Maserati Grecale Folgore: Viel Sympathie nötig

Eine zentrale Frage begleitet mich beim Test des Maserati Grecale Folgore: Warum macht es Maserati mir so schwer? Wobei, nein, die Frage muss lauten: Wieso macht es Maserati SICH so schwer? Noch einmal für alle zum Mitschreiben: Maserati baut mittlerweile auch Elektroautos, diese tragen den Beinamen Folgore (italienisch für Blitz). Der Granturismo Folgore war gleichwohl Überraschung und Offenbarung: Performance, dass der Asphalt glüht, 800-Volt-Architektur, niedriger Verbrauch, Sitzposition nahe am Boden dank T-förmiger-Batterie. Und das aus dem Nichts! Von Maserati! Wow. Und hier steht der Grecale Folgore. SUV statt Granturismo, das heisst grosse Zielgruppe und potenziell grosser Absatz. Mit grösserer Batterie als beim Granturismo, dessen Kapazität eine der wenigen Schwachstellen ist. Doch im Gegensatz zum Granturismo vermag der Grecale Folgore keine Begeisterungsstürme auszulösen. Dabei wäre es doch so einfach…

Es beginnt nämlich beim Design. Ich habe manchmal das Gefühl, dass gewisse Marken nicht mehr wissen, welche Tradition oder welche Reminiszenz sie ausgraben sollen. Oder wie viel Quadratmeter LED rund ums Auto im Dunkeln leuchten sollen. Das wirkt zum Teil verkrampft modern – und manchmal ist es einfach nicht mehr schön, weil es too much ist. Maserati bleibt sich diesbezüglich treu – der Grecale erzielt Eleganz durch Schlichtheit und ein zeitloses Design, wie es einfach nur die Italiener können. Technisch ist kein Kühlergrill vorhanden, aber optisch ist er dennoch da – weil er einfach zum Markengesicht von Maserati gehört. Er wurde aber nicht verformt oder vergrössert, sondern ist einfach da und schafft Präsenz.

2025 Maserati Grecale Folgore
Der Kühlergrill ist geschlossen, aber um das Markengesicht zu wahren, dennoch optisch vorhanden.

Die Seitenführung strahlt Coolness aus, der berühmte Dreizack an der C-Säule darf natürlich nicht fehlen. Das rundliche Heck verfügt über klassische Rücklichter ohne durchgehendes Band. Der Grecale Folgore könnte auch schon zwei bis drei Jahre alt sein. Und er wird in drei Jahren immer noch frisch aussehen – weil sein Design in sich ruht. Und obwohl sein Design keine Revolution ist, so strahlt es die Präsenz und Würde aus, die einem Maserati gebührt. Die Folgore Variante ist insbesondere an der Front etwas dezenter gestaltet als die Verbrenner, aber der Auftritt hat dennoch Präsenz.

2025 Maserati Grecale Folgore
Auf die Details kommt es an.

Sicht- und fühlbare Qualität

Auch im Innenraum setzt Maserati auf einen weitgehend klassischen Look. Die Bedienung ist eingängig, da relevante Menüpunkte sowie die Klimabedienung stets ersichtlich sind – letztere zwar via Touchscreen, aber immerhin. Wie schon mehrmals erwähnt, störe ich mich an der Massenabfertitung des Infotainmentsystems bei Maserati, da es dasselbe ist wie bei einem Fiat oder Peugeot. Abgesehen von der fehlenden Eigenständigkeit erfüllt das System die gehobenen Ansprüche, die man bei einem Maserati zu Recht mitbringt, nicht. Zu träge ist das Ganze, ausserdem ist die Sprachsteuerung nicht state of the art.

2025 Maserati Grecale Folgore
Hier sitzt man gern, nur schon aufgrund des noblen Ambientes.

Lustigerweise hat sich die Situation bezüglich der Innenraum-Qualität in den letzten Jahren geändert. Gerade die deutschen Hersteller haben allgemein etwas nachgelassen, respektive halten ihren Premium-Anspruch vor allem bei den Top-Modellen noch stolz hoch. Bei Maserati war früher dafür nicht alles Gold, was glänzte. Heute dafür: Edle Materialien und piekfeine Verarbeitung bis ins Detail. Auch in ganz tiefen Lagen des Innenraums kommen weiche Kunststoffe und feine Stoffverkleidungen zum Einsatz. Oben sind Voll-Leder-Ausstattung und Mikrofaser sowie Zierelemente angesagt. Akribische Passungen, akkurate Nähte, dazu viel Liebe zum Detail – bezüglich Haptik, Anmutung und Qualität punktet der Maserati Grecale auf ganzer Linie!

