Eines muss man Mercedes-AMG lassen: Sie haben Eier, den legendären V8, der in diesem Segment im Vorgänger nebst dem ganzen Charisma ganz nebenbei auch für einen USP sorgte, durch einen Vierzylinder-Plug-in-Hybrid-Antrieb zu ersetzen. Klar, die Verringerung der CO₂-Emission müssen als Vorwand herhalten, ohne politische Leitplanken wäre der V8 wahrscheinlich ohnehin erhalten geblieben, aber auch so wie es ist: Es wäre bestimmt auch unter heutigen Bedingungen möglich gewesen, das Triebwerk beizubehalten. Man hätte nur etwas mehr wollen müssen. Anyway, es ist, wie es ist. Hate, Spott und Häme gibt es im Netz über dieses Auto zuhauf, aber darauf möchte ich nicht eingehen, zumal die Mehrheit der angeblichen Besserwisser das Auto wahrscheinlich nie in Echt gesehen hat – geschweige denn gefahren ist. Hier und jetzt geht es um Fakten, Fahrdynamik und Emotionen. Potenzial ist grundsätzlich vorhanden, denn ein Hybridantrieb eröffnet – Mehrgewicht hin oder her – zusätzliche Möglichkeiten. Ist der neues C63 AMG also ein Warmduscher oder eine fahrdynamische Offenbarung?
Optisch wird auf jeden Fall kein Understatement betrieben, sondern das komplette Ornat aufgeboten. Die Front sieht so richtig böse aus und schreit aus jedem Winkel, man möge seinen Allerwertesten doch schnellstmöglich zur Seite bewegen, und zwar plötzlich. Ebenfalls schön gestaltet ist die stark modellierte Motorhaube mit einem Entlüftungsschlitz, der auch tatsächlich eine Funktion hat. Weiter im Text: Schicke, schwarze und sportlich designte Felgen anstatt aerodynamisch optimierte Teller-Felgen, das gibt auch einen Daumen nach oben. Trotz Kombi-Silhouette wirkt der C63 durch die tiefe Strassenlage und den grösseren Dachspoiler schön sportlich. Etwas breitere Radhäuser hinten bleiben zwar auf der Wunschliste, doch das Heck behält trotz der Halbierung des Motors im Maschinenraum die charakteristischen vier eckigen Endrohre. An den Kotflügeln prangt statt des ikonischen «V8 Biturbo»-Signets nun der Schriftzug «Turbo E Performance». Schauen wir mal.
Noblesse mit Schalensitzen
Um auch im Cockpit AMG-Flair zu versprühen, sind die optionalen Schalensitze wärmstens zu empfehlen. Sie kosten zwar – wie so vieles bei Mercedes – einen unverschämten Aufpreis, doch sie bringen nicht nur sehr viel Dynamik ins Interieur, sondern glänzen auch mit einer Ergonomie, die ihresgleichen sucht. Sitzposition, Seitenhalt, Komfort (inklusive Heizung und Lüftung) – sind top, ausserdem sind die Sitze an den seitlichen Lehnen sogar leicht ausgeschnitten, was ihnen ein skelettartiges Design verleiht. Zum Anbeissen.
Abgesehen von den Sitzen bleibt der C63 in erster Linie eine C-Klasse. Verarbeitung, Qualität und Haptik sind bis auf ganz wenige Ausnahmen spitzenmässig. Das Cockpit bietet diverse, für Mercedes-Verhältnisse auch sehr verspielte Ansichten. Das Infotainmentsystem zeigt sich ebenfalls von seiner besten Seite mit einer Vernetzung, Geschwindigkeit, Navigation und Sprachsteuerung, die den ganz grossen Tech-Konzernen würdig ist. Ein paar einblendbare Zusatzinformationen über Batterie und Antrieb runden das Ganze ab.
Den ersten dicken Minuspunkt gibt es für die Raumökonomie. Während der Platz im Fond durchwegs in Ordnung geht, ist der Kofferraum eine Lachnummer. Nicht nur der gesamte Ladeboden ist erhöht, es ist auch noch eine riesige Stufe verbaut aufgrund der Hybrid-Technik. Konkret verliert der Kombi damit nicht nur 163 Liter an Ladevolumen, sondern kann weder sperrige Gegenstände transportieren noch eine ebene Ladefläche vorweisen. Da stellt sich durchaus die Frage, warum der C63 überhaupt noch als T-Modell angeboten wird, da der Mehrwert gegenüber der Limousine sehr bescheiden ist.
