Kyburz eRod: Die Essenz des Fahrens

Es gibt einige gute Sportwagen. Doch mit dieser Behauptung werfe ich sogleich viele Fragen auf. Was zeichnet einen guten Sportwagen aus? Kraft? Handling? Kompromisslosigkeit? Motorsound? Oder ist es am Ende sogar das Fahrgefühl? Fragen über Fragen. Die Antworten darauf suche ich mit dem Kyburz eRod, einem Schweizer Gefährt, welches in vielerlei Hinsicht den Superlativ darstellt!

Doch zuerst hole ich kurz aus. Kyburz ist ein Schweizer Fahrzeugbau-Unternehmen und baut unter anderem die Elektro-Töfflis der Post. Ebenfalls im Angebot hat das Schweizer KMU weitere Logistik-Fahrzeuge für den Nahverkehr und die letzte Meile sowie Senioren-Mobile – alles rein elektrisch, versteht sich. Und fürs Gemüt gibt es eben noch den eRod, einen «Sportwagen», der rechtlich als Quad zugelassen ist, daher das kleine, quadratische Nummernschild am Heck. Einen Auto-Führerschein braucht es dennoch.

Kyburz eRod
Dass der eRod mehr offen als geschlossen ist, verleiht ihm seinen ganz besonderen Reiz.

Zwischen Coolness und Spielzeug

Die erste Reaktion auf den kleinen Flitzer ist praktisch immer dieselbe: Belustigung. Zwischen leichtem Schmunzeln bis hin zu lautem Gelächter ist alles dabei. Kann man das überhaupt noch Auto nennen? Das Design ist, sagen wir mal, radikal. Eine gewisse Niedlichkeit ist dennoch nicht von der Hand zu weisen, doch den Kyburz eRod deswegen als Spielzeug abzustempeln ist ein böser Fehler.

Kyburz eRod
Der Testwagen ist ausserdem nicht ganz nackt, denn die halboffenen Seitenwände, die Carbon-Kotflügel sowie die Speedster-Scheiben sind optional.

Einstieg? Fehlanzeige!

Ein Gitterrohrrahmen bildet das Chassis, eine Karosserie ist eher weniger als mehr vorhanden, Türen gibt es keine, Leichtbau lautet das oberste Gebot. Deshalb kann man sich nicht einfach in den eRod plumpsen lassen, sondern muss regelrecht reinklettern! Eine gewisse Gelenkigkeit ist dabei von Vorteil, ansonsten wird man plötzlich selber zur Belustigung.

Kyburz eRod
Kleingepäck und Ladeutensilien können im befestigten Koffer mitgeführt werden.

Sitzt man erst mal drin, wird man von den OMP-Schalensitzen fest umklammert und mit den Hosenträger-Gurten zusätzlich festgezurrt. Ist das Prozedere abgeschlossen, hat man eine Bewegungsfreiheit wie auf einer Achterbahn sobald der Bügel abgesenkt wurde, also praktisch null. Ein spartanischeres Cockpit wie im eRod gibt es nicht: Geneigt auf der Mittelkonsole befindet sich der Bordcomputer, der alle relevanten Anzeigen sowie Geschwindigkeit darstellt. Kippschalter steuern Licht und Fahrtrichtung, des Weiteren sind noch ein Blinkerhebel, ein Pannenblinker sowie ein Not-Aus-Knopf an Bord.

Kyburz eRod
Minimalistische und selbsterklärende Bedienung. Keine Angst vor dem Not-Aus, der eRod ist absolut sicher und hat keine Kinderkrankheiten.

Fahren ist Arbeit

Gestartet wird der eRod ganz profan via Zündschlüssel. Ganz easy rollt der Flitzer los, bereits im Tempobereich zwischen 30 und 50 km/h stellt der Kyburz puncto Intensität alles in den Schatten, was man bislang kennt. Bremskraftverstärker? Servolenkung? ABS? ESP? Gibt es hier alles nicht. Das bedeutet, dass man für die Bremse und auch die Lenkung Kraft braucht, dafür wird man mit einer Direktheit und Feedback belohnt, wie es nur ohne Elektronik möglich ist!

