Mercedes-AMG GT C Roadster: Drama auf Rädern

Wer Drama mag, ist bei Mercedes-AMG an der richtigen Adresse. Die echten, bösen Modelle aus Affalterbach neigen dazu, einen leicht gestörten Touch zu haben, was sie von der Masse abhebt. Wer besonders viel Drama mag – und über ein entsprechend gefülltes Bankkonto verfügt – sollte zum Topmodell, dem AMG GT greifen. Als GT C Roadster bietet er ein mitreissendes Frischluft-Vergnügen und atemberaubende Performance. Dennoch ist der grobe AMG kein feinfühliges Präzisions-Instrument, sondern inoffiziell das einzige Muscle-Car, das Deutschland aktuell baut.

Neu ist am AMG GT C eingentlich sehr wenig. Das Facelift hat dem Roadster eine neue Front mit Panamericana-Grill samt Scheinwerfern beschert, hinten blubbert die Abgasanlage in einem neuen Look. Ansonsten ist der dramatische Look grundsätzlich derselbe: Flache, endlose Motorhaube, breite Schweller, flache Silhouette, extrem breites Heck mit dynamischem, einfahrbarem Spoiler. Ganz ehrlich: An diesem Design würde ich auch nur das allernötigste ändern. Was für ein pornöses Auto! Die Lackierung Brilliantblau, was dem prolligen Auto immerhin einen eleganten Touch verleiht, ist neu im Sortiment.

2019 Mercedes AMG GT C Roadster
Elegante Farbe, draufgängerische Erscheinung, wütender Sound. Geile Kombination!

Digitalisiertes Cockpit

Das Cockpit wurde modernisiert, ist aber nach wie vor vor allem eines: eng. Obwohl das Auto von aussen extrem breit ist, bleibt den Insassen nicht viel Platz. Die Seitenschweller sind breit und die Mittelkonsole ist noch viel breiter. Auf ihr befinden sich im V8-Design die Knöpfe für die Fahrmodi, Getriebe, ESP, Start-Stopp-Automatik, etc. Kleine Displays zeigen die aktuelle Einstellung direkt an. Ebenfalls sympathisch: Es handelt sich um physische Knöpfe anstatt um diffuse Sensortasten, bei denen man nie weiss, ob man sie gedrückt hat oder nicht. Man will schliesslich wissen, ob man mit oder ohne ESP unterwegs ist, das ist in diesem Auto essentiell…

2019 Mercedes AMG GT C Roadster
Die Mittelkonsole beansprucht sehr viel Platz. Die Qualität ist top, doch das Infotainmentsystem in der Bedienung mühsam.

Ein digitales, personalisierbares Cockpit mit drei Anzeigemodi hat die klassischen Rundinstrumente abgeschafft – ob das in einem Sportwagen der Weisheit letzter Schluss ist, muss jeder selber wissen. Neu sind die Schnelltasten auf dem Lenkrad: Man kann sich bestimmte Einstellungen wie Abgasanlage, Start-Stopp-System oder ESP direkt aufs Lenkrad holen und von dort mit einem Druck einstellen. Cool!
Weniger cool ist dafür das Infotainmentsystem. Wenn man MBUX kennt, ist es gleich doppelt schade, dass ausgerechnet das AMG-Topmodell noch mit einem veralteten System ohne Touchscreen und umständlicher Bedienung auskommen muss. Jedenfalls macht es kein Spass, in dieses System ein Navigationsziel einzugeben.

2019 Mercedes AMG GT C Roadster
Die Sitze packen fest zu und sind straff gepolstert. Ein Nackenföhn ist inklusive.

Dezent? Nein, danke!