Riesiger Aufwand
Damit der Antrieb des Mercedes C63 trotz auf den ersten Blick mageren Zutaten zu enormen Leistungen fähig ist, hat Mercedes-AMG grossen Aufwand betrieben. Der Vierzylinder aus der A45-Familie wurde nochmals überarbeitet und zudem als Mild-Hybrid-Motor konstruiert. Ferner hilft ein elektrisch angetriebener E-Verdichter bei niedrigen Drehzahlen für den nötigen Schub. Alleine der Vierzylinder kommt auf eine Leistung von 350 kW – Weltrekord bei einem Serienauto. Unterstützt wird dieser von einem Elektromotor samt Zweigang-Getriebe an der Hinterachse, welcher 150 kW Spitzenleistung (für maximal 10 Sekunden) und 70 kW Dauerleistung abzugeben vermag. Ebenfalls an der Hinterachse verbaut: ein elektronisch geregeltes Sperrdifferential. Als Krönung ist ein vollvariabler Allradantrieb verbaut, der sogar die Kraft des Elektromotors, falls nötig, an die Vorderachse leiten kann. Maximaler Output des gesamten Systems: 1020 Nm und 500 kW, allerdings stehen dem auch 2250 Kilo Leergewicht gegenüber.
Die geballte Ladung Hybrid-Wahnsinn ist am besten bei der Launch Control spürbar. Fuss auf die Bremse, beide Paddles ziehen, Vollgas – und dann die Bremse lösen. Der Kombi spickt wie von einem Katapult abgeschossen davon und schiebt mit vehementem Nachdruck an. Der V8-Vorgänger hätte dagegen keine Chance – man würde ihn dafür noch kilometerweit hören, während der Sound im AMG E Performance selbst von einem VW Golf R mit Akrapovič Abgasanlage spielend getoppt wird. Ein Trauerspiel. Optional und auch im Testwagen verbaut ist der AMG Real Performance Sound, der aber nur im Innenraum über die Lautsprecher ausgegeben wird und dem Vierzylinder mehr künstlichen Bass und Volumen verleiht. Meine Meinung dazu? Das Geld ist in ein paar Tankfüllungen schlauer investiert.
Gaspedal am Anschlag
Um im Fahrbetrieb das Niveau an Madness zu geniessen, welches ein C63 AMG verspricht, muss man sich ein wenig mit den Eigenheiten des Autos herumschlagen. Das Wichtigste: Die maximale Systemleistung steht ausschliesslich mit Kickdown zur Verfügung. Zu empfehlen ist ausserdem der manuelle Modus fürs Getriebe. Im Sport+-Modus ist es zu zahm, da es oft nicht in den zweiten Gang herunterschaltet. Race dagegen ist zu brutal, da auf der Landstrasse kaum jemals über den dritten Gang hinaus geschaltet wird.
Werden diese Punkte berücksichtigt, ist der C63 E Performance tatsächlich ein ziemlich gestörtes Auto, welches am Kurvenausgang mit einer süchtig machenden Brutalität davonstürmt. Der Vierzylinder dreht – unterstützt von den kurzen unteren Gängen – wie besessen hoch und der maximal zehnsekündige Kickdown-Boost reicht in der Schweiz allemal aus, um den Führerschein für den Rest der Leasingvertragsdauer abzugeben.
Gewicht kaum spürbar
Bezüglich Fahrwerk hat AMG auch an ganz vielen Schrauben gedreht. Nicht nur die Karosserie fühlt sich bocksteif an, auch das Fahrwerk verfügt in den aggressiven Modi über eine Härte und Verbindlichkeit, die zu allen Schandtaten bereit ist. Ein riesiges Lob verdient die Bremse, welche einen die Rekuperation kein bisschen spüren lässt und stattdessen über einen präzisen Druckpunkt verfügt. Man kann den schweren Kombi also voll auf die Kurve zufliegen lassen, bis in die Kurve zusammenstauchen, in der Kurve die beiden Lader auf Touren bringen und ab dem Scheitelpunkt den Boost mittels Kickdown aktivieren. Der mechanische Grip ist enorm, allerdings ist beim Boosten Vorsicht geboten. Wer zu früh die maximale Power fordert, bringt das Heck unter Umständen zum Auskeilen, da dann mit dem E-Motor deutlich mehr Kraft auf die Hinterachse einwirkt.