Kyburz eRod
Scheibenbremsen rundum bremsen den eRod kräftig ab, doch mangels ABS ist Gefühl gefragt.

Während das Fahren innerorts üblicherweise stinklangweilig ist, ist schon das im eRod ein Erlebnis mit Dauergrinsen. Der Fahrtwind pfeift bereits jetzt um die Ohren, der Elektromotor surrt deutlich hörbar im Heck, Passanten schauen verwundert und als Fahrer spürt man eine Verbundenheit zur Strasse, wie man sie noch nie zuvor erlebt hat. Dazu kommt der Blick auf quasi freistehende Räder mit sichtbarer Push-Rod-Aufhängung, was einem das Gefühl vermittelt, in einem echten Rennwagen zu sitzen.

Der orange verkabelte Apparat ist der Elektromotor und der generiert einen ganz eigenen, aber auch mitreissenden Motorsound.

Im Auge des Sturms

Die Leistung von 45 kW wirkt auf dem Papier kümmerlich, doch das Drehmoment von 140 Nm aus dem Stand reicht, um die nur 600 Kilo schwere Flunder druckvoll bis auf 80 km/h zu beschleunigen, erst darüber lässt die Kraft nach. Vor allem innerorts kann man mit dem eRod sehr schnell und heftig beschleunigen, das Gesurre des Motors sowie der Fahrtwind lassen die Beschleunigung subjektiv noch stärker wirken.

Kyburz eRod
Egal ob gross oder klein, mit dem eRod erregt man überall Aufmerksamkeit.

Doch der eRod wurde für die Kurven der Landstrassen gebaut und da geht’s jetzt hin. Tempo 50 aufgehoben, Vollgas, das Surren des Elektromotors wandelt sich in ein Kreischen, der Fahrtwind mutiert zu einem Orkan. Ab Tempo 80 kneift man die Augen zusammen, ab Tempo 90 stellt sich ein Tunnelblick ein und ab 100 km/h fällt sogar das Atmen schwerer!

Kyburz eRod
Im Vergleich zum eRod ist Cabrio-Fahren ein Wellness-Angebot.

Die Kurve kommt näher und mit viel, aber nicht zu viel Druck wird der eRod stark abgebremst, das Einlenkverhalten ist phänomenal agil und ab dem Scheitelpunkt wird wieder voll beschleunigt, je nach Kurvenradius gerne mit einem gehörigen Slide! Im eRod kommt man fast schon in einen Rauschzustand, die Sinne sind im Vergleich zu normalen Autos um ein Vielfaches geschärft und man nimmt so viel mehr wahr.

Kyburz eRod
In den Schalensitzen wird man festgezurrt, sodass man perfekt ins Auto eingebettet ist.

Wie es sein muss

Ob der Kyburz eRod der perfekte Sportwagen ist, hängt natürlich auch von den persönlichen Präferenzen ab. Doch in meinen Augen ist er es. Die Beschleunigung ist nicht heftig, aber ausreichend für sehr viel Spass. Ausserdem ermöglicht das vernünftige Mass der Motorleistung gefahrlose Slides und Drifts. Aufgrund nicht vorhandener Dämmung geniesst man im eRod eine ganz andere Note an Motorsound, welcher dem Beschleunigungserlebnis das Tüpfchen auf das i setzt.

Kyburz eRod
Der Bordcomputer vermittelt nebst dem Tempo auch Akkustand, Motortemperatur, Drehzahl und weiteres.

Das Handling ist an Präzision, Direktheit und Verbundenheit nicht zu schlagen. Man spürt die Mechanik ohne irgendwelche dazwischengeschaltete Elektronik und hat somit ein kompromissloses und mitreissendes Fahrgefühl. Aufgrund des tiefen Schwerpunktes und der breiten Spur verfügt der eRod ausserdem über eine unbeirrbare Stabilität. Wer davon noch mehr möchte, kann als Option ein Sperrdifferential an der Hinterache sowie Semislicks ab Werk ordern, beides war beim Testwagen nicht an Bord.

