Wenn ein Hersteller dazu einlädt, mit einem Sportwagen den Oberalppass zu erklimmen, dann kann das nur ein guter Tag werden. Selbstverständlich bin ich der Einladung gefolgt und stehe fast am Fusse des Passes in Sedrun. Warum genau hier? Dazu komme ich später! Motorräder knattern vorbei, ein Porsche 911 röhrt auf. Auch mein Gefährt ist einsatzbereit, doch hier blubbert, knattert, oder röhrt überhaupt nichts. Der Kyburz eRod, kaum grösser als ein Gokart und wahnwitzige 45 kW stark, verspricht intensiven Fahrspass. Ich muss dazu sagen, dass ich den eRod bereits von meiner Tätigkeit bei der auto-illustrierte kenne. Andererseits wäre meine Skepsis angesichts dieses skurrilen Gefährts, das mehr nach Spielzeug als nach “Auto” aussieht, unüberschaubar gewesen!
Neben mir steht Verkaufsleiter Stefan Neuhorn und grinst mich an. Wir wissen beide, was uns erwartet. Ich gehöre normalerweise zu der Fraktion, die findet, man kann nie genügend Leistung haben. Doch im eRod ändern sich die Spielregeln. 600 Kilo Lebendgewicht und ein fast schon unterirdischer Schwerpunkt sind zwei schlagkräftige Argumente, die ein konventioneller Sportwagen schlicht nicht liefern kann. Von wegen Spielzeug, hier geht’s ordentlich ab. Ein Auto, das quasi nur aus einem Rahmenchassis besteht, findet man nicht einmal bei Morgan oder KTM. Ich als Weichei wähle allerdings die Hardtop Version mit Dach und Windschutzscheibe. Man muss es ja nicht gleich übertreiben!
Ich quetsche mich also in die Schalensitze und ziehe mir die Hosenträger-Gurte über. Festgezurrt, wie ich bin, kann ich kaum über meine Schulter blicken. Dafür könnte die Bedienung nicht einfacher sein: Zündschlüssel drehen, Handbremse lösen und via Kippschalter die Fahrtrichtung vorgeben. Die übrigen Schalter bedienen Scheibenwischer, Scheibenheizung (nur bei der Hardtop-Variante) sowie Scheinwerfer. Doch das ist heute alles irrelevant. Fahrtrichtung vorwärts gewählt und los geht’s!
Von einer Ekstase kann auf den ersten Kilometern allerdings nicht die Rede sein, viel mehr macht sich Enttäuschung breit. Ich entsinne mich an irrsinnigen Fahrspass, zackige Beschleunigung und Grip ohne Ende, als ich den eRod für die auto-illustrierte testete. Und jetzt? Es geht zäh voran, der Tacho schafft es nicht über die 80 km/h Marke und in schnellen Kurven zuckt das Heck, von wegen Grip ohne Ende. Was ist denn hier los? In Gedanken knöpfe ich mir bereits Stefan Neuhorn vor. Was zum Teufel soll denn das werden? Ist das etwa sein Verständnis von Fahrspass? Oder hat er etwa meinen eRod gedrosselt, aus Angst, ich könne nicht mit den vollen 45 kW Leistung umgehen?!
Bei einem genauerem Blick auf das Zentraldisplay erkenne ich schliesslich die Wurzel allen Übels: Der Eco Modus ist aktiviert! Doch wie geht der raus?! Ich drücke verschiedene Knöpfe, lande in komischen Menus und muss erst wieder mal aus diesen Menus rausfinden. Währenddessen kommen von hinten immer mehr Autos, da ich einfach nicht auf Touren komme. Verdammte Scheisse! Welchen Knopf habe ich noch nicht ausprobiert? Den da? Nein, der ändert bloss die technischen Anzeigen. Jetzt ist auch noch der Akkustand vom Display verschwunden, toll. Also muss es wohl – wie könnte es anders sein – der letzte sei – ahhhhh! Schub! Der eRod ist wie ausgewechselt und prescht plötzlich den Berg hoch, wie man es angesichts 45 kW Leistung niemals für möglich gehalten hätte!
Doch der Zweiplätzer ist kein Drag-Racer. Kurven sind sein Revier, je enger, desto besser. Hier spielt dem Stromer sein geringes Gewicht in die Karten. Da im Vergleich zu grossen Sportwagen nur rund ein Drittel des Gewichts zusammengebremst werden muss, kann man erst sehr spät den Anker werfen. Dies aber dennoch mit Gefühl, denn ein ABS ist nicht an Bord, geschweige denn ein ESP. Das wiederum braucht’s auch nicht, denn das sanft ausbrechende Heck lässt sich spielend einfach wieder einfangen. Das winzige Lenkrad macht soviel Fun, ausserdem ist die Lenkung mangels Servolenkung an Rückmeldung nicht zu überbieten.
Leider ist die Passhöhe viel zu schnell erreicht, doch es geht glücklicherweise auch wieder den Berg runter. Schon bergauf kam nie das Gefühl auf, untermotorisiert unterwegs zu sein, doch bergab ist der eRod eine Wucht. Er ist schnell, wieselflink und hat das Potenzial, weitaus stärkeren Autos davonzufahren. Er ist der Beweis dafür, wieviel geringes Gewicht ausmacht. Darüber hinaus ist der Blick auf die freistehenden Räder einfach nur geil. Zusammen mit den Vierpunkt-Gurten hat man das Gefühl, in einem echten Rennwagen unterwegs zu sein!
