Mercedes C-Klasse: Künstliche Intelligenz am Steuer

Die Längsverstellung des Sitzes ist manuell. Ein Schiebedach ist nicht vorhanden. Und – komischer Gedanke im Dezember, ich gebe’s zu – klimatisiert sind die Sitze ebenfalls nicht. Wie schäbig! Ein Minimum an Luxus darf man doch von einem Mercedes erwarten?!
Kleiner Scherz am Rande. Erstens: Selbstverständlich sind die oben erwähnten, dem Testwagen vorbehaltenen Annehmlichkeiten, in den Tiefen der Aufpreisliste zu finden. Zweitens: Alle anderen erdenklichen und unerdenklichen Schikanen hat Mercedes der C-Klasse mitgegeben. Mittelklasse? Die Mercedes C-Klasse spielt locker in der First Class. Was man da fährt, ist ein Stückchen Zukunft. Wer keine Hot-Stone-Massage und einen halben Liegesessel im Fond benötigt, um Staatsoberhäupter zu transportieren, kann getrost auf die S-Klasse verzichten. Die C-Klasse hat mich sogar für einen kurzen Moment sprachlos gemacht – und ich dachte, mittlerweile habe ich als Autoblogger schon alles erlebt, was es zu erleben gibt. Tja, ich bin eben doch noch ein Greenhorn.

Schön ist sie geworden, die C-Klasse Limousine. Schöner als die S-Klasse und auch schöner als das C-Klasse T-Modell. Die Ähnlichkeit zur grossen S-Klasse sind mehr als nur da, auf den ersten Blick sind sie kaum voneinander zu unterscheiden! Aber die C-Klasse wirkt stimmiger, weil sie kleiner ist. Weniger protzig, vielleicht ein kleines bisschen weniger elegant, aber vor allem sind die Proportionen perfekt. Während die Front mit dem AMG Optik-Paket sehr böse ausschaut, ist das Heck fast schon süss. Ich glaube, ich habe noch nie eine Limousine mit einem so sanften, geschwungenen Heck gesehen. Keine Kanten, nur sanfte Kurven. Insgesamt wirkt die C-Klasse eher unaufgeregt, sie folgt dem klassischen Limousinen-Design und verkneift sich Coupé-Attitüden. Wie die E-Klasse auch ist sie in zwei Ausstattungsvarianten erhältlich: Als Avantgarde mit grossem Zentralstern (wie getestet) oder als Elegance mit dem Stern, der auf der Haube thront.

Mercedes C-Klasse
Die Front wirkt respekteinflössend.

Im Interieur empfängt einem die neue Handschrift von den Innenraumdesignern. Viele Knöpfe wurden in die Wüste geschickt, nur wenige sind geblieben. Das Comand Online wird über einen grossen Dreh-Drück-Regler bedient, während die Hand angenehm auf dem sogenannten Handschmeichler liegt, der auch als Touchpad dient, worauf man Buchstaben kritzeln kann. Die neue Bedienung ist gelungen, lediglich die Knöpfe auf dem Touchpad liegen zu weit hinten und sind umständlich zu erreichen. Das Comand Online ist ein multimedialer Alleskönner: Navi, Musik, TV (nur im Stand möglich), Browser, Internet-Radio-Station, App Store, digitale Bedienungsanleitung, WLAN-Hotspot. Ich werde in einem separaten Bericht näher darauf eingehen.

Mercedes C-Klasse
Das geschwungene, rundliche Heck lässt die C-Klasse sanft und unschuldig wirken.

Die Verarbeitungsqualität ist immens. Leder, Holz und Aluminium soweit das Auge reicht, die hohe Qualität ist spürbar. Die Ergonomie perfekt, die Sitzposition erstaunlich tief und sportlich, die Sitze selber so bequem, wie Sitze nur sein können. Die massive Mittelkonsole schränkt das Raumgefühl vorne allerdings stark ein. Das Platzangebot im Fond ist gut, auch über dem Kopf hat es genügend Luft, aber Einzelsitze hinten, wie es die E- oder S-Klasse bieten, gibt es in der C-Klasse nicht. Das Kofferraumvolumen ist mit 480 Litern okay, aber nicht besonders üppig. Das T-Modell bietet nur unwesentlich mehr Platz, ein Lastesel ist die C-Klasse eben nicht.

Mercedes C-Klasse
Höchste Verarbeitungsqualität im Innenraum. Durch die massive Mittelkonsole und die tiefe Sitzposition wähnt man sich in einem Sportwagen.