Kyburz eRod
An der Steckdose dauert die Ladung rund 10 Stunden, doch mittels optionalem Schnellladegerät kann die Ladung auf drei Stunden verkürzt werden.

100% Made in Switzerland

Der Kyburz eRod ist ein waschechtes Schweizer Produkt. Er wird nicht nur hierzulande entwickelt, sondern auch mit viel Liebe von Hand zusammengebaut und geprüft. Das erklärt auch den Preis ab 42’500 Franken, der sich aber in keiner Weise mit einem in Grossserie hergestellten Kleinwagen vergleichen lässt.

Kyburz eRod
Dank des kleinen Lenkrads und dem langen Schacht für die Beine haben auch grosse Personen gut Platz.

Der eRod besetzt seine ganz eigene Nische und bietet nicht nur hochkarätigen, sondern auch sauberen Fahrspass. Der hält natürlich nicht die angegeben 183 Kilometer wenn man den eRod richtig fliegen lässt, doch rund 130 Kilometer liegen drin und das reicht auch, denn nach zwei Stunden Fahrt ist man glücklich und erschöpft.

Kyburz eRod
Der eRod mag wie ein Spielzeug aussehen, doch in kurvigem Geläuf macht ihm so schnell keiner was vor, ganz zu schweigen vom Fahrgefühl!

Trotzdem noch nicht genügend Argumente? Dann am besten selber hinters Steuer hüpfen, den eRod mieten und selber erfahren, denn auch gute Worte können das Feeling nicht ersetzen!

Steckbrief

Marke / ModellKyburz eRod
Basispreis Bauseminar / Komplettfahrzeug39 500 CHF / 42 500 CHF
AntriebElektrisch, Heckantrieb
Akkukapazität19,2 kWh
Max. Leistung45 kW
Max. Drehmoment140 Nm
Beschleu­nigung 0–80 km/h4,9 s
Vmax120 km/h
Reichweite183 km
Länge / Breite / Höhe3,06 m / 1,62 m / 1,23 m
Leergewicht600 kg

Bilder: Vesa Eskola

1 thought on “Kyburz eRod: Die Essenz des Fahrens”

  1. Ich freue mich dieses Jahr wieder wie ein kleines Kind den eRod für einen Monat mein eigen zu nennen. Mehr Auto braucht es nicht für Spass. Eine Passstrasse quer hochfahren? Dafür braucht es keine ausschaltbare Elektronik die man suchen muss. Entweder man kann es, oder man kann es eben nicht. Der eRod stellt dich gar nie vor eine Wahl. Die Töfffahrer schauen zwar etwas verdutzt zurück wenn etwas nur in den Kurven quietscht. Aber auch die haben Freude wenn sie den eRod sehen. Er bietet dass was jemand braucht um Spass zu haben. Und das Beste: Ökologisch Sinnvoll. Und wie du schreibst: Es ist egal ob man einen Pass hinaufjagen will oder auf einer verwinkelten Landstrasse fährt – Laune kommt auf schon wenn man einsteigt und losfährt. Selbst wenn man mal den ganzen Bahnhofidioten nachfährt welche ballernd die Strasse langfahren stiehlt man denen die Show. Da bin ich schon mit quietschenden Reifen mit 30 durch die Kurve – und alle genervten Blicke wandeln sich in ein lächeln neben den ganzen Boliden weil schon das eigene Grinsen ansteckend ist ^^

    Das fehlen jeglichen Komforts das man normalerweise gewöhnt ist gipfelt schlussendlich in einer Fahrt, bei der man in einem geschlossenen Sportwagen oder Cabrio mindestens das doppelte an Geschwindigkeit braucht um das gleiche Feeling zu erleben. So heize ich mit der erlaubten Geschwindigkeit über die Strassen und zittere vor bleibender Erregung wenn ich aus dem eRod klettere als ob ich gerade ein Rennen am Limit gefahren wär. So muss das… 🙂

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