Wir alle kennen das Gefühl, das nach einem richtig feinen Essen eintritt. Ein Gefühl der Gelassenheit, Entspannung und Zufriedenheit. Weil man sich selber etwas Gutes getan hat. So ungefähr fühlt es sich am Steuer des Land Rover Discovery an. Das Riesentrumm hat etwas Verschwenderisches an sich und bietet in jeglicher Hinsicht mehr Reserven, als man in den allermeisten Fällen tatsächlich benötigt. Diese Gewissheit über die Reserven ist es, was einen zufrieden und tief entspannt reisen lässt. Günstig zu haben ist er indes nicht und an Perfektion grenzt er auch nicht, wie die eine oder andere Schwäche zeigt.
Im Migros-Magazin findet sich jeweils ein Artikel, in welchem Familien ein Testauto zur Verfügung gestellt bekommen. Am Ende werden sie dann gefragt, ob sie sich vorstellen können, das Auto zu kaufen. Den Korb, den das Auto häufig kriegt, hängt damit zusammen, dass es anscheinend «nicht geräumig genug» ist. Vielleicht sollte mal ein Discovery verliehen werden. Wobei, auch der würde wahrscheinlich eine Abfuhr kriegen. Begründung: «Wir haben unser Kind im Auto verloren!»
Ich kann mir wahrlich kaum vorstellen, wozu man diesem gigantischen Raum vom Discovery brauchen soll. Was da an Laderaum entsteht, wenn man die Sitzreihen elektrisch umklappen lässt (funktioniert sogar aus der Ferne via App), hat gefühlt die Ausmasse eines Schiffscontainers. Schade, lässt sich der Beifahrersitz nicht auch noch umlegen, doch auch so könnte man ohne Weiteres eine Matratze hinten reinlegen und im Auto übernachten.
Entspannung pur also? Leider nicht ganz. Dafür, dass der Discovery so ein Kasten ist, kann man sich auf den Vordersitzen nämlich nicht wirklich ausbreiten. Die Plätze wirken einengend, da insbesondere die Mittelkonsole sehr wuchtig ist. Das Infotainmentsystem trägt auch nicht gerade zur friedlichen Stimmung bei. Bis das System nach dem Motorstart kapiert hat, dass es sinnvoll wäre, das Bild der Rückfahrkamera anzuzeigen, ist man längstens aus dem Parkhaus draussen. Auch in Betrieb verhält es sich launisch, verschluckt sich gerne beim Audiostreaming und verzichtet aus unerklärlichen Gründen dann und wann auf Ansagen während dem Navigieren.
Für die Hinterbänkler stimmt die Sitzposition nicht. Sie sitzen zu tief (was für ein Paradox bei 1,86 Meter Höhe des Autos), doch die Nähe zum Fahrzeugboden sorgt insbesondere für grössere Passagiere für einen auf Dauer unbequemen Winkel der Knie. Dafür ist der Mittelsitz tatsächlich als richtiger Sitz konzipiert und im Gegensatz zu vielen anderen Autos, haltet man es im Discovery auf dem fünften Platz tatsächlich ganz gut aus. Dasselbe trifft auch auf die hinterste Sitzreihe zu. Auch als Erwachsener findet man Platz, für Kinder dürften sowohl Zustieg, als auch eine längere Fahrt kein Problem sein.
Für den Fahrer ist die Welt in Ordnung. Unter der Haube werkelt ein Dreiliter-Turbodiesel und offenkundig hat man auf der Insel etwas Aufwand betrieben, dass nur die angenehmeren Motorgeräusche in den Innenraum dringen. Für einen Diesel klingt der Motor nämlich überraschend sonor und angenehm.
Wer die Preisliste studiert, wird feststellen, dass ein nur 10 kW schwächerer Zweiliter-Biturbodiesel angeboten wird. Den bin ich zwar nicht gefahren, doch bei einem solchen Schiff geht einfach nichts über Hubraum. Diese Gefühle der Gelassenheit und Zufriedenheit, die sich beim gemütlichem Grollen der Sechszylinder-Maschine einstellen, kann der Zweiliter-Motor bestimmt nicht hervorrufen. Er müsste sich sicherlich viel mehr anstrengen, um den rund 2600 Kilo schweren Discovery angemessen in Schwung zu bringen.
Im Gegensatz zu manch anderem grossen SUV versucht der Discovery gar nicht erst, seine Kilos zu verstecken, weder optisch, noch fahrdynamisch. Das bedeutet einerseits, dass man als Fahrer hektisches Getue automatisch unterlässt. Alleine die Tatsache, dass man in einem Kreisel wie ein Buschauffeur am Lenkrad kurbelt, verrät alles über die Sportlichkeit des Discovery. Allerdings ist ein Wagen, der einfach nur das sein will, wozu er gebaut ist, auch mal schön. Anstatt dem Discovery auf Biegen und Brechen Fahrdynamik einzuhauchen, hat man sich bei Land Rover darauf konzentriert, das Trumm zu einem waschechten Geländewagen mit überlegenem Fahrkomfort auf der Strasse zu machen.