Was die C-Klasse unter der Haube hat, gehört zum Unspektakulärsten, was das Auto zu bieten hat. Unspektakulär deshalb, weil der 2,2-Liter Diesel einfach seine Arbeit erledigt, ohne gross aufzufallen. Bei starker Beschleunigung wird er zwar brummig, ansonsten nagelt er weitgehend unauffällig vor sich hin. Mit seinen 400 Nm Drehmoment ist genügend Kraft vorhanden, um die C-Klasse angemessen zu beschleunigen. Der Motor ist an das 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe gekoppelt, welches ebenfalls unmerklich seine Gänge sortiert, je nach Fahrmodus geschmeidig und weich oder schnell und hart. Allerdings hat das Getriebe die Angewohnheit, an Steigungen zu lange in niedrigen Gängen zu verweilen. Das treibt nicht nur den Verbrauch in die Höhe, auch der Diesel wird akustisch bemerkbar. Eingriffe via Schaltpaddels beheben den Missstand – trotzdem sollte das Getriebe von alleine auf die Idee kommen, rechtzeitig hochzuschalten, vor allem im Comfort-Modus. Bei ebener Strecke funktioniert das schliesslich tadellos.

Mercedes C-Klasse
Der Handschmeichler dient als Handauflage oder als Touchpad.

Während dem Test hat es teilweise stark geschneit, die Strasse hätte genauso gut auch eine Skipiste sein können – perfekte Bedingungen für die heckgetriebene C-Klasse (Allrad erhältlich). Dass der Diesel bereits aus dem Drehzahlkeller 400 Nm an die Hinterräder schickt, hat die Sache auch nicht einfacher gemacht, aber der Benz hat sich auch als Schneepflug wacker geschlagen. Bergauf kam das ESP zwar nicht mehr zur Ruhe, aber irgendwie ging es immer vorwärts.
Da die Strassenverhältnisse praktisch immer schlecht bis sehr schlecht waren, habe ich die Modi Sport und Sport+ kaum benutzen können. Das kleine bisschen, was ich erfahren habe, scheint mir zu sagen, dass die sportlichen Modi nicht so recht zum Auto passen, zumindest nicht zum Dieselmotor. Dessen roter Bereich beginnt zwar erst bei 5000 Umdrehungen, aber er mag es gar nicht, hoch gedreht zu werden, ausserdem wird er dann unangenehm laut. Das Luftfahrwerk kann sich zwar beachtlich versteifen, ohne den Komfort wesentlich zu schmälern, aber sportlich ist die C-Klasse wahrscheinlich nur mit einem Benziner. Als Diesel ist sie viel mehr der gehobene Gleiter, denn das Luftfahrwerk ist erste Sahne, was den Federungskomfort betrifft. Leider ist der Verbrauch mit 6,9 l/100 km trotz höchst winterlichen Verhältnissen zu hoch ausgefallen. Der NEFZ-Verbrauch von 4,5 l/100 hat hohe Erwartungen geweckt, welche nicht erfüllt wurden.

Mercedes C-Klasse
Gutes Platzangebot auch in der zweiten Reihe. Die Kopfstützen wirken jedoch billig und passen nicht in das edle Auto.

Was das autonome Fahren angeht, steckt in der C-Klasse wohl die gesamte zulassungsfähige Technik von Daimler. Die Liste der installierten Assistenzsysteme ist immens, besonders erwähnenswert ist aber, dass die C-Klasse im stockenden Verkehr ganz alleine dem Vordermann folgt, also selber anfährt, bremst und sogar lenkt. Das ganze funktioniert auch ohne Spurlinien. Ebenfalls bewundernswert finde ich, dass die C-Klasse mit aktiviertem Distronic Plus (Abstandstempomat) auf der rechten Spur der Autobahn nicht an Fahrzeugen vorbeifährt, die links fahren, wenn das Tempo über 80 km/h beträgt – die C-Klasse weiss, dass sie nicht rechts überholen darf und hält sich an dieses Verbot. Hätte nie gedacht, dass der Abstandstempomat so weit geht! Nervig ist allerdings, dass die Distronic Plus bei Schneefall aussteigt (verständlich), sich dann aber nicht einmal mehr der normale Tempomat aktivieren lässt. Dass die C-Klasse nicht freihändig steuert oder gar selbstständig die Spur wechselt, wenn der Vordermann langsamer ist als das programmierte Tempo, wäre bloss eine Sache der Software und Steuerungselektronik – schliesslich kann die C-Klasse lenken und weiss dank Tot-Winkel-Warner, ob ein Spurwechsel möglich ist oder nicht. Es sind bloss rechtliche Aspekte, die es noch zu klären gilt.

Mercedes C-Klasse
Mercedes hat das schönste Lichtsystem. Das LED Intelligent Light ist eine Wucht bei Nacht und eine optische Augenweide.

