Ein Zitat im Titel? Nun ja, wenn es ein aussagekräftiges Zitat ist, warum nicht? Als ein Kollege von mir den Lancia Voyager betrat – jawohl, betrat, denn man kann gebückt sogar stehen – waren seine ersten Worte: Ist das ein Maybach?! Zugegeben, er hatte das eine oder andere Promille intus, aber nichtsdestotrotz will es schon etwas heissen, wenn ein Lancia mit einem Maybach verglichen wird. Natürlich ist der Voyager keine Oase des Luxus, aber was an der Aussage meines Kollegen wirklich dran ist, das wird sich zeigen.
Der Lancia Voyager ist wirklich nicht zu übersehen, was er seiner schieren Grösse zu “verdanken” hat, denn mit 5.22 Meter Länge, 1.99 Meter Breite und 1.82 Meter Höhe überragt er fast alle anderen Verkehrsteilnehmer und füllt Parkplätze formatfüllend aus. Mit dem mächtigen, verchromten Kühlergrill wird endgültig klar, dass dieses Vehikel auf amerikanische Strassen gehört. Andererseits hat es sicher auch einen gewissen Reiz, so ein Trumm auf unseren Strassen zu fahren… Immerhin leisten Parksensoren hinten und eine Rückfahrkamera Unterstützung, wenn man manövrieren.
Dass es bei solchen Aussenmassen Platz im Überfluss gibt, leuchtet ein. Der Lancia Voyager hat zwei Einzelsitze in der vordersten Reihe, zwei Einzelsitze in der mittleren Reihe und eine Dreierbank in der dritten und letzten Reihe. Wer jetzt denkt, die Dreierbank tauge nur für Kinder, täuscht sich, sogar 1.80 Meter grosse Menschen finden dort bequem Platz. Die beiden Schiebetüren, die Heckklappe und die Rückbank lassen sich ausschliesslich elektrisch bedienen (Amerika lässt grüssen). Letztere versenkt sich komplett im Boden, wenn sie nicht benötigt wird, aber auch die beiden mittleren Einzelsitze lassen sich mit wenigen Handgriffen komplett im Unterboden versenken und müssen demzufolge NICHT ausgeschraubt werden; ein dickes Plus für den Voyager.
Damit es den Passagieren im Fond nicht langweilig wird, hat der Voyager zwei Deckenmonitore, auf welchen zwei unterschiedliche DVDs angeschaut werden können, kabellose Kopfhörer gehören ebenfalls zum Umfang. Der Voyager ist hochwertig eingerichtet und möbliert, obwohl ein paar Knöpfe und Hebelchen recht billig wirken. Trotzdem festigte sich bei mir den Eindruck eines soliden, recht luxuriösen Van. Mit einem Ladevolumen von 943 – 3912 Liter könnte man wahrscheinlich einen Smart hinten einladen.
Trotz den ganzen Annehmlichkeiten und dem riesigen Platzangebot ist der Voyager, wie es der Name bereits sagt, immer noch dazu gedacht, um von A nach B zu kommen. Der Testwagen war mit dem 2.8 Liter Diesel bestückt, der ein Drehmoment von 360 Nm bereitstellt und 120 kW leistet. Dass er für diese nicht gerade überwältigenden Werte 2.8 Liter Hubraum benötigt, zeigt, dass der Motor schon etwas in die Jahre gekommen ist, denn er verrichtete bereits beim plattformspenden Chrysler Voyager seinen Dienst. Wobei Plattformspender untertrieben ist, denn es handelt sich praktisch um dasselbe Auto… Anyway, der Diesel meldet sich beim Start brummend zum Dienst, richtig zurückhaltend wird er nie. Sein Drehmoment reicht aus, um den Voyager befriedigend zu beschleunigen, nicht mehr und nicht weniger. Wahrscheinlich deutlich energischer zur Sache geht der ebenfalls erhältliche 3.6 Liter V6 Benziner, allerdings verbraucht dieser bereits auf dem Prüfstand knapp 11 Liter, darum würde ich den wirtschaftlicheren Diesel wählen. Beide Motoren sind ausschliesslich mit einer 6-Stufen-Automatik erhältlich.
Der Diesel soll sich laut Werk mit 7.9 l/100 km begnügen und erstaunlicherweise zeigte der Bordcomputer am Ende des Tests 7.6 l/100 km an. Nachgerechnet waren es dann 7.8 l/100 km. Angesichts der 2.3 Tonnen Gewicht, kein schlechter Wert. Die besagten 2.3 Tonnen sind beim Fahren natürlich jederzeit spürbar, vor allem, da der Wagen ein amerikanisches Fahrverhalten an den Tag legt. Zwar ist das Setup des Fahrwerks laut Lancia für Europa angepasst, trotzdem ist es immer noch recht schwammig, ebenso die Lenkung. Das wäre eigentlich nicht weiter schlimm, da ein Auto dieses Kalibers hauptsächlich komfortabel abrollen sollte, allerdings gelingt dies dem Voyager nur bei langen Bodenwellen. Bei kurzen Stössen rumpelt das Fahrwerk und gibt die Unebenheit nur schwach gefiltert an die Insassen weiter.
Nebst der üblichen Sicherheitsausstattung (Seitenairbags für alle drei Sitzreihen) besitzt der Lancia noch einen Tot-Winkel-Assistenten, der beim Rückwärtsfahren auch Kreuzverkehr erkennt.
Lancia vermarktet den Voyager als luxuriöse Grossraumlimousine, darum ist der Grundpreis mit 53’600 CHF für die Basisausstattung Gold nicht gerade gering. Für 3000 CHF Aufpreis erhält man den Diesel und für weitere 7000 CHF die Topausstattung Platinum. Der Testwagen kommt somit auf stolze 64’850 CHF, inkl. Spezial-Lackierung.
Dank der schönen Ambientebeleuchtung, den Sonnenschutz-Rollos und dem Entertainment System steckt aber tatsächlich ein Hauch Maybach im Voyager. Mein angetrunkener Kollege hätte auf jeden Fall am liebsten im Auto übernachtet.
Alltag ★★★★☆
Mehr Auto als den Lancia Voyager gibt es eigentlich kaum. So viel Platz und Variabilität sucht man bei der Konkurrenz vergebens. Das Problem ist, dass es für den Alltag fast too much ist, er ist einfach zu gross geraten für eine alltägliche Autofahrt.
Fahrdynamik ★☆☆☆☆
Von Fahrdynamik ist der Lancia Voyager meilenweit entfernt, er fühlt sich zu 100% des gediegenen Transports verpflichtet und kein bisschen dem Sport.
Umwelt ★★★☆☆
Wie bereits erwähnt, sind die Aggregate des Voyagers etwas angestaubt. Vom durstigen Benziner würde ich abraten. Der Diesel ist zwar laut Werk ebenfalls kein Sparwunder, aber dafür kann er die Werksangabe einhalten. Eine Start-Stopp-Automatik ist nicht verfügbar.
Ausstrahlung ★★★☆☆
Wer mit dem Voyager vorfährt, fällt auf. Er wirkt sehr amerikanisch, was den einen gefällt und den anderen missfällt.
Fazit ★★★☆☆
+ Hochwertige Innenausstattung
+ Supereinfache Handhabung der Sitze, top Variabilität
+ Gigantische Platzverhältnisse
+ Umfangreiches Entertainment System
+ Tot-Winkel-Assistent
– Keine aktuellen Motoren
– Kein Tagfahrlicht
– Träges Automatikgetriebe
– Teilweise rumpliges Fahrwerk
(Bilder: Lancia)
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