Auch Maserati befindet sich mitten in der Transformation und das neue SUV Grecale steht sinnbildlich dafür. Doch statt eine Kehrtwende zum Elektroauto-Anbieter hinzulegen, fahren die Italiener vorerst wortwörtlich zweigleisig. Mittlerweile ist das SUV auch als Elektro-Variante Folgore (italienisch für “Blitz”) erhältlich, doch im Test wird die potenteste Verbrenner-Variante Trofeo abgefeiert. Dieses SUV vereint nämlich alles, wofür Maserati steht: Motorenbau, Design und Luxus aber auch das berüchtigte Haar in der Suppe.
Wie gut ein Autodesign wirklich ist, manifestiert sich oft meistens erst nach mindestens einem Jahrzehnt. Maserati hat jedenfalls mehrere Design-Ikonen auf Rädern geschaffen und obwohl der Grecale auf den ersten Blick nicht nach künftiger Design-Ikone schreit, so hat auch seit Design das Potenzial, zeitlos schön zu sein. Der Grund liegt in der Schlichtheit der Gestaltung. Abgesehen vom Kühlergrill, und dem obligatorischen Dreizack auf der C-Säule schreit der Grecale nicht nach Maserati, manch ein deutlich schwächeres SUV ist aggressiver gestaltet. Dafür ruht der Italiener in sich, besticht mit glatten Flächen, versteckten Türgriffen, gelben Bremssätteln und Akzenten aus Echtcarbon. Ob den Designer jedoch bewusst ist, dass ihre Frontscheinwerfer denen des Ford Puma frappant ähnlich sehen, bleibt wohl für immer ein Geheimnis.
Gediegenes Ambiente
Vorne nehmen Fahrer und Beifahrer auf sportlich geformten und vielfach verstellbaren Sitzen Platz. Die Ergonomie ist vorbildlich, das kleine Lenkrad liegt hervorragend in der Hand. Akkurate, gelbe Nähte schmeicheln dem Auge, während grossflächiger Ledereinsatz, Carbon-Zierelemente und ein Alcantara-Dachhimmel auch den Händen schmeicheln. Während mittlerweile auch nachhaltig(er) erzeugte Textilien eine ähnlich hohe Qualität wie echtes Leder aufweisen, so verbleibt dem Original dennoch eine wichtige Eigenschaft: Der Geruch. Echtes, hochwertiges Leder riecht einfach gut.
Ob das Infotainmentsystem aus Kostendruck quasi unverändert aus dem Fiat 500e übernommen werden musste, wird wohl auch nie beantwortet werden. Etwas mehr Eigenständigkeit wäre bei der Luxusmarke schon wünschenswert, zumal das System zwar recht gut ist (insbesondere der hohe Grad der Individualisierbarkeit), doch die Sprachsteuerung ist nicht dort, wo sie im Jahr 2024 sein sollte. Ebenfalls zu kritisieren sind gewisse Knöpfe auf dem Lenkrad. Im ansonsten luxuriösen und piekfein verarbeiteten Grecale fällt es halt umso mehr auf, wenn die billigen Plastikknöpfe Spiel aufweisen.
Der Motor verleiht Charakter
Doch es wird ohnehin Zeit, um zum wesentlichen Teil zu kommen. Unter der Haube der Trofeo-Variante arbeitet nämlich Maseratis neuer Highend-V6 Nettuno, der für den Supersportler MC20 entwickelt worden ist und nun durchs gesamte Line-up auch in den Trofeo-Modellen zum Einsatz kommt. Zwar ist er im Grecale nicht auf maximale Eskalation gebürstet, aber 390 kW sind immer noch eine Ansage. Der Motorstart ist jetzt nicht das grosse Donnergrollen, aber man darf nicht vergessen, dass man immer noch in einem SUV sitzt. Nichtsdestotrotz kann man aus dem Grecale Trofeo so einiges herausholen, es bedarf dafür allerdings sowohl den richtigen Fahrstil als auch Fahrmodus.
