Die neue Mercedes C-Klasse bedient als klassische Limousine oder als Kombi die breite Mittelschicht. Soweit die graue Theorie. Doch Mercedes versteht es, auch einer Stufenheck-Limousine die Ästhetik und Extravaganz zu verleihen, die ein Auto mit dem Stern verdient. Das Design und die Technologie sind die grössten Stärken der C-Klasse. Fragezeichen hinterlässt die neue Generation lediglich puncto Antrieb.
Obwohl das T-Modell zweifelsfrei praktischer ist, sprechen die Bilder meiner Meinung nach für sich: Die Limousine ist die schönere, elegantere Variante. Der gezeigte Testwagen trägt das AMG-Paket und liegt 10 mm tiefer, was für eine satte Strassenlage sorgt. Die Front wirkt durch den breiten Kühlergrill und den Powerdomes sehr schnittig. Apropos Grill: In ihm sind haufenweise kleine Mercedes-Sterne als Designelement integriert! Das etwas aggressivere Erscheinungsbild ist Standard, der klassische Mercedes-Stern als Kühlerfigur hat bei der C-Klasse ausgedient.

Schnörkellose Linien
Die Silhouette wirkt am ehesten noch ganz klassisch, wobei Mercedes auf fliessende Linien ohne Kanten setzt. Aufgrund des rundlichen Hecks wirkt die C-Klasse auch insgesamt optisch etwas kleiner, als sie tatsächlich ist. Am ehesten von ihrem Vorgänger zu unterscheiden ist sie durch die schmalen Rücklichter.

S-Klasse als Vorbild
Das Cockpit ist ganz klar einer der grössten Wow-Effekte. Die Nähe zur S-Klasse ist unübersehbar. Das Widescreen-Cockpit hat bei Mercedes ausgedient, stattdessen prägt ein grosser, vertikaler und leicht zum Fahrer geneigter Touchscreen das Cockpit, haptische Knöpfe findet man fast nirgendwo mehr. Umspannt werden das Armaturenbrett von Echtholz im Nadelstreifen-Anzug-Look sowie Leder.

Die Haptik, das Design und die Verarbeitungsqualität setzen neue Massstäbe in dieser Klasse. Qualitativ und optisch ist dieses Auto ganz weit oben. Der Touchscreen, das MBUX-System, die Online-Dienste sowie die Sprachsteuerung sind ebenfalls technisch top, die Bedienung trotz gewaltigem Funktionsumfang relativ einfach. Einen Haken hat allerdings die Fernsteuerung über das Lenkrad: Die dort eingebauten Touchflächen mit haptischem Feedback sind fummelig und erschweren die Bedienung während der Fahrt unnötig.

Schick, aber kein Raumwunder
Beim Raumangebot kann die neue C-Klasse dann aber lediglich Durchschnittswerte bieten. Das schwungvolle Cockpit hat zur Folge, dass bereits vorne das Raumgefühl eher sportlich tief statt luftig ist. Im Fond sitzt man zwar ebenfalls gut eingebettet und geniesst eine lange Beinauflage, doch ab 1,85 Meter wird es sowohl bei den Knien als auch über dem Kopf knapp. Der Kofferraum ist limousinen-typisch eher eng und unpraktisch für sperrige Gegenstände. Zu loben ist aber einmal die Qualität, da auch im Fond die Materialwahl mit jener im Cockpit mithalten kann.

Die Limousine zum fahren
Die C-Klasse ist konsequent elektrifiziert, das heisst, jeder Antrieb ist als Mild-Hybrid ausgelegt, im Falle des Testwagens ein Zweiliter-Diesel (zum Glück gibt es ihn hier noch) mit Heckantrieb. Eine 9-Gang-Automatik ist Standard, Vierzylinder-Motoren leider auch, aber dazu später mehr. Der Diesel startet dank Riemenstarter-Generator butterweich und die C-Klasse startet im Comfort-Modus.