2025 Maserati Grecale Folgore
Die Uhr kann optisch angepasst werden. Analog würde aber auch gut passen…

Die Platzverhältnisse sind dafür wiederum eher unterer Durchschnitt für ein SUV dieser stattlichen Grösse. Man sitzt zwar auch im Fond gut, aber fürstliche Beinfreiheit darf man nicht erwarten. Der Kofferraum lässt sich gut nutzen, kommt aber ohne besondere Variabilität. Einen Frunk gibt es nicht, dafür eine riesige, hässliche Plastikabdeckung unter der Motorhaube. Immerhin kann das SUV bis zu 1800 Kilo an den Haken nehmen.

2025 Maserati Grecale Folgore
Die Silhouette ist schick, die aerodynamisch optimierten Felgen weniger.

Wo bleibt das gewisse Etwas?

Während der Maserati Grecale mit seinem schönen Innenraum punkten kann, wird es während der Fahrt schwerer. Es ist nun mal so: Einen Maserati assoziiert man mit Charme, Geschmeidigkeit, Eleganz und etwas Speziellem. Der Grecale Folgore vermag diese Attribute jedoch nicht zu vermitteln. Bei normaler Fahrt ist er einfach ein gutes Elektro-SUV. Sehr leise, sehr geschmeidig, sehr komfortabel. Okay, aber damit kann sich der Italiener leider nicht von der Konkurrenz, die mittlerweile ausgesprochen zahlreich ist, abheben.

2025 Maserati Grecale Folgore
Das Logo im typischen Bronze der Folgore-Varianten.

Wird es im Sport-Modus besser? …Die ernüchternde Antwort ist: Leider nein. Das allergrösste Fragezeichen hat der Grecale bei der Reaktion des Gaspedals aufgeworfen. Maserati ist und bleibt für Sportlichkeit bekannt also warum zum Teufel hat Maserati einen kleinen Delay zwischen Gaspedal und Antritt einprogrammiert? im Sportmodus müsste das gehen: Klick und weg!

2025 Maserati Grecale Folgore
Mit den massiven Alu-Schaltpaddels wird die Rekuperation angepasst. Das Klickgefühl ist unbeschreiblich!

Überzeugend ist beim Grecale das Lenk- und Bremsgefühl. Die Lenkung arbeitet sehr feinfühlig und präzise und gibt einem ein hervorragendes Gefühl für die Vorderachse. Auch die Bremse unterstreicht die Sportlichkeit anstelle der Rekuperation und begeistert mit klarem, festem Druckpunkt. Die Kraftverteilung ist zudem hecklastig, sodass bei rutschigem Untergrund oder mit forciertem Fahrstil das Heck aus der Reserve gelockt werden kann – einer der wenigen echten Maserati-Momente, die dieses Auto offenbart. Doch obwohl die Sportlichkeit dem SUV gegeben ist, so sind die knapp 2,5 Tonnen Leergewicht einfach zu gut spürbar. Die Leistungsdaten, die sich auf dem Papier üppig lesen, führen auf der Strasse aber nicht zu einem Wow oder diesem mitreissenden Feeling.

2025 Maserati Grecale Folgore
Qualitativ top, aber im Falle des Testwagens optisch schlicht. Die Farbvarianten sind sowohl innen wie auch aussen ausgesprochen zahlreich.

Stromvernichter

Bis dahin ist der Maserati Grecale ein sportliches Elektro-SUV, grundsätzlich gut, aber abgesehen von Design und Qualität nur wenig abseits des Mainstreams. Doch leider kommt nun die richtig dicke Post und wir reden noch nicht vom Preis, sondern über die ernüchternde Tatsache, dass der Grecale Folgore ein sehr ineffizientes Elektroauto ist. Ja, es war kalt. Ja, das Auto wurde stellenweise gefordert, ist ja ein Maserati. Trotzdem: 30,7 kWh/100 km sind ein Stromverbrauch, der sich nicht schönreden lässt. Die maximale Ladeleistung von 150 kW ist mittlerweile auch bloss unterer Durchschnitt. Diese Werte schockieren gleich doppelt, da der eingangs erwähnte Granturismo Folgore mit einem Realverbrauch (!) von 23,6 kWh/100 km und Ladeleistung von 270 kW ganz andere Akzente setzt. Der Unterschied: Der Granturismo nutzt eine moderne 800V-Architektur, der Grecale bloss 400V. Die Reichweite war auch beim Granturismo ein Brennpunkt, aber dort eher aufgrund des knapp bemessenen Akkus. Der Grecale nutzt einen riesigen 105 kWh-Akku und kommt in meinem Test dennoch nur rund 300 Kilometer weit. Schwierig…

