’d GT schindet der Koreaner mächtig Eindruck. Dass er schon drei Jahre auf dem Buckel hat, sieht man ihm nicht an, sein Design ist immer noch frisch und schnittig. Allerdings sprechen Optik und Motor nicht dieselbe Sprache, denn während der Cee’d äusserlich potent wie ein Superheld wirkt, herrscht im Motorraum fast schon gähnende Leere. Ein mickriger Dreizylinder muss den Kia in Fahrt bringen. Geht das Konzept trotzdem auf?

Kia kennt wohl nur die Devise «alles oder nichts». Normalerweise ist bei den Modellen mit sportlicher Optik trotzdem noch gut zu erkennen, ob es bloss die sportliche Line, oder tatsächlich das Top-Modell ist. Bei Kia geht das fast gar nicht. Lediglich an der Front wirkt der echte GT dank GT-Logo im Grill und der roten Strebe samt anders geformtem unteren Kühler noch einen Tick aggressiver.

Kia Cee'd GT Line
Vor allem die Front mit den frechen «Ice Cube»-Tagfahrlichtern sieht gut aus.

Seitlich oder von hinten betrachtet sind überhaupt keine Unterschiede auszumachen. Der Cee’d ist ganz allgemein mit einem gefälligen Design gesegnet, mit dem sportlichen Outfit wirkt er gleich noch attraktiver. Anscheinend sieht das Kia genauso, denn obwohl der Cee’d zeitlich reif für ein Facelift wäre, beschränken sich die Änderungen auf das Optikpaket und den Motor.

Kia Cee'd GT Line
Aber auch der Rücken vermag zu entzücken.

Auch das Interieur ist praktisch unangetastet geblieben. Lediglich das von perforiertem Leder ummantelte Lenkrad und die Edelstahl-Pedalerie sowie die Sitze mit auffallendem Muster zeugen von der GT-Line. Obwohl das Interieur ebenfalls schick und übersichtlich wirkt, so ist die Haptik vom Armaturenbrett recht dürftig. Da darf Kia in Zukunft gerne hochwertigeren Kunststoff verwenden. Auch die schmale Anzeige in der Mitte wirkt sehr altbacken. Weg damit! Ansonsten gefällt das Cockpit durch simple Bedienung und der Innenraum durch gute Ergonomie und grosszügige Platzverhältnisse. Auch hinten sitzen gross gewachsene bequem mit ausreichend Bein- und Kopffreiheit.

Kia Cee'd GT Line
Man würde nicht meinen, dass der Cee’d bereits drei Jahre alt ist.

Der Dreizylinder setzt sich mehr und mehr durch – und er wird qualitativ immer hochwertiger und kultivierter. Während die ersten Dreizylinder wie eine wild gewordene Nähmaschine durch die Gegend rasselten, gefallen moderne Dreizylinder mit einem ruhigen Lauf und dem typischen, leicht kernigen Sound, der allemal aufregender als das Gedröhne lustloser Vierzylinder klingt. Der neue, aufgeladene Dreizylinder von Kia macht da keine Ausnahme. Der Cee’d wirkt äusserlich wirklich vielversprechend und ich muss sagen, dass ich positiv überrascht worden bin.

Kia Cee'd GT Line
Im Innenraum gibt es schicke…

In der Regel sind asiatische Autos – sofern sie nicht richtige Sportwagen oder aufgebretzelte Kompaktwagen sind – richtige Couch-Potatos. Wehe, man zwingt die diffuse Lenkung zu einem zackigen Einlenkmanöver, welches das komfortbetonte Fahrwerk beinahe in die Knie zwingt und das ESP auf den Plan ruft. Europäische Autos sind meistens deutlich knackiger abgestimmt. Doch Kia scheint ein feines Gespür zu haben und hat dem Cee’d ein tolles, ausgewogenes Set-Up spendiert. Nicht wirklich sportlich, aber doch so, dass eine flotte Ausfahrt trotz dem drehfaulen Dreizylinder Spass macht.

Kia Cee'd GT Line
… und weniger schicke Details.

Besonders erstaunt war ich über die Ruhe an Bord auf der Autobahn. Der Geräuschpegel ist mindestens zwei Klassen über dem Kia, noch selten habe ich einen dermassen ruhigen Kompaktwagen erlebt. Sehr gerne würde ich den Kia nun wegen der besonders umfangreichen Ausstattung oder dem einen oder anderen Assistenzsystemen loben. Die waren in meinem Testwagen jedoch nicht mit an Bord, da «nur» die mittlere Ausstattungslinie im Testwagen verbaut war. Der Grund liegt allerdings nicht darin, dass Kia nur noch ein beschränktes Budget für Testautos hat…

Kia Cee'd GT Line
Doch man fühlt sich allemal gut aufgehoben.