Viel mehr Spass macht es, auf den Startknopf zu drücken und dem V8-Donnergrollen aus der vierflutigen Abgasanlage zu lauschen! Understatement ist ziemlich das Gegenteil des V8-Roadsters, denn selbst im Komfort-Modus und geschlossener Auspuffklappe macht der AMG GT jederzeit unmissverständlich klar, dass er gerne Auslauf hätte. Zwar ist der Federungskomfort durchaus langstreckentauglich, aber wirklich entspannend ist die Fahrt nicht. Zu wild ist der Wagen in der Grundabstimmung, zu fordernd ist der Motor, zu präsent ist der Sound. Dieses Auto ist pures Aufputschmittel, welches die Sinne hellwach macht und den Kreislauf in Schwung bringt!

2019 Mercedes AMG GT C Roadster
Der Motor verfügt über eine enorme Kraft und reagiert extrem sensibel auf kleinste Gasstösse.

Also via Knopfdruck Auspuffklappe aufreissen, Dach runter, Individual-Fahrmodus mit sportlichem Motorsetup, aber komfortablem Fahrwerk-Setup einstellen. Die perfekte Cruiser-Einstellung. Der Motor reagiert nicht zu aggressiv, doch aus der Auspuffanlage bollert es bedrohlich beim Gaslupfen. Absurd laut wird es aber nie, zumindest nicht, wenn man mit gesundem Menschenverstand und einigermassen vernünftigen Motordrehzahlen fährt.

2019 Mercedes AMG GT C Roadster
Eine Keramikbremsanlage ist optional zu haben, aber auf der Landstrasse überflüssig.

Das deutsche Muscle Car

Ab in die Berge, Zeit, dem oben-ohne-Geschoss den geforderten Auslauf zu gewähren. Sport+ Modus angewählt und ab geht die Post. Und wie! Selbst auf trockener Strasse hat die Traktionskontrolle alle Hände voll zu tun, damit die armen Hinterräder keine Brandmale auf den Asphalt brennen. Ist die Strasse obendrein wellig, kann es durchaus sein, dass die Haftung abreisst und das Heck trotz aktivem ESP anfängt zu schwänzeln. Der Motor zieht ab rund 2500 Touren gnadenlos mit einer abartigen Kraft bis hoch auf 7000 Umdrehungen durch – wütendes Grollen und fauchendes Zischen durch das Pop-Off-Ventil inklusive.

2019 Mercedes AMG GT C Roadster
An der langen Motorhaube kann man sich kaum satt sehen!

Klar reagiert der AMG präzise und direkt auf Lenkbewegungen, er hat genügend Bremsreserven und er lässt sich sehr sauber um Kurven fahren, wenn man das Gaspedal nicht gerade in den Motorraum drücken will. Trotzdem fehlt ihm das letzte Quäntchen Fingerspitzengefühl. Dieses Auto wird in erster Linie durch den Motor definiert und der durchzugsstarke V8-Motor sowie das locker sitzende Heck sind doch zwei Ähnlichkeiten mit den amerikanischen Muscle-Cars, die sich nicht übers Handling, sondern die enorme Kraft definieren.

2019 Mercedes AMG GT C Roadster
Dank Transaxle-Bauweise verhaltet sich das Auto lange neutral – trotzdem reicht viel Gas immer, um das Heck zu provozieren.

Trotz OPF brüllt der V8 immer noch nach Herzenlust und wer den Mut hat, in den Race-Modus mit lockererem ESP zu fahren, dem beschert die Auspuffanlage lautes Bollern und Knallen im Schubbetrieb. Ausserdem agiert das Getriebe mit einer Brutalität, dass man versucht ist, im Rückspiegel zu schauen, ob es sich nicht gerade in Einzelteilen auf der Strasse verabschiedet hat.