2025 Maserati Grecale Folgore
Das Lichtdesign ist durch die Bank bei allen Modellen identisch.

Selbstbewusster Preis

Und langsam spitzt sich das Problem zu: Hier steht ein Maserati, der optisch so schön ist, wie es nur ein Italiener sein kann und im Innenraum über ein Qualitätsniveau verfügt, das heute immer seltener wird. Leider vermag das SUV dieses optische und haptische Wow beim Fahren nicht mehr umzusetzen. Das Auto fährt sich zwar gut, sogar sportlich, aber das können viele andere auch. Wo bleibt das Wow, das der Granturismo Folgore mit drei Ausrufezeichen gesetzt hat? Besonders problematisch erachte ich den Stromverbrauch. So ineffizient sollte kein Elektroauto unterwegs sein.

2025 Maserati Grecale Folgore
Einfache Bedienung, aber wenig Eigenständigkeit beim Infotainmentsystem, da Konzernware.

Letztendlich hebt sich der Maserati Grecale Folgore hauptsächlich mit seinem Look & Feel innen und aussen vom Mainstream ab. Soll das reichen, um Maserati rund 135’000 Franken für den Testwagen zu überweisen? Ich weiss es nicht. Fans der Marke wollen vielleicht, aber alle anderen? Wohl kaum. Zu wenig Wow für diesen ambitionierten Preis. Dabei hat Maserati steigende Verkaufszahlen dringen nötig. Darum kann ich nicht ganz nachvollziehen, warum sie es sich so schwer machen und den Grecale nicht als dynamisches oder modernes E-SUV mit 800V-V-Architektur auf den Markt bringen? Traditionelle Qualität in Verbindung mit moderner Technik. Das könnte funktionieren. Aber so ist der Grecale Folgore auf viel Wohlwollen angewiesen.

2025 Maserati Grecale Folgore
Mal abgesehen vom zu hohen Stromverbrauch ist der Maserati Grecale ein tolles Auto, aber wo bleiben die Emotionen, die man von einem Maserati erwartet?

Alltag 3.5 out of 5 stars

Die Platzverhältnisse beim Maserati Grecale Folgore sind angesichts der Grösse des SUVs okay, aber nicht überragend. Problematischer ist eher die knappe Reichweite.

Fahrdynamik 4 out of 5 stars

Irritierend ist, dass der Grecale Folgore nicht wie der sprichwörtliche Blitz am Gas hängt. Das Handling ist sportlich-knackig, doch die auf dem Papier üppige Leistung versandet ein wenig im noch üppigeren Gewicht. Das Hauptproblem, da es sich um einen Maserati handelt: Das Auto transportiert keine Emotionen.

Umwelt 2.5 out of 5 stars

Mit einem Testverbrauch von 30,6 kWh/100 bekleckert sich der Grecale Folgore nicht mit Ruhm und Ehre. Auch für ein leistungsstarkes SUV ist das schlicht zu viel.

Ausstrahlung 5 out of 5 stars

Design und Qualität sind top, der Wow-Effekt durch die Optik sowie das Look and Feel ist definitiv gegeben.

Fazit 3.5 out of 5 stars

+ Zeitloses, elegantes Design
+ Beispiellose Qualität
+ Viel Liebe zum Detail
+ Sensationelles Soundsystem
+ Einfache Bedienung
+ Konsistente und gut dosierbare Bremse
+ Hecklastiger Allrad
+ Viel Grip, präzises Handling
+ ESP dreistufig deaktivierbar
+ Keine nervenden Assistenzsysteme
+ Hoher Individualisierungsgrad

– Sehr hoher Stromverbrauch
– Geringe reale Reichweite
– Gaspedalannahme leicht verzögert
– Hoher Preis
– Sprachsteuerung wird dem Luxus-Anspruch nicht gerecht

Mängel am Testwagen

– Keine Mängel

Steckbrief

Marke / ModellMaserati Grecale Folgore
Preis Basismodell / Testwagen121 100 CHF / 135 687 CHF
AntriebElektrisch, Allradantrieb
Akkukapazität105 kWh (brutto) / k.A. kWh (netto)
Max. Leistung410 kW
Max. Drehmoment820 Nm
Beschleu­nigung 0–100 km/h4,1 s
Vmax220 km/h (elektronisch abgeregelt)
WLTP-Verbrauch / Energieeffizienz23,9 kWh/100 km / A
Test-Verbrauch / Differenz30,7 kWh/100 km / +28%
WLTP-Reichweite501 km
Ø Test-Reichweite300 km
Max. Ladeleistung (DC)150 kW
Länge / Breite / Höhe4,86 m / 1,95 m / 1,65 m
Leergewicht2480 kg
Kofferraumvolumen535 l

Bilder: Koray Dollenmeier

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