Zahmer Cruiser
Während die volle Attacke also durchaus zu Begeisterungsschüben führt, ist bei etwas alltäglicheren Fahrten das Gefühl deutlich gespaltener. Zum einen – ich weiss, ich wiederhole mich – fehlt einfach der Sound. Mal rasch einen kurzen Gasschub geben und lauschen? Fehlanzeige. Ausserdem ist der Antrieb, wenn er nicht auf maximalen Angriff gebürstet ist, halt eben nicht so kraftvoll, wie er auf dem Papier scheint. Mit einem reinen Verbrenner weiss man, dass das Drehmoment immer da ist, man spürt es auch. Bei der Hybrid-Konstruktion des C63 S fühlt sich das Auto irgendwie unterschiedlich kraftvoll an. Je nach Situation hat man das Gefühl, dass das Auto stark und dann bei gleicher Gaspedalstellung viel weniger stark beschleunigt. Schwierig zu beschreiben, aber worauf ich hinauswill: Die enormen Leistungsdaten, mit denen das Auto beworben wird, sind nur spürbar, wenn der Fahrstil sehr aggressiv ist.
Was ich mich ebenfalls frage ist, warum es ein Plug-in-Hybrid werden musste anstatt ein Vollhybrid ohne externe Lademöglichkeit. Ich habe im Test das Auto nie geladen, das System ist auch so dafür konzipiert, immer genügend Strom für den nötigen Boost zur Verfügung zu stellen. Das hätte aufgrund der kleineren Batterie nämliche für eine Gewichtsersparnis gesorgt. Das jetzige Konzept ist eines Plug-in-Hybrids ohnehin unwürdig, da die rein elektrische Reichweite kümmerliche 13 Kilometer nach WLTP beträgt und in der Praxis bereits nach 10 Kilometern Schluss mit rein elektrischem Sirren ist.
Alles andere als zahm ist dafür das Fahrwerk, welches auch im Comfort-Modus eher unnachgiebig ist, da bleibt Mercedes-AMG bei der 63er-Linie dem wilden Charakter unabhängig vom Antrieb treu. Ebenfalls deutlich spürbar ist die Assistenz von Mercedes, welche genauso vorbildlich funktioniert wie in jeder C-Klasse. Autobahnassistent, Parkassistent und Matrix-Licht – um nur ein paar Beispiele zu nennen – verrichten ihren Dienst jedenfalls sensationell. Ebenfalls super: Der Spurhalteassistent ist beim AMG-Modell permanent aus und nicht nach jedem Motorstart wieder drin. Wieso kann das nicht bei allen Modellen so sein? Ich bin mir sicher, dass dies ein Kundenbedürfnis wäre.
Ob das Auto als C63 AMG mit dem neuartigen Hybridansatz ein Kundenbedürfnis ist, lässt sich bisher nicht abschliessend sagen. Fakt ist, dass die Verkaufszahlen bis dato unter den Erwartungen zurückliegen. Ebenfalls Fakt ist, dass das Auto mit 162’846 Franken (Testwagen) ein gewagtes Preisschild trägt. Ein Hardcore-Sportler im Kombi-Gewand ist er zweifelsfrei; wenn das Auto auf volle Attacke eingestellt ist und der Fahrer auch so fährt, dann bleibt kein Auge trocken. Dennoch bleibt das wilde, rohe, dass nur ein gewaltiger Verbrennermotor erzeugen kann, auf der Strecke. Technokraten, die kein reines Elektroauto wollen, fühlen sich mit dem C63 womöglich abgeholt. Petrolhealds wohl eher nicht, aber die Redewendung «Probieren geht über Studieren» trifft beim neuen AMG den Nagel auf den Kopf, da kann ich noch so viel schreiben. Man muss es erlebt haben.
Alltag
Für die Passagiere steht auch im Fond ausreichend Platz zur Verfügung, obwohl die C-Klasse noch nie ein Raumwunder war und auch heute keines ist. Der Kofferraum ist beim AMG T-Modell eine Lachnummer. Die grosse Erhöhung im Kofferraum macht es unmöglich, sperriges Ladegut zu transportieren und ein ebener Ladeboden ist ebenfalls das pure Gegenteil davon, was dieses Auto abliefert.