2019 Mercedes AMG GT C Roadster
Die Schnellwahl-Tasten auf dem Lenkrad sind praktisch.

C bietet mehr

Für den AMG GT C Roadster sind satte 240’769 Franken fällig – die Ähnlichkeit mit den preiswerten Pferdestärken der amerikanischen Muscle Cars übernimmt AMG leider nicht. Zwar gibt es durchaus die beiden günstigeren Versionen GT und GT S, doch wer auf der Strasse das volle Potenzial des Autos mit breiteren Rädern und breiterer Spur ausnutzen will, ist mit dem GT C am besten bedient. Die Mehrleistung hingegen dürfte vor allem gegenüber dem GT S kaum zu spüren sein. Und wer trotzdem nicht so viel Geld ausgeben will, kann sich immer noch auf dem Occasionsmarkt umschauen – da das Facelift nicht tiefgründig ist, ist ein GT C Vorfacelift-Modell vor allem antriebsmässig sehr nahe am aktuellen Modell – und ist fast zum halben Preis erhältlich!

2019 Mercedes AMG GT C Roadster
Wer macht schöneren Sound: Der AMG GT C oder das Alphorn? Eine Frage der Einstellung…

Alltag 2.5 out of 5 stars

Obwohl noch das Dach hinter den Sitzen untergebracht werden muss, bleibt immerhin genügend Kofferraum für ein Kurztrip zu zweit. Die Ablagen im Innenraum sind klein, aber immerhin vorhanden. Die Manövrierbarkeit ist durch die Allradlenkung gegeben, obwohl die schiere Motorhaube ein präzises Manövrieren nicht vereinfacht.

Fahrdynamik 5 out of 5 stars

Es kommt durchaus vor, dass die Hinterachse der brachialen Gewalt des V8-Monsters nicht gewachsen ist, was sich in einem lebendigen Heck äussert. Quer geht folglich immer, wobei man aufgrund der Drehmoment-Orgie das Spektakel mit Vorsicht geniessen sollte. Obwohl der AMG GT C grundsätzlich von überbordender Kraft und Aggressivität geprägt ist, kommt die Präzision nicht zu kurz.

Umwelt 1 out of 5 stars

Der V8-Biturbo denkt nicht mal ansatzweise ans sparen. Wer ab und zu Gas gibt, kommt auf einen Testverbrauch von 14,3 l/100 km. Vorbildlich? Nein, aber dennoch ist dieser irre Roadster jeden Tropfen Benzin wert!

Ausstrahlung 5 out of 5 stars

Der auffällige Roadster lebt vor allem durch seine abartigen Proportionen. Die lange Haube, das flache Dach – pure Auto-Erotik!

Fazit 4.5 out of 5 stars

+ Sportliches Design mit extremen Proportionen
+ Materialien und Verarbeitung auf Spitzenniveau
+ Extrem tiefe Sitzposition, top Seitenhalt
+ Schnell arbeitendes Verdeck
+ Kräftiger Motor mit der Gewalt einer Abrissbirne
+ Lauter, bassiger Motorsound
+ Top Getriebe mit extrem schnellen Schaltvorgängen
+ Agiles Handling dank der Hinterachslenkung
+ Kaum Untersteuern, auf Wunsch viel Übersteuern
+ Ausreichender Fahrkomfort
+ Kleiner Wendekreis

– Sehr hoher Preis und teure Optionen
– Enge Platzverhältnisse
– Zu sensibler Notbremsassistent
– Sehr hoher Verbrauch

Mängel am Testwagen

– Keine Mängel

Steckbrief

Marke / ModellMercedes-AMG GT C Roadster
Preis Basismodell / Testwagen206 599 CHF / 240 769 CHF
AntriebBenzin, Heckantrieb
Hubraum / Zylinder3982 ccm / V8
Motoranordnung / MotorkonzeptFront-Mittelmotor / Biturbomotor
Getriebe7-Gang Doppelkupplungsgetriebe
Max. Leistung410 kW bei 5750 - 6750 r/min
Max. Drehmoment680 Nm bei 1900 - 5750 r/min
Beschleu­nigung 0–100 km/h3,7 s
Vmax316 km/h
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz12,6 l/100 km / 287 g/km / G
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz14,5 l/100 km / 330 g/km / +15%
Länge / Breite / Höhe4,54 m / 1,94 m / 1,26 m
Leergewicht1770 kg
Kofferraumvolumen165 l

Bilder: Koray Adigüzel

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