Man kann nicht dauernd auf 180 sein, irgendwann muss man mal abschalten. Wem der Sinn nach Entspannung steht während er unterwegs ist, sollte mal ein Auge auf den Lexus RX werfen. Das grosse SUV der Japaner bietet nicht nur eine edle und reichhaltige Ausstattung, sondern verwöhnt mit ruhigem Fahrverhalten und sanftem Fahrwerk. Das dies massiv auf Kosten der Fahrdynamik geht, versteht sich von selbst. Aber selbst wenn man darüber hinwegsieht, überzeugt der Japaner nicht auf ganzer Linie.
Lexus hat als einer der wenigen japanischen Hersteller eine konsequente Designlinie. Vom kompakten CT über den sportlichen RC F bis hin zum mittelgrossen NX verfügen alle Modelle über mehrere Gemeinsamkeiten. So hat auch der neue RX einen monströsen, dreidimensionalen Kühlergrill, extrem böse geschnittene Scheinwerfer sowie allgemein ein Design, als wäre das Auto mit dem Skalpell zurechtgeschnitten worden.
Der Innenraum ist ebenfalls nicht das, was man als clean und aufgeräumt bezeichnen würde. Trotzdem hat der RX innen seinen Reiz. Das Leder ist extrem edel, genauso wie der samtige Dachhimmel. Nicht minder hochwertig und aussergewöhnlich sind die Zierelemente, die wie ein Nadelstreifen-Anzug aussehen. Die Verarbeitung ist top und die Anzahl an Materialien ist besser als auch schon. Ganz abgesehen von der Qualität hat der RX auch praktische Talente. Er bietet extrem viel Platz für Gepäck und Passagiere. Der Fond ist dank ebenem Boden besonders komfortabel, ausserdem kann so auch der fünfte Platz tatsächlich einigermassen bequem genutzt werden. Die Rücksitze lassen sich ausserdem elektrisch (!) vom Kofferraum aus umlegen oder aufrichten. Da haben die Japaner wohl besonders an die Amis gedacht…
Weniger praktisch ist dafür die Bedienung des Infotainmentsystem über ein mausartiges Etwas, das Lexus Remote Touch nennt. Es ist umständlich, den Cursor zu bewegen und es dauert lange, bis man sein Ziel endlich erreicht. Das ist schade, denn das grosse, hochauflösende 12,3″-Display schaut nicht nur toll aus, er kann auch mehrere Informationen gleichzeitig anzeigen. Wenn Lexus schon auf ein Bedienkonzept ohne Touchscreen setzt, dann sollten sie ein Touchpad wie vom Macbook einsetzen. Dann wäre die Bedienung wesentlich einfacher.
In Fahrt ist der Klang vom RX erst mal ungewohnt. Normalerweise klingen Hybrid-Modelle entweder gar nicht oder dann alles andere als spektakulär, weil ein stinknormaler Vierzylinder arbeitet. Beim RX ist aber ein V6 für den Hauptteil der Arbeit zuständig und das hört man. Fährt man gelassen dahin, so ist der satte, brummelnde Klang durchaus angenehm. Bei der gelassenen Fahrweise sollte man denn auch bleiben, denn wer es darauf anlegt, muss sich nicht nur mit dem zähen CVT-Getriebe auseinandersetzen, sondern auch mit einer Lenkung und einem Fahrwerk, die beide überhaupt keine Lust haben, sich gross ins Zeug zu legen.
Die Lenkung ist viel zu leichtgängig, sie vermittelt einem kaum ein Gefühl von der Strasse. Das Fahrwerk kann eine gröbere Seitenneigung nicht verhindern und lässt das SUV schnell aufschaukeln. Damit genau das nicht passiert, funkt das ESP wie eine übervorsichtige Mutter dazwischen. So bleibt man zwar stets auf der sicheren Seite, aber Spass macht das nicht. Obwohl Systemleistung und -Drehmoment auf dem Papier ganz anständig wirken, hat man in der Praxis nicht das Gefühl, dass man ein kräftig motorisiertes Auto bewegt. Das liegt natürlich zum einen am Getriebe, zum anderen aber auch am deftigen Gewicht von 2240 Kilo.
Damit ist das wenig ruhmreiche Kapitel Fahrdynamik abgehakt. Wie sich der Lexus fährt, korrespondiert überhaupt nicht mit seinem aggressiven Design. Der Japaner ist nämlich die Ruhe selbst und das ist durchaus wörtlich zu nehmen. Die Ruhe an Bord gehört zu den grossen Stärken von Lexus. Vom Antrieb hört man bei konstanter Fahrt praktisch nichts, Windgeräusche sind dank cleverer Aerodynamik ebenfalls kaum zu vernehmen. Für ein SUV dieser Grösse sind die Reifen ausserdem nicht so breit, so dass auch keine lauten Abrollgeräusche entstehen.