Fahrdynamik
Emotionen bei Seite gelassen – der neue C63 AMG schiebt gewaltig an und ist punkto Handling für einen Kombi überaus kompromisslos. Grip, Handling, Feedback und Bremsdosierung ist super. Dass der Wagen mittlerweile sehr schwer geworden ist, spürt man auch nur in engen Bergab-Kehren.
Umwelt
Plug-in-Hybrid ist beim C63 unter dem Umwelt-Gedanken eine ziemliche Augenwischerei. Die elektrische Reichweite ist sehr gering, ausserdem ist das gesamte Konzept auf Performance ausgelegt, Spritersparnis ist bloss zweitrangig. Im teils aggressiv gefahrenen Test ohne jemals nachzuladen lag der Verbrauch mit 11,9 l/100 km jedenfalls nur leicht unter dem, was der alte V8 verbrennt hätte.
Ausstrahlung
Optisch trägt auch der neue C63 AMG dick auf. Man sieht von Weitem, dass hier ein böser Kombi vorfährt, der mit einer Standard-C-Klasse nur wenig gemein hat.
Fazit
+ Sportliches, aggressives Design
+ Exzellente Schalensitze mit Heizung/Klimatisierung und scharfem Design
+ Top Ergonomie, tiefe Sitzposition
+ Sensationell gutes Infotainmentsystem mit ultraschneller Bedienung und super Sprachsteuerung
+ Edles und hochwertig verarbeitetes Cockpit
+ Zahlreiche Fahrmodi und umfangreich justierbarer Individual-Modus
+ Präzises und gleichzeitig wildes und aggressives Handling
+ Sehr hohes Gripniveau, im Extrembereich hecklastig
+ Präziser Druckpunkt der Bremse, brachiale Verzögerung
+ Atemberaubender Boost-Schub
+ Akkuladung bleibt stets ausreichend, Boost steht auch bei hartem Einsatz immer wieder zur Verfügung
+ ESP dreistufig einstellbar
+ Zuverlässige Assistenzsysteme
+ Sehr effektives Matrix-Licht
– Sehr geringe elektrische Reichweite
– Motorsound selbst für einen Vierzylinder unter den Erwartungen
– Angegebene Maximalleistung nur bei Kickdown
– Hohes Gewicht
– Sehr hoher Preis
– Kleiner und unpraktischer Kofferraum
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Mercedes-AMG C 63 S E Performance T-Modell |
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Preis Basismodell / Testwagen | 135 600 CHF / 162 846 CHF |
Antrieb | Benzin Plug-in-Hybrid / Allradantrieb |
Hubraum / Zylinder | 1991 ccm / R4 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Mild-Hybrid-Turbomotor mit E-Verdichter + Elektromotor |
Getriebe | 9-Gang-Automatikgetriebe |
Max. Systemleistung | 500 kW bei 6750 r/min |
Max. Systemdrehmoment | 1020 Nm |
Vmax | 280 km/h (elektronisch abgeregelt) |
Beschleunigung 0 - 100 km/h | 3,4 s |
Elektrische Reichweite nach WLTP | 13 km |
Batteriekapazität | 6,1 kWh |
WLTP-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 7,3 l + 12,2 kWh/100 km / 167 g/km / G |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 11,9* l/100 km / 272 g/km / +63% |
Länge / Breite / Höhe | 4,84 m / 1,90 m / 1,47 m |
Leergewicht | 2254 kg |
Kofferraumvolumen | 360 - 1375 l |
*Hoher Testverbrauch: Aufgrund mangelnder privater Lademöglichkeit werden Plug-in-Hybride während des Testzeitraums unregelmässig geladen. Dies resultiert in überdurchschnittlich hohen Verbräuchen.
Der neue C63 sieht wirklich scharf aus, aber dass der V8 durch einen Vierzylinder-Hybrid ersetzt wurde, hinterlässt gemischte Gefühle. Besonders interessant finde ich die Bemerkung über die Schalensitze – klingt, als wären die wirklich ihr Geld wert. Nach meinem Unfall letztes Jahr habe ich gelernt, wie wichtig es ist, eine professionelle Schadenfeststellung zu haben, um alle Details zu klären.
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