Da begegnet man LKW-Fahrern fast auf Augenhöhe, wird von keinen Strassen-Unebenheiten aus der Ruhe gebracht, hat jederzeit die Gewissheit, ohne Probleme ein Überholmanöver durchzuführen, die halbe Ikea leer zu kaufen, oder eine dreieinhalb-Tonnen Yacht zu ziehen – falls man plötzlich Lotto-Millionär wird, man weiss schliesslich nie.
Natürlich hat so ein Discovery etwas Verschwenderisches und meist geht es wohl nur um das berühmte «ich könnte, wenn ich denn müsste». Denn wenn man wie ich morgens alleine in einem 5×2-Meter Schiff auf der Autobahn zur Arbeit fährt, das hinterher noch 3,5 Tonnen ziehen und ein 85 Zentimeter tiefes Gewässer durchqueren könnte, dann ist das eine ziemliche Ressourcen-Verschwendung. Trotzdem hat der Discovery unbestreitbar seine Qualitäten und je mehr man die auch nutzt, desto mehr lohnt sich das ganze Auto.
Der Testwagen in der luxuriösen First Edition kostet zwar 100’580 Franken, doch das hängt mit der umfangreichen Ausstattung zusammen, die den Abstand zu einem Range Rover sehr klein werden lässt. Doch den Fahrkomfort, das entspannende Gefühl und die Vielfältigkeit gibt es auch für weniger Geld, wenn man nicht hinter jedem Extra der Ausstattungsliste ein Kreuzchen macht.
Alltag
Platz und Fähigkeiten machen den Discovery zu einem der vielseitigsten Autos überhaupt. Sein einziges Problem sind die ausufernden Abmessungen, welche die Parkplatzsuche und auch manchen Besuch im Parkhaus etwas ungemütlich gestalten.
Fahrdynamik
Trotz über zweieinhalb Tonnen Gewicht ist mit dem Dreiliter Diesel ausreichend Schub vorhanden. Kurventalent erwartet von so einem Kasten wohl niemand.
Umwelt
Dass der Testverbrauch von 9,5 l/100 km deutlich über dem Normverbrauch von 7,2 l/100 km liegt, dürfte unter anderem auch daran liegen, dass die immense Sonderausstattung im Vergleich zum Basismodell rund 300 Kilo Mehrgewicht bringt.
Ausstrahlung
Der Testwagen fällt vor allem durch seine Lackierung auf. In einer dezenteren Farbe wäre der Discovery schon viel unauffälliger. Die Front ist markant, genauso wie die Asymmetrie am Heck. Allerdings lässt es sich nicht vermeiden, dass das riesige Platzangebot den Discovery von hinten eben wie einen Kasten aussehen lässt.
Fazit
+ Auffälliges Design
+ Sehr gute Übersicht
+ Hochwertige Materialen, gute Verarbeitung
+ Sehr bequeme, vielfältig einstellbare Sitze
+ Gigantisches Raumangebot
+ Toller Fahrkomfort, sehr leises Fahrverhalten
+ Hohe Anhängelast
+ Richtig offroad-tauglich (passende Reifen vorausgesetzt)
+ Kräftiger Motor, von innen angenehmer Klang
+ Perfekt schaltendes Getriebe
– Sehr hohes Gewicht
– Erhöhter Test-Verbrauch
– Mühsame Parkplatz-Suche
– Infotainmentsystem teilweise träge
– Sitzposition auf der Rückbank zu tief
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Land Rover Discovery |
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Preis Basismodell / Testwagen | 56 800 CHF / 100 580 CHF |
Antrieb | Diesel, Allradantrieb |
Hubraum / Zylinder | 2995 ccm / V6 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor |
Getriebe | 8-Gang Automatik |
Max. Leistung | 190 kW bei 3750 r/min |
Max. Drehmoment | 600 Nm bei 1750 - 2250 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 8,1 s |
Vmax | 209 km/h |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 7,2 l/100 km / 189 g/km / F |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 9,5 l/100 km / 249 g/km / +32% |
Länge / Breite / Höhe | 4,97 m / 1,99 m / 1,86 m |
Leergewicht | 2629 kg |
Kofferraumvolumen (7-/5-/2-Plätzer) | 258 l / 1137 l / 2406 l |
Bilder: Koray Adigüzel