So gleitet man fast wie auf einem fliegenden Teppich dahin und kann dem bombastischen Sound der Hi-Fi Anlage von Mark Levinson lauschen, einer High-End Marke, die man nach wie vor nur bei Lexus findet. Für die gemütliche Fahrt steht dem Fahrer eine ganze Armee an Assistenzsystemen zur Seite. Diese sind bei Lexus sehr fortgeschritten, man könnte auf der Autobahn teilweise auch schon ohne Hände am Lenkrad fahren. Allerdings sind die pflicht- und sicherheitsbewussten Japaner da sehr rigoros und fordern einem schon nach wenigen Sekunden auf, das Lenkrad wieder zu übernehmen. Der Notbremsassistent hat sich im gesamten Test nie einen Fehlalarm erlaubt – etwas, was leider viel zu selten der Fall ist und ich Lexus daher hoch anrechne.
Der Lexus RX ist ein fast kompromisslos auf Komfort getrimmtes SUV. Eigentlich ein schöner Gegenpol zu den deutschen Herstellern, die stets eine mehr oder weniger gesunde Prise Sportlichkeit mitliefern. Mein Geschmack ist das zwar nicht, aber ich gehöre bestimmt nicht zur angepeilten Zielgruppe von Lexus. Ein Zweiliter-Turbobenziner ist übrigens ebenfalls noch erhältlich, doch auch von dem darf man sich nicht mehr Fahrdynamik erhoffen. Ich möchte ausserdem nicht wissen, was der verhältnismässig kleine Benziner angesichts der Masse vom RX in der Praxis verbraucht.
Ein voll ausgerüsteter RX nähert sich zwar schon gefährlich an der 100’000-Franken Grenze, günstiger als die deutschen SUVs dieser Grösse ist er aber immer noch. Nur: In diesem Segment fällt der Preis viel weniger ins Gewicht. Apropos Gewicht: Wäre das Auto nicht so schwer, würde auch der Verbrauch besser ausfallen als die 7,8 /100 km, die ich verfeuert habe. Das ist eigentlich nicht so viel, aber eine ganz andere Welt als der Normverbrauch von 5,5 l/100 km. Trotzdem ist der komfortorientierte RX eine Alternative unter den grossen SUVs. Mit leichtem Gasfuss hat der Lexus nämlich eine ähnlich beruhigende und entschleunigende Wirkung wie ein Elektroauto.
Alltag
Der RX bietet viel Platz, durch den Antrieb wird man nicht eingeschränkt. Der Fahrkomfort ist extrem hoch, Assistenzsysteme und Kameras unterstützen einem nicht nur auf der Autobahn, sondern auch beim Rangieren.
Fahrdynamik
Sport mag das grosse SUV überhaupt nicht. Wie üblich heult der Motor aufgrund des stufenlosen Getriebes auf, was ihm unter Last zum V6 mit dem fürchterlichsten Sound kürt. Der Lenkung mangelt es an Präzision und Rückmeldung von der Strasse. Das Fahrwerk lässt den Wagen schnell aufschaukeln und das rigorose ESP gibt dem Ganzen den Rest. Immerhin ist man ausreichend motorisiert – mehr aber auch nicht.
Umwelt
Angesichts der Leistung und vor allem des Gewichts ist der Testverbrauch von 7,8 l/100 km gar nicht so schlecht. Doch der Normverbrauch von 5,5 l/100 km verspricht ganz was anders. Ich bin viel Autobahn gefahren, was nicht die Stärke von Hybridautos ist. Dennoch ist der Normverbrauch utopisch, für diesen Wert ist der RX einfach viel zu schwer.
Ausstrahlung
Das Design von Lexus ist mutig. Mir gefallen die scharfen Linien, der wuchtige Grill und die geschwungene Fensterlinie. Das Design ist konsequent und sticht aus der Masse heraus. Zurückhaltende Autos gibt es bereits zuhauf.
Fazit
+ Mutiges, schnittiges Design
+ Sehr geräumiger Innenraum
+ Perfekte Verarbeitung, edle Materialien
+ Butterweiches Fahrverhalten
+ Harmonischer Antrieb bei gemächlicher Fahrt
+ Sehr tiefer Geräuschpegel im Innenraum
+ Hoher Fahrkomfort
+ Viele Assistenzsysteme mit zuverlässiger Arbeitsweise erhältlich
+ Tolle adaptive LED-Scheinwerfer mit schnittigem Design
– Recht hoher Verbrauch
– Zu hohes Gewicht
– Null Fahrdynamik
– Nervendes Getriebe bei starker Beschleunigung
– Umständliche Bedienung vom Infotainmentsystem
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Lexus RX 450h |
---|---|
Preis Basismodell / Testwagen | 71 300 CHF / 95 220 CHF |
Antrieb | Benzin-Hybrid, Allradantrieb |
Hubraum / Zylinder | 3456 ccm / V6 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Saugmotor |
Getriebe | Stufenloses Automatikgetriebe |
Systemleistung | 230 kW |
Systemdrehmoment | 670 Nm |
Beschleunigung 0 - 100 km/h | 7,7 s |
Vmax | 200 km/h |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 5,5 l/100 km / 127 g/km / C |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 7,8 l/100 km / 180 g/km / +42% |
Länge / Breite / Höhe | 4,89 m / 1,90 m / 1,69 m |
Leergewicht | 2240 kg |
Kofferraumvolumen | 539 - 1612 l |
Bilder: Koray Adigüzel