Ein weiterer Vorteil der niedlichen Optik und des Elektroantriebs ist die Sympathie. Wer mit einem bollernden V8 durch Ortschaften poltert, erntet nicht nur gut gemeinte Blicke. Einen eRod hingegen kann man nur anlächeln, vor allem, weil sein Fahrer ohnehin stets am Grinsen ist. Obwohl die Hupe von diesem kleinen Racker erstaunlich penetrant und alles andere als freundlich klingt, heben sofort alle Gäste eines Cafés die Hand zum Gruss, als ich an ihnen vorbeidüse! Die Reaktion meines Kollegen, der im Gegensatz zu mir das erste Mal eRod gefahren ist, dürfte Bände sprechen:
Ich kann jeden verstehen, der das auch mal erleben möchte, verstehe aber ebenfalls, wenn man beim Preis von 41’900 Franken fürs Hardtop und 36’000 Franken für die blosse Rahmen-Variante leer schluckt. Für dieses Geld kriegt man nämlich ein vollwertiges Kompaktauto. Der Vergleich hinkt zwar, schliesslich ist das eine Massenproduktion und das andere Kleinstserie Swiss Handmade, dennoch geht einem das durch den Kopf. Stefan Neuhorn schwärmt von der Möglichkeit des Bausatz-Seminars. Dadurch spart man nicht nur 6500 Franken, sondern kann auch seinen eigenen eRod mit der Hilfe fachkundigem Personal selber zusammenbauen. Die Chance, sein eigenes Auto selber zu bauen, hat man wohl sonst nirgends. Aber was tun, wenn man es sich das einfach nicht leisten kann, diesen Betrag für ein reines Spassfahrzeug auszugeben?
Dann sollte man am Besten einfach selber – wie ich – nach Sedrun reisen und dem Hotel Kruezli einen Besuch abstatten. Dort hat man das enorme Spasspotenzial des eRod nämlich erkannt und vermietet ihn an Gäste und allen anderen Interessierten! Eine Stunde kostet 100, zwei 160 und ein ganzer Tag 200 Franken, wobei man den ganzen Tag angesichts der Reichweite von ca. 130 Kilometer kaum ausreizen kann. Wer den Fahrspass gleich mit einem Essen oder einer Übernachtung im Hotel verbindet, bekommt erst noch 20% Rabatt aufs Fahren. Viel günstiger kann man sich Fahrspass gar nicht besorgen!
Am Ende des Tages erklärt mir Stefan Neuhorn mit einem verschmitzten Grinsen, dass der eRod damals bei der auto-illustrierte mit Semislicks ausgerüstet war und daher vielmehr Grip aufbauen konnte. Doch auch dieses Erlebnis muss niemandem verwehrt bleiben! Auf der Rennstrecke in Streisslingen am Bodensee kann man den eRod mit entsprechender Bereifung ebenfalls ausgiebig testen.
Der eRod ist so, wie er dasteht, übrigens noch lange nicht zu Ende. Neuhorn hat bereits diverse Ideen im Kopf, wie man noch mehr aus dem eRod rauskitzeln kann. Sogar von einer eRod-Familie ist die Rede! Konkreter ist dafür der eRod Race mit 150 kW, einem brutalen Geschoss. Der kostet zwar soviel wie ein Tesla, wird mit seinem Leistungsgewicht von 3,18 PS/kg und dem tiefen Schwerpunkt aber mit fast allem, was sich ihm in den Weg stellt, kurzen Prozess machen. Sobald zehn Bestellungen vorliegen (aktuell sind es fünf) wird der Race gebaut – zum Preis von 107’000 Franken. Phuu!
Fakt ist: Worte können kaum beschreiben, wie sich der Flitzer anfühlt. Möglichkeiten, die auf meinem Blog entstandene Lust zu befriedigen, gibt es genügend: Beim Hotel Kruezli, auf der Rennstrecke am Bodensee, oder direkt bei Kyburz in Freienstein ZH, wo eine Probefahrt bestimmt nicht abgelehnt wird. Somit ist der eRod kein unerschwinglicher Traum, sondern für jeden erlebbar!
Steckbrief
Marke / Modell | Kyburz eRod Fun Hardtop |
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Preis Bausatz / Bauseminar / Komplettauto | 32 900 CHF / 35 400 CHF / 41 900 CHF |
Antrieb | Elektro, Heckantrieb |
Getriebe | 1-Gang Getriebe |
Max. Leistung | 45 kW |
Max. Drehmoment | 140 Nm |
Batteriekapazität | 17,3 kWh |
Reichweite | 130 km |
Beschleunigung 0–80 km/h | 4,9 s |
Vmax | 120 km/h |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 13,5 kWh/100 km / 0 g/km / A |
Länge / Breite / Höhe | 3,06 m / 1,62 m / 1,23 m |
Leergewicht | 625 kg |
Ladevolumen | 90 l |
Bilder: Koray Adigüzel