Die neue C-Klasse bricht dabei etwas mit den Konventionen und ist deutlicher fahraktiver abgestimmt als bisher. Natürlich sind der Fahr- und Federungskomfort im Comfort-Programm weiterhin hoch, aber das weiche Gleiten, welches man womöglich mit Mercedes-Limousinen assoziert, ist hier nicht gegeben. Die Lenkung reagiert sehr direkt, sodass hier wenig Lenkeinsatz sowohl sportlich, als auch komfortabel gesehen werden kann.

Der Dieselmotor ist sehr gut abgeschirmt, sodass sein dezentes Brummen im Innenraum als angenehm empfunden wird. Die Schaltvorgänge sind butterweich, die Start-Stopp-Automatik ebenfalls. Die leichte Mild-Hybrid-Zusatzpower beim Losfahren ist sehr gut spürbar, ein Turboloch exisitert so gut wie nicht mehr. Leider fühlt sich dafür die Bremse weich und undefiniert an, die Bremskraft selber ist davon nicht betroffen. Natürlich ist das Bremsfeeling nicht die Hauptdisziplin einer Limousine, aber dennoch ist so etwas nicht Mercedes-like.

Im Sportprogramm strafft sich der Wagen spürbar. Für eine Nicht-AMG-Limousine fährt die C-Klasse sehr neutral und mit wenig Seitenneigung um Kurven. Das Getriebe mit seinen neun Gängen schaltet auch im Sport-Modus punktgenau, zügige Fahrten spult der C220 d sportlich, aber gleichzeitig sehr souverän und unaufgeregt ab. Als kommode Alltagslimousine passt ein Vierzylinder tiptop, doch ob die kommenden, stärkeren Versionen da nicht an Prestige, Souveränität und auch an Kraftentfaltung Einbussen hinnehmen müssen, wird sich weisen. Ich bin da ehrlich gesagt sehr skeptisch, denn bei Volvo sieht man ganz gut, dass Vierzylinder im gehobenen Preissegment nicht das Gelbe vom Ei sind. Mal abwarten.

Wer zahlt, bekommt’s
Technisch ist die C-Klasse extrem gut ausgerüstet. Zumindest gegen Aufpreis bietet sie beinahe das gesamte technologische Equipment von Mercedes, als da unter anderem wären: Digital Light, Hinterachslenkung bis 4,5°, autonomes parkieren, semi-autonomes fahren auf Autobahnen und Überland, Notbremsung vorne und seitlich sowie aktive Spurhalte und Tot-Winkel-Warner. Nur die ganz feinen Technik- und Komfort-Highlights wie die 10°-Hinterachslenkung, Luftfahrwerk, Nachtsicht-Assistent, AR-HUD oder Hot-Stone-Massage bleiben ihr vorbehalten.

Aber nicht nur die schiere Menge an Assistenz ist zu loben, sondern auch die Funktionsweise: Kein einziger Fehlalarm im Test ist genauso ein Lob wert wie der überaus menschlich agierende Drive Pilot. Wie das Auto im Hintergrund quasi die Steuerung übernimmt und trotzdem nie bestimmerisch wirkt, das ist ganz grosses Kino. Selbst eingefleischte Selbstfahrer und Petrolheads wie ich lernen derart feinfühlige Assistenzsysteme schnell zu schätzen.

Zu guter Letzt beherrscht die Diesel-Mild-Hybrid C-Klasse etwas, was generell nur noch sehr wenige neue Autos schaffen: Fahren, fahren fahren und nochmals fahren ohne tanken. Vollgetankt schafft der C220d locker über 1000 Kilometer. Ermöglicht wird das nicht über einen Riesen-Tank, sondern über einen effizienten Dieselantrieb, der auf auf längeren Autobahnetappen Verbräuche um die 5,5 l/100 km ermöglicht – bei Tempo 130, nicht im LKW-Windschatten. Dank des clever integrierten Mild-Hybrid-Systems steigt der Verbrauch auch abseits der Autobahn nicht gross an.

