Der russische Präsident Wladimir Putin nimmt es mit der Grenzverschiebung wortwörtlich, der chinesische Autohersteller Mengshi Automobiles, eine Tochter von Dongfeng Motor Corporation – dasselbe Mutterhaus des Voyah Free – belässt es mit dem Mhero 1 bei technischer Grenzverschiebung. Oder soll das rein elektrische Offroad-Monstrum als subtile Wirtschaftskrieg-Erklärung interpretiert werden? Das überlasse ich mal dem Auge des Betrachters. Klar ist: Das Auto ist trotz ökologisch korrektem Elektroantrieb bereits optisch eine Kampfansage. Der Mhero 1 ist ein mit allen Wassern gewaschener Offroad-Krieger, der aber auch auf der Strasse überzeugt. Zeit für ein erstes Speed Date und das wiederum ist wortwörtlich gemeint, denn ausgerüstet mit vier Elektromotoren ist der Mhero 1 vieles, aber definitiv nicht langsam!
Mit seinem aggressiven Design ist Mhero 1 nichts für schwache Nerven. Das Auto sieht beim ersten Blick insbesondere in Matt-Lackierung mehr wie ein Panzer denn ein Auto aus. Die Brutalität ist aus jedem Blickwinkel spürbar und ich will gar nicht wissen, ob und wie es um den Fussgängerschutz bestellt ist. Aber es ist halt cool von den Chinesen, dass sie einfach mal eine neue Marke und ein neues Design gründen. Coole Designhighlights gibt es an verschiedenen Orten, unter anderem verfügt der Wagen über ein automatisch ausfahrbares Trittbrett, Lauflichtblinker rundum sowie eine kleine Box am Heck, die wie eine Reserveradbox aussieht, aber Platz fürs Ladeequipment bietet.
Durch und durch luxuriös
Wer jetzt einen spartanischen Offroader erwartet, wird eines Besseren belehrt. Der Mhero 1 ist ein Wagen der Luxusklasse und zielt damit unverhohlen gegen Range Rover und Co. Feinstes Nappaleder trifft auf Mikrofaser-Akzente und Zierelemente aus Holz und Aluminium. Die kriegerische Aura des Autos bleibt auch im Interieur bestehen, denn der Tacho wird im Design eines Fadenkreuzes dargestellt und der Türgriff innen ist unverkennbar im Stil einer Pistole dargestellt.
Entspannter ist jedoch der Luxus drumherum. An Bord sind eine Vierzonen-Klimaanlage mit Ionisierung und Aromatisierung, elektrisch verstellbare Sitze auch im Fond und Massagefunktion auf allen Plätzen. So lässt es sich reisen. Die Platzverhältnisse sind zwar üppig, jedoch holen anderen 5-Meter-Autos durchaus mehr aus ihrer Länge raus. Technisch ist der Mhero 1 mit drei Screens vorne und einem weiteren Screen hinten in der Mitte für die Fondpassagiere bestens ausgerüstet. Die Bedienung scheint auf den ersten Blick zwar schlüssig, jedoch braucht das deutsche Interface noch ein bisschen Feinschliff. Es sieht schon sehr unschön aus, wenn das Wort «Energiemanagement» ohne jegliche Bindestriche und ohne saubere Trennung auf drei Zeilen dargestellt wird.
Scheut keine Herausforderungen
Auf dem Geländeparcours des TCS kann der Mhero 1 zeigen, wozu er gebaut worden ist. Mit einer per Luftfederung einstellbaren Bodenfreiheit von bis zu 335 Millimetern, sechs verschiedenen Offroad-Fahrmodi, einer Differenzialsperre pro Achse und vor allem Offroad-tauglicher Bereifung ist der SUV-Panzer bestens gerüstet, um sich abseits des Asphalts neue Wege zu bahnen. Um trotz der gewaltigen Ausmasse einigermassen wendig zu sein, hat der Mhero 1 nebst der Hinterachslenkung noch ein ganz besonderes Gimmick an Bord: Mit dem sogenannten Krabben-Modus, der die Hinterräder parallel zu den Vorderrädern stellt, ist das Auto in der Lage, sich leicht diagonal zu bewegen.
In der Praxis kommt der Mhero 1 auf dem Offroad-Gelände nicht einmal annähernd an die Grenze. Tiefe Sanddurchfahrten sind kein Problem und sollte sich der Wagen doch mal festfahren, so helfen die Differenzialsperren. Selbst ein Pfad über Felsen, quasi ein ausgetrocknetes Flussbeet, ist für den Chinesen keine Herausforderung. Bergauf sowie bergab vermag der Mhero 1 auch Treppen zu bezwingen, für Steigungen und Gefälle von über 100 Prozent hat der Mhero1 ebenfalls bloss ein müdes Lächeln übrig.
Schnell wird klar, dass die Grenze wohl viel eher beim Fahrer als beim Auto liegt. Daher gibt der Wagen dem Piloten auch ein paar Hilfsmittel an die Hand. So ist etwa ein Offroad-Tempomat einstellbar, der penibel darauf achtet, dass das Auto beispielsweise konstant mit zwei km/h vorwärts kriecht. Ebenfalls Gold wert ist die gestochen scharfe 360 Grad-Kamera, welche überdies auch darstellt, wie es unter dem Auto und der Motorhaube aussieht.
