Maserati – wo das Gaspedal zum Taktstock wird. Wer kennt sie nicht, die Symphonien, welche die V8-Aggregate aus unserem südlichen Nachbarland von sich geben. Emotionen pur, kein Vergleich mit einem Dieselmotor. Moment. Maserati und Diesel?! Das habe ich mir im ersten Moment eben auch gedacht. Aber dann ist mir in denn Sinn gekommen, dass auch Jaguar im XF Sportbrake ausschliesslich Dieselmotoren anbietet und die Welt deswegen nicht untergegangen ist. Maserati will den Absatz massiv erhöhen und um eine breitere Klientel anzusprechen, muss eben auch ein Diesel ins Portfolio – insbesondere für den europäischen Markt. Wieviel Sportwagen steckt im Quattroporte? Und wie viele Emotionen müssen der Vernunft weichen?
Der erste Gedanke: Ein riesiges Schiff. Wenn man den Quattroporte seitlich betrachtet auf sich wirken lässt, wird einem bewusst, was für ein Dickschiff man da spazieren fährt. Im Vergleich zum Vorgänger wuchs der Quattroporte um rund 21 cm, um Platz für den «kleinen» Bruder Ghibli zu schaffen.

Maserati meistert es trotzdem, die grosse Limousine sportlich und elegant erscheinen zu lassen. Vorne schinden vor allem die lange Haube, der grosse, nur notdürftig verkleidete Kühlergrill sowie der böse Blick Eindruck. Seitlich wird der Maserati von der hochgezogenen Schulterlinie und dem Maserati Emblem hinter der C-Säule verziert und das Heck – tja, der Allerwerteste verfügt zwar über vier Endrohre, ist ansonsten aber sehr dezent und vor allem verwechselbar geraten. Ohne Maserati Schriftzug könnte man glatt meinen, ein Audi S6 fährt vor einem.

Im Interieur nimmt man sich am besten nach dem Einsteigen erst einmal einen kurzen Moment Zeit, um die Innenausstattung auf sich wirken zu lassen – optisch und haptisch. Feinstes, braunes Leder, edles Holz und ein flauschiger Alcantara Dachhimmel: das sieht verdammt gut aus und fühlt sich mindestens so gut an. Aber welche Farbe, Materialien und Zierelemente im Quattroporte vorzufinden sind, bestimmt der Kunde. Die individuelle, optische Gestaltung des Innenraums wird bei Maserati gross geschrieben.

Das Interieur ist übersichtlich und aufgeräumt gestaltet, der Touchscreen mit dem Uconnect Infotainmentsystem kennt man von anderen Modellen des Fiat-Konzerns. Angesichts dessen, dass der Quattroporte als Sportlimousine angepriesen wird, sind die Vordersitze aber zu grosszügig geschnitten, der Seitenhalt lässt deutlich zu wünschen übrigen. Immerhin sind sie beheiz- und klimatisierbar.

Dafür ist die Rückbank schön ausgeformt und selbst grosse Passagiere können sich im Fond richtig ausstrecken und sich wohlfühlen. Die Griffe, die Mechanik und der Klang der Ablagen wie Handschuhfach, dem Fach zwischen den Vordersitzen sowie zwischen den Rücksitzen sind allerdings keines Maseratis würdig. Da treiben die Deutschen mehr Aufwand, dass sich alles solide anfühlt und ein sattes Geräusch beim Schliessen von sich gibt. Auch LED-Beleuchtung wäre ein hübsches Goodie.

Das angebliche Premium-Soundsystem mit 10 Lautsprechern, das serienmässig verbaut ist, klingt sehr fade. An der Grenze des Zumutbaren empfinde ich die unglaublich fummeligen Knöpfe am Lenkrad für Tempomat und Bordcomputer. Was haben sich die Italiener nur dabei gedacht?! Alles mehr oder weniger üble Details – aber wir befinden uns schliesslich in der Luxusklasse und da zählen auch Kleinigkeiten.

Muss man sich als Diesel-Maserati Fahrer schämen? Man könnte meinen, die Italiener wollen ihren Kunden diese falsche Scham abnehmen, indem sie keinen einzigen «Diesel»-Schriftzug am ganzen Auto anbringen. Meiner Ansicht nach völlig unnötig, schliesslich ist ein Maserati mit Dieselmotor auch ein klares Statement: Ich will die italienische Leidenschaft und den italienischen Stil gepaart mit einem ökologischen Antrieb; der Diesel soll sich mit 6,2 Liter auf 100 km begnügen. Ein grünes Image wird schliesslich immer wichtiger und dass die Benzinmotoren von Maserati trinkfest sind, muss ich wohl niemandem erzählen.