Das Biturbo-Triebwerk ist ein klassischer Sportmotor: Untenrum lahm, dafür oben raus fuchsteufelswild. Die Zutaten für einen wilden Ritt lauten also wie folgt: Corsa-Fahrmodus mit limitiertem ESP und maximaler Aggressivität des Antriebs sowie manueller Schaltmodus. Ab etwa 3500 Umdrehungen eruptiert Nettuno, der Klang wird heiser-metallisch und der Grecale wird nach vorne katapultiert. Obwohl die Drehzahlgrenze visuell bei 6500 Umdrehungen angekündigt wird, kann der Motor locker bis an die 7000 Grenze gedreht werden und so rasend schnell er dies tut, scheint er dies obendrein zu mögen. Die Leistungskurve bleibt bis zum absoluten Drehzahllimit extrem stabil, was bedeutet, dass die Drehzahlen am besten im Bereich zwischen 3800 und 7000 Umdrehungen gehalten werden, dann ist nämlich ordentlich Druck im Kessel.
Dirigiert wird der Motor über die wohl besten Schaltpaddels im gesamten Automobil-Bau. Die gigantischen, aus Aluminium gefrästen und feststehenden Schaltpaddels sind seit jeher ein Markenzeichen von Maserati. Jeder Schaltvorgang fühlt sich an wie ein Abschuss und bei hohen Drehzahlen klingt es auch entsprechend aus der Auspuffanlage – was für eine Wohltat! Das Handling des Trofeo ist nicht minder sportlich. Die Kraftverteilung ist trotz Allradantrieb sehr hecklastig, was sich in gewissen Kurven sogar in einem sanften Powerslide manifestiert. Die Bremse mit klarem Druckpunkt sowie die sehr direkt übersetzte Lenkung tragen ihr Übriges dazu bei, dass der Grecale trotz SUV-Dasein erstaunlich agil und knackig Kurven durcheilt.
Man muss das Trofeo aus dem Auto rauskitzeln
Dass der Grecale puncto Antrieb und Sportlichkeit brillieren würde, ist eigentlich keine Überraschung. Und wie es die SUV-Klientel halt wünscht, muss das andere Ende des dynamischen Spektrums genauso gut funktionieren – und das tut es auch. Eine fluffige Einstellung des Luftfahrwerks im Comfort-Modus, Doppelverglasung, ein zurückhaltender Antrieb und ein Spurhalteassistent, der auf Wunsch nie aus dem Nirwana erwacht, sorgen für eine tief entspannte Fahrt. Was im Grecale in solchen Situationen fehlt, ist eine Massagefunktion.
Der Spagat, den das Auto hinlegen kann, ist also gewaltig und macht durchaus einen Teil des Reizes aus. Was mir aber auch aufgefallen ist, dass das Auto sowohl im ausgewogenen GT-Modus als auch im Sport-Modus mit automatischer Schaltung zwar einen sportlichen Touch bekommt, dieses rabiate Wesen, die zuvor beschriebene Brutalität, die man von einem Maserati Trofeo Modell erwarten kann, nur im Corsa-Modus mit manueller Schaltung und entsprechend forciertem Einsatz zutage kommt. Wer also nicht durch und durch ein Fahrenthusiast ist, der in den aggressivsten Modi alles aus dem Auto herausholt, wird in den meisten Fälle vom Trofeo Charakter nicht viel mitbekommen.
Apropos alles herausholen: Wer das Auto fordert wie im Test, erntet Verbräuche, wie sie heute aufgrund der Hybridisierung nur noch selten vorkommen: 16,6 l/100 km waren es im Test. Das kommt davon, dass der Motor im niedrigeren Drehzahlbereich zwar noch einigermassen effizient seinen Dienst verrichtet, im oberen Drehzahlbereich aber der absolute Fokus auf Performance Überhand nimmt, was in hohen Verbräuchen resultiert. Eine Mitschuld daran trägt auch das meiner Meinung nach zu hohe Gewicht von 2102 kg bei. Da der Grecale Trofeo ohne Elektro-Unterstützung arbeitet, müsste er eigentlich leichter sein, so gross ist er nämlich auch wieder nicht.