Latent übermotorisiert
Auch auf der Strasse wird der Wagen seinem Luxus-Anspruch gerecht. Trotz grobstolliger Bereifung und, na ja, suboptimaler Aerodynamik ist es im Innenraum erstaunlich leise. Da steckt wohl eine enorme Menge Dämmmaterial im Auto, wobei es bei einem Leergewicht von 3410 Kilo auch nicht mehr wirklich darauf ankommt, ob es jetzt ein paar Kilo mehr oder weniger sind. Jedenfalls fährt sich das Trumm soft, gemütlich und erstaunlich handlich dank der Hinterachslenkung. Jedoch nimmt man bei schmalen Wegen gefühlt die gesamte Strasse ein, weshalb die Breite von 2,08 Metern ohne Spiegel manchmal schon ein wenig hinderlich sein kann.
Um trotz der irren Masse einigermassen vernünftig vorwärtszukommen, verbaut Mhero gleich vier Elektromotoren à 200 kW. Total stehen also 800 kW und 1400 Nm zur Verfügung. Was als reine Zahl klingt, als könnte der Wagen eine achterbahnmässige Beschleunigung hinlegen, relativiert sich halt doch aufgrund der Masse. Subjektiv fühlt sich der Wagen etwas gleich schnell und stark an wie der halb so starke und rund eine Tonne leichtere Voyah Free. Erschwerend kommt dazu, dass die All-Terrain-Reifen das extreme Drehmoment bei voller Beschleunigung konstruktionsbedingt gar nicht sauber auf die Strasse bringen können und durchdrehende Räder die Folge sind.
Es erklärt sich ausserdem wohl von selbst, dass der Sport-Modus getrost als verschärftes oder entsichertes Gaspedal verstanden werden kann, um im Jargon des Mhero 1 zu bleiben. Höhe, Masse, Bereifung und auch Lenkgefühl lassen bei zügiger gefahrenen Kurven schnell ein mulmiges Gefühl aufkommen. Die Frage ist daher meiner Meinung nach berechtigt, wieso es diese irren Leistungsdaten benötigt, denn: Im Gelände sind sie obsolet und auf der Strasse nicht umsetzbar. Aber es liest sich halt gut, wenn man die anderen Hersteller in die Schranken weisen möchte.
Seinen Preis wert
Derzeit beschäftigt sich der schweizerische Importeur Noyo mit der Homologation in der Schweiz, doch die ersten Fahrzeuge sollten schon bald verfügbar sein. Verkauft wird das Auto in chinesischer Manier in genau einer Ausführung, welche alle Ausstattungs-Features beinhaltet. Zur Wahl stehen lediglich drei Lackierungen sowie zwei Interieur-Trims. Der Preis von 148’990 Franken mag auf den ersten Blick erschreckend hoch wirken, aber man muss sich wirklich bewusst sein, was für ein Biest der Mhero 1 ist. Er kann puncto Offroad-Fähigkeiten mit den ganz grossen Namen der Branche mithalten und verfügt über Leistungswerte, die man von Geländefahrzeugen so bisher nicht kannte. Das und der eingehaltene Luxus-Anspruch relativieren den Preis. Und wer immer noch nicht überzeugt ist, soll doch mal schauen, was ein hochmotorisierter Range Rover oder eine AMG G-Klasse kosten.
Meine einzigen persönlichen Bedenken bezüglich des Mhero 1 betreffen seinen Elektroantrieb und die daraus folgende Autonomie. Gewiss, wenn der Offroader in der Schweiz bewegt wird, ist das überhaupt kein Thema. Aber einfach in die Wildnis ziehen oder gar Expeditionen durchzuführen, stelle ich mir schwierig vor. Ladepunkte existieren schliesslich in der Zivilisation und dieses Fahrzeug schreit förmlich danach, aus selbiger auszubrechen – und eine mobile Powerbank fürs Elektroauto (quasi das Pendant eines Reservekanisters) ist noch nicht erfunden.
Steckbrief
Marke / Modell | Mengshi Mhero 1 |
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Preis Basismodell | 148 990 CHF |
Antrieb | Elektrisch, Allradantrieb |
Akkukapazität | k.A. kWh (brutto) / 142 kWh (netto) |
Max. Leistung | 800 kW |
Max. Drehmoment | 1400 Nm |
Beschleunigung 0–100 km/h | 4,2 s |
Vmax | 180 km/h (elektronisch abgeregelt) |
WLTP-Verbrauch / Energieeffizienz | Homologation noch ausstehend |
WLTP-Reichweite | 450 km |
Max. Ladeleistung (DC) | 100 kW |
Länge / Breite / Höhe | 4,99 m / 2,08 m / 1,94 m |
Leergewicht | 3410 kg |
Kofferraumvolumen | 452 l + 20 l Heckbox |