Manchmal, wenn ich mich mit den Testautos beschäftige, stelle ich Tatsachen fest, deren Sinn oder Logik sich meinem Verständnis entzieht. Der Kia Cee’d in der GT-Line ist wirklich ein hübsches Auto mit einem Fahrverhalten, dass die allermeisten zufriedenstellen sollte. Ausserdem lässt sich der Cee’d mit Ledersitzen, Tot-Winkel-Warner, mitlenkenden Xenon-Scheinwerfern und Panoramadach richtig hochwertig ausstatten. Doch man muss sich entscheiden: Tolle Ausstattung oder GT-Line?

Kia Cee'd GT Line
Übersichtliches Cockpit. Der Touchscreen leuchtet in der Nacht jedoch viel zu grell.

Unverständlicherweise lässt sich die GT-Line nicht mit der höchsten Ausstattungslinie und deren oben erwähnten Möglichkeiten kombinieren. Das ist wirklich schade, denn bis auf dieses Manko und den nicht gerade sparsamen Dreizylinder kann ich keine weitere Kritik ausüben. Der Cee’d ist mit einem Testwagen-Preis von 25’650 Franken ein preislich sehr attraktiver, ausgeglichener Kompaktwagen. Zwar kein Pulsbeschleuniger, wie es seine Optik verspricht, dafür grundsolide.

Kia Cee'd GT Line
Unter dem Strich überzeugt der Kia – und zwar nicht nur wegen dem günstigen Preis.

Alltag 5 out of 5 stars

Der Kia Cee’d trifft voll ins Schwarze. Er ist geräumig, leise, komfortabel und günstig. Wer noch mehr Platz benötigt, greift zum Kombi, der ebenfalls in der GT-Line erhältlich ist.

Fahrdynamik 3 out of 5 stars

Die Leistung ist eher ausreichend als genügend. Doch das Handling ist ausgewogen, sodass sich der Kia auch vor den deutschen Konkurrenten nicht verstecken muss.

Umwelt 3 out of 5 stars

7,5 l/100 km sind für einen Dreizylinder kein Ruhmesblatt. Auch der prozentuale Mehrverbrauch von über 50% spricht eine deutliche Sprache. Wieder einmal wird deutlich, wie weit die theoretischen und die praktischen Werte bei mickrigen Motoren auseinander klaffen.

Ausstrahlung 4.5 out of 5 stars

Während der normale Cee’d doch etwas bieder wirkt, ist er in der GT-Line deutlich markanter, aber doch nicht provokativ gestylt.

Fazit 4 out of 5 stars

+ Ausgewogenes Handling
+ Gute Ergonomie
+ Gute Verarbeitung
+ Grosszügige Platzverhältnisse
+ Leiser, leicht kerniger Motor
+ Sehr fairer Preis
+ Umfangreiche Ausstattung
+ Sehr gute Geräuschdämmung
+ Schickes Design

– Hoher Verbrauch vom Dreizylinder
– GT-Line nicht mit der höchsten Ausstattungslinie kombinierbar
– Billig wirkendes Armaturenbrett
– Touchscreen in der Nacht viel zu hell

Mängel am Testwagen

– Keine Mängel

Steckbrief

Marke / ModelleKia Cee'd GT Line
Preis Basismodell / Testwagen15 950 CHF / 25 650 CHF
AntriebBenzin, Frontantrieb
Hubraum / Zylinder998 ccm / R3
Motoranordnung / MotorkonzeptFrontmotor / Turbomotor
Getriebe6-Gang manuell
Max. Leistung88 kW bei 6000 r/min
Max. Drehmoment172 Nm bei 4000 r/min
Beschleu­nigung 0–100 km/h12,1 s
Vmax190 km/h
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz4,9 l/100 km / 115 g/km / C
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz7,5 l/100 km / 176 g/km / +53%
Länge / Breite / Höhe4,31 m / 1,78 m / 1,47 m
Leergewicht1402 kg
Kofferraumvolumen380 - 1318 l

(Bilder: Koray Adigüzel)

2 thoughts on “Kia Cee’d GT-Line: Superheldenkostüm”

  1. Ich muß gestehen, das ich bis vor kurzem noch nie einen Kia gefahren hatte. Jetzt im Osterurlaub, als ich mir einen Mietwagen in Athen genommen habe, bekam ich einen. Zunächst etwas skeptisch, hat er mich schnell überzeugt, besonders was Ausstattung und Platzangebot angeht.. Und auch die Spritzigkeit war vollkommen ausreichend

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