Ein Maserati mit Diesel also. Die erste, brennende Frage: Wie klingt er? Ich kann Entwarnung geben. Er klingt gut. Ich weiss nicht, wie tief dafür in die Trickkiste gegriffen wurde, aber von Dieselnageln ist nichts zu hören, der Motor klingt kräftig und durchaus sportlich. Viel wichtiger: Er verhaltet sich vor allem verdammt sportlich! Ich bin noch nie einen Selbstzünder gefahren, der sich dermassen schnell durchs Drehzahlband arbeitet, nur, dass halt bei 4500 Umdrehungen bereits Schluss ist. Dann kommt die 8-Gang-Automatik von ZF zum Zug und legt zackig den nächsten Gang ein, damit die 600 Nm des Dieselmotors wieder zur Geltung kommen.

Das Prozedere lässt sich sowohl schärfen, als auch mildern. Im I.C.E (Increased Control and Efficiency) Modus wird das Drehmoment reduziert, der Motor nicht voll ausgedreht und zum Anfahren der zweite Gang benutzt. Kann sowohl zum Spritsparen, als auch zum Fahren auf verschneiten Strassen verwendet werden. Eine sinnvolle Sache, aber viel reizvoller ist natürlich der Sport-Modus. Der Klang des Dieselmotors wird nun noch präsenter und sportlicher, Maserati nennt dies Maserati Active Sound, wodurch der Klang eines Benziners nachgeahmt wird. Dezent, aber doch effektiv wabern sportliche Klänge durch den äusserst ruhigen Innenraum. Gleichzeitig werden die Lenkung und das Getriebe geschärft, das adaptive Fahrwerk muss durch einen zusätzlichen Knopf scharf gestellt werden.

Wie fühlt sich das auf einer, leider nassen, Bergstrasse an? Um den geschärften Maserati scharf bewegen zu wollen sind auch geschärfte Sinne vonnöten. Das ESP ist im Sport-Modus sehr zurückhaltend und überlässt den Fahrer bei leichtem Übersteuern erst mal sich selber. Dank der präzisen Lenkung ist der Maserati aber schnell wieder eingefangen. Trotzdem mahnt mich mein Unterbewusstsein, den nächsten Kurvenausgang weniger stürmisch in Angriff zu nehmen. Es kommt nämlich auch im Diesel-Maserati eine gehörige Dosis Fahrspass auf, die Länge und das Gewicht werden gut kaschiert, der Motor ist kräftig genug und die riesigen, feststehenden Alu-Schaltpaddels (aufpreispflichtig) versüssen jeden Gangwechsel. Schade halt, dass mit dem Dieselmotor keine schmetternden Fanfaren in die Umwelt geblasen werden.

Der Maserati Quattroporte Diesel ist ein vernünftiges Spielzeug für grosse Jungs. Klar, dass die Benziner-Modelle für noch mehr Fahrspass stehen, trotzdem erreicht der Quattroporte nicht die Schärfe eines Porsche Panameras. Dabei liegt es nicht an den Triebwerken von Maserati, sondern daran, dass Porsche Ingenieurskunst auf höchstem Niveau betreibt. Das unglaubliche Handling eines Panameras mit der sensationellen Lenkung und dem härteren Fahrwerk mit aktiver Wankstabilisierung stellt den Quattroporte in den Schatten. Auch aus technischer Sicht hinkt Maserati der Zeit hinterher. Weder LED-Scheinwerfer noch irgendwelche Assistenzsysteme (mit Ausnahme des automatischen Fernlichts) bietet Maserati an. Ein Maserati Verkäufer begründet dies damit, dass der Quattroporte ein Fahrerauto sei, in welchem der Fahrer noch die volle Kontrolle über das Auto habe und nicht bevormundet werde. Dem Kunden die Assistenzsysteme aber gar nicht erst anzubieten, ist in meinen Augen allerdings genauso eine Bevormundung.

Ich sehe den Quattroporte überdies sowieso eher als Luxuslimousine mit sportlichen Qualitäten. Ein Panamera ist fahraktiver, insofern finde ich, dass das Fahrerauto nicht ganz auf den Quattroporte zutrifft. Er bietet dafür komfortableres Reisen an, denn mit der Stille im Innenraum und den bequemen Rücksitzen kann Porsche nicht mithalten. Auch der Testverbrauch von 8,2 l/100 km kann sich sehen lassen, schliesslich wurde der Quattroporte sportlich bewegt und hatte nicht einmal 2000 km auf der Uhr.