Der Testwagen, der wirklich schön ausgestattet ist und so gut wie keine Wünsche offen lässt, steht mit 87’995 Franken auf der Liste. Der Basispreis von 41’500 Franken ist ein Lockvogel-Angebot. Ich möchte gar nicht wissen, wie so eine C-Klasse in der Basis aussieht. Mercedes lässt sich alles, was schön und gut ist, teuer bezahlen. Ein krasser Vergleich: Der Kia Optima, eine rundum gelungene, solide (und sogar grössere) Limousine kostet 42’900 Franken. Es besteht kein Zweifel, die C-Klasse kann mehr und alles besser, ist edler, und und und. Aber ist sie soviel besser, dass sie mehr als das Doppelte vom Kia kosten darf? Nein. Und wieder einmal reite ich auf dem hohen Preis herum, es gibt ansonsten kaum etwas zu kritisieren. Die Mercedes C-Klasse ist angesichts der High-End-Ausstattung ein fahrendes Ausrufezeichen. Ich frage mich sogar, ob der Abstand zur E-Klasse somit nicht zu klein geworden ist, so gut ist die C-Klasse…

Mercedes C-Klasse
Perfekte Proportionen und das sanfte Heck machen die C-Klasse zur schönsten Limousine im Mercedes Portfolio.

Alltag 4.5 out of 5 stars

Das Platzangebot geht in Ordnung, vor allem hinten. Auch vorne ist es sehr gut, auch wenn die massive Mittelkonsole und die flache Windschutzscheibe das Raumgefühl stark einschränken und mehr an einen Sportwagen erinnern. Die Kofferraumöffnung ist zu klein. Mit all den Assistenzsystemen hilft das Auto dem Fahrer, wo es kann, beim Fahren und Parkieren. Mit Heckantrieb kommt man im Winter den Umständen entsprechend recht gut voran.

Fahrdynamik 3.5 out of 5 stars

Der Dieselmotor hat zwar Kraft und das Getriebe überträgt sie gut und flink, aber es fehlt dem Aggregat an Drehfreude und Temperament. Das Fahrverhalten ist sehr präzise, aber mit dem Dieselmotor ist die C-Klasse mehr Gleiter als Sportler. Mit einem Benziner wäre mehr Fahrdynamik möglich.

Umwelt 4 out of 5 stars

Der NEFZ-Verbrauchswert von 4,5 l/100 km ist sensationell, der Test-Verbrauch von 6,9 Liter eher weniger. Alles in allem eigentlich kein schlechter Wert, aber trotzdem deutlich über dem Versprochenen.

Ausstrahlung 5 out of 5 stars

Die Mercedes C-Klasse schindet mächtig Eindruck. Obwohl es noch zwei Klassen darüber gibt, wirkt sie äusserst edel und auch sehr teuer. Das Design finde ich insgesamt schöner und harmonischer als bei der E- und S-Klasse.

Fazit 4.5 out of 5 stars

+ Erstklassige Verarbeitungsqualität
+ Hoher Federungskomfort
+ Präzises Fahrverhalten
+ Perfekte Ergonomie
+ Sehr bequeme Sportsitze
+ Burmester Sound System klingt bombastisch
+ Schönes Design
+ Teilautonomes Fahren möglich
+ Alle erdenklichen Sicherheitssysteme erhältlich
+ Helles, klares LED-Licht
+ Comand Online als Multimedia-Zentrale

– Rauer Dieselmotor bei starker Beschleunigung
– Automatikgetriebe schaltet bergauf nicht immer optimal
– Sport+ Modus angesichts mangelndem Temperament vom Diesel überflüssig
– Kein Tempomat mehr verfügbar wenn die Distronic Plus aussteigt
– Hoher Preis

Steckbrief

Marke / ModellMercedes-Benz C220 Bluetec
Preis Basis­modell / Testwagen41'500 CHF / 87'995 CHF
AntriebDiesel, Heckantrieb
Hubraum / Zylinder2143 ccm / R4
Getriebe7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe 7G-Tronic Plus
Max. Leistung125 kW bei 3000-4200 r/min
Max. Drehmoment400 Nm bei 1400 - 2800 r/min
Beschleu­nigung 0–100 km/h7,4 s
Vmax233 km/h
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz4,5 l/100 km / 117 g/km / A
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz6,9 l/100 km / 179 g/km / +53%
Länge / Breite / Höhe4,69 m / 1,81 m / 1,44 m
Leergewicht1570 kg
Koffer­raum­volumen480 l

(Bilder: Koray Adigüzel)

4 thoughts on “Mercedes C-Klasse: Künstliche Intelligenz am Steuer”

Deine Meinung hinterlassen