Luxus, der bezahlt werden will
Dass Maserati-Modelle noch nie preiswert waren und der Grecale Trofeo diesbezüglich keine Ausnahme macht, dürfte niemanden überraschen. Doch der Testwagen-Preis von rund 149’000 Franken ist dann doch eine Ansage. Was mir auch aufgefallen ist: Nicht nur emotionale Verbrennungsmotoren, sondern auch keine nervigen Assistenzsysteme sind heute wohl zum absoluten Luxus-Gut geworden. Wieso kann der Spurhalteassistent nicht auch bei anderen Autos einfach für alle Ewigkeiten deaktiviert bleiben wie im Grecale? So oder so kann ich den Grecale Trofeo trotz für im Preissegment eigentlich unzulänglichen kleinen Schwächen bei Verarbeitung und Infotainmentsystem nur empfehlen. Es gibt selbst in diesen Preissphären kaum andere SUVs, welche Sportlichkeit und Luxus so überzeugend vereinen.
Alltag
Der Maserati Grecale Trofeo bietet gute Platzverhältnisse, eine gute Übersicht und verfügt über ein zwei Offroad-Fahrhöhen – falls man mit dem Maserati unbedingt in den Dreck möchte. Und 2,5 Tonnen kann das SUV ebenfalls an den Haken nehmen.
Fahrdynamik
Das volle Potenzial erfordert die entsprechenden Fahrmodi und Einstellungen. Sind diese aktiv, ist das SUV aber brachial, hecklastig, präzise und agil. Eine echte Fahrmaschine für seine Klasse.
Umwelt
Auch im Jahr 2024 gilt die alte Weisheit noch: Turbo läuft, Turbo säuft. Wird der Motor oft in den hohen Drehzahlbereich getrieben, schellt der Verbrauch ebenfalls stark nach oben. Im Test: 16,6 l/100 km.
Ausstrahlung
Das Design ist für ein Maserati-Topmodell eher dezent, doch die sportlichen Akzente und das zeitlose Design sorgen dennoch für eine sportlich-dezente Harmonie. Ein kleines Unding: die Ford-mässigen Scheinwerfer.
Fazit
+ Zeitloses, sportlich-elegantes Design
+ Gute Platzverhältnisse
+ Bequeme Sitze, erstklassige Ergonomie
+ Hohe Anhängelast
+ Exquisite Materialien, hochwertige Verarbeitung
+ Infotainmentsystem mit Online-Diensten und hohem Personalisierungsgrad
+ Tadelloser Fahrkomfort
+ Niedriger Geräuschpegel
+ Diverse Fahrmodi mit grosser Spreizung
+ Luftfahrwerk mit Ein- und Ausstiegshöhe, zwei Fahrhöhen und zwei Offroad-Höhen
+ Drehfreudiger Motor mit irrem Durchzug im oberen Drehzahlbereich, überzeugender Klang
+ Sehr schnelles Automatikgetriebe, perfekte Schaltwippen
+ Kräftige Bremse mit gutem Druckpunkt
+ Agiles und hecklastiges Handling
+ Zuverlässige und keine nervigen Assistenzsysteme
– Hohes Gewicht
– Hoher Verbrauch
– Hoher Preis
– Sprachsteuerung mit deutlichen Schwächen
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Maserati Grecale Trofeo |
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Preis Basismodell / Testwagen | 138 500 CHF / 148 812 CHF |
Antrieb | Benzin, Allradantrieb |
Hubraum / Zylinder | 3000 ccm / V6 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Biturbomotor |
Getriebe | 8-Gang-Automatikgetriebe |
Max. Leistung | 390 kW bei 6750 r/min |
Max. Drehmoment | 620 Nm bei 3000 - 5500 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 3,8 s |
Vmax | 285 km/h |
WLTP-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 11,2 l/100 km / 254 g/km / G |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 16,6 l/100 km / 376 g/km / +48% |
Länge / Breite / Höhe | 4,86 m / 1,98 m / 1,66 m |
Leergewicht | 2102 kg |
Kofferraumvolumen | 570 l |