Diesel, ja oder nein? Ich verbinde Maserati eben nach wie vor mit einem spektakulären Klangspektrum, das gehört einfach zu den heissblütigen Italienern dazu – und natürlich eine stilvolle, edle Inneneinrichtung. Der Dieselmotor passt zwar grundsätzlich zum Maserati, er sorgt für angemessene Fahrleistungen und bietet einen durchaus angenehmen Klangteppich. Aber will man einen vernünftigen Maserati? Autos mit Dieselmotoren sind in der Regel die Kilometerfresser. Schätzt man da nicht das eine oder andere Assistenzsystem während der langen Fahrt?

Fragen, die jeder für sich beantworten muss. Wer eine vernünftige Sportlimousine abseits des (deutschen) Mainstreams will, dem sei der Quattroporte Diesel wärmstens empfohlen. Auch wer viel Wert auf individuelle Gestaltung legt, sollte einen Maserati ins Auge fassen. Wer wie ich ein Dezibel-Exhibitionist ist, sollte sich sowieso einen Maserati genauer anschauen, resp. anhören. Wer nicht auf Hightech im Auto verzichten will, wird mit einem Maserati jedoch nicht glücklich werden. Halbe Liegesessel im Fond bietet der Quattroporte im Gegensatz zur deutschen Oberklasse-Konkurrenz ebenfalls nicht an. Was Sportlichkeit anbelangt, ist Porsche mit dem Panamera dem Quattroporte ebenfalls überlegen. Mit einem Basispreis von 110’800 Franken ist der Quattroporte Diesel günstiger als vergleichbare deutsche Autos, wobei diese dem Italiener technisch voraus sind.
Alltag 
Handlich ist anders, im städtischen Gebiet ist der Quattroporte hart an der Grenze, was die Länge betrifft. Erschwerend kommt hinzu, dass die Übersicht mies ist und die Rückfahrkamera zu weit nach unten gerichtet ist. Dafür ist halt Platz en masse vorhanden. Auf der Autobahn fehlen ein Tot-Winkel-Warner und ein Abstandstempomat.
Fahrdynamik 
Dass auch der Diesel sportlich kann, daran gibt es nichts zu zweifeln. Der Motor dreht zackig hoch und ist kräftig genug, um den zwei Tonnen schweren Quattroporte angemessen zu beschleunigen. Das riesige Auto reagiert zackig und direkt, es bleibt aber immer im vernünftigen Rahmen. So etwas wie einen Sport-Plus Modus bei Porsche, wo der Komfort zu Gunsten der Härte und Schärfe über Bord geworfen wird, gibt es bei Maserati nicht.
Umwelt 
Für so ein mächtiges Schiff ist der Quattroporte Diesel recht sparsam. Die 8,2 Liter Testverbrauch sind mit sportlichen Passagen, Winterreifen und wenig km auf der Uhr zustande gekommen. Wer gelassen dahingleitet, sollte mit höchstens 7,5 l/100 km auskommen.
Ausstrahlung 
Ein Maserati muss schön aussehen, das ist ein Kernwert der Marke. Insofern überrascht es nicht, dass der Quattroporte trotz seiner langen Karosserie überaus sportlich und elegant vorfährt. Lediglich das Heck ist zu wenig eigenständig.
Fazit 
+ Kräftiger, drehfreudiger Diesel
+ Kein Nageln, sondern ein angenehmer, sportlicher Klang
+ Präzise, direkte Lenkung
+ Ausgewogenes, komfortbetontes Fahrwerk
+ Perfektes 8-Gang Automatikgetriebe
+ Feudale Platzverhältnisse
+ Edle Materialien im Innenraum
+ Möglichkeiten zur Individualisierung
+ Grosszügige Serienausstattung
+ Intuitives Infotainmentsystem
+ Verhältnismässig tiefer Verbrauch
– Miese Übersicht, Rückfahrkamera zeigt zu stark nach unten
– Kaum Assistenzsysteme verfügbar
– Vordersitze mit schwachem Seitenhalt
– Fummelige Schalter auf dem Lenkrad
Steckbrief
Marke / Modell | Maserati Quattroporte Diesel |
---|---|
Preis Basismodell / Testwagen | 110'700 CHF / k.A. |
Antrieb | Diesel, Heckantrieb |
Hubraum / Zylinder | 2987 ccm / V6 |
Getriebe | 8-Gang Automatikgetriebe |
Max. Leistung | 202 kW bei 4000 r/min |
Max. Drehmoment | 600 Nm bei 2000 - 2600 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 6,4 s |
Vmax | 250 km/h |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 6,2 l/100 km / 163 g/km / D |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 8,2 l/100 km / 215 g/km / +32% |
Länge / Breite / Höhe | 5,26 m / 1,95 m / 1,48 m |
Leergewicht | 2020 kg |
Kofferraumvolumen | 530 l |
(Bilder: Koray Adigüzel)