Kein Aber
Die neue C-Klasse ist kein Auto der Superlative. Doch sie vereint extrem fortschrittliche und gut nutzbare Technologie sowie einen wunderbaren Kompromiss zwischen Komfort und Sportlichkeit in einem dezenten, aber eleganten und modernen Design. Das Cockpit ist ein wahrgewordener Designer-Traum im Edel-Trimm ohne Abstriche bei der Bedienung dank grossem Touchscreen, Online-Diensten sowie der intelligenten Sprachsteuerung. Einzig die Lenkradtasten verfügen über Optimierungsbedarf.

Der Antrieb ist kultiviert, sparsam und auch für spritzige Ausfahrten kräftig genug. Puncto Assistenzsysteme und Usability setzt Mercedes den Benchmark in dieser Klasse. Angesichts der langen Liste an Stärken wirkt selbst der Testwagen-Preis von rund 82’000 Franken halbwegs okay. Dass Mercedes teuer sind, lässt sich nun einmal nicht schönreden. Wer Platz ohne Ende sucht, ist hier an der falschen Adresse, die C-Klasse Limousine baut innen eher sportlich-flach anstatt geräumig. Ansonsten dürfte dieses Auto ziemlich jeden glücklich machen.

Alltag 
Das Raumangebot der C-Klasse ist solider Durchschnitt, nicht mehr und nicht weniger. Dafür bietet sie vorne grosszügige Ablagen und hinten eine gut ausgeformte Rückbank.
Fahrdynamik 
Fahrdynamisch ist die C-Klasse aktiver als ihr Vorgänger. Ihr Handling ist neutral und präzise, die Lenkung sehr direkt. Dank der Mild-Hybrid-Technik geht das Anfahren sehr zackig. Die Bremse ist kräftig, doch das Pedal fühlt sich zu weich und teigig an.
Umwelt 
Als C220 d ist die C-Klasse weder besonders leicht, noch untermotorisiert. Dennoch ist problemlos ein Verbrauch von unter 6 Litern möglich, was ein sehr tiefer Wert ist. Im Test mit sportlichen Passagen lag der Verbrauch bei 6,4 l/100 km.
Ausstrahlung 
Die C-Klasse Limousine ist ein super Mix aus dezenten, eleganten Linien und modernen, schwungvollen Kurven. Kein Hingucker im klassischen Sinne, aber von allen Perspektiven aus betrachtet sehr stimmig.
Fazit 
+ Modernes, elegantes Design
+ Materialqualität und Verarbeitung auf sehr hohem Niveau
+ Erstklassiges Infotainmentsystem mit weitreichenden Online-Diensten und top Sprachassistent
+ Sehr bequeme und vielfältig einstellbare Sitze, tiefe Sitzposition, Massage optional
+ Sehr niedriger Geräuschpegel
+ Kultivierter Dieselantrieb
+ Sehr effizientes Mild-Hybrid-System, tiefer Verbrauch, hohe Reichweite
+ Geschmeidiges und präzises Automatikgetriebe
+ Extrem umfangreiches Assistenzpaket, Assistenzsysteme auf sehr hohem Level
+ Neutrales Handling, direkt ausgelegte Lenkung
+ Sensationelles Digital Light
– Fummelige Knöpfe auf dem Lenkrad
– Überschaubare Grundausstattung, dafür viele und teure Sonderausstattungen
– Mässiges Raumangebot im Fond, Kofferraum für grosse Gegenstände unpraktisch
– Nur noch Vierzylinder-Motoren
– Matschiges Bremsgefühl
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Mercedes-Benz C 220d |
---|---|
Preis Basismodell / Motorisierung / Testwagen | 56 600 CHF / 62 300 CHF / 82 689 CHF |
Hubraum / Zylinder | 1993 ccm / R4 |
Antrieb | Diesel Mild-Hybrid, Heckantrieb |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor |
Getriebe | 9-Gang Automatikgetriebe |
Max. Leistung | 162 kW bei 4200 r/min |
Max. Drehmoment | 440 Nm bei 1800 - 2800 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 7,3 s |
Vmax | 245 km/h |
WLTP-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 6,1 l/100 km / 159 g/km / B |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 6,4 l/100 km / 167 g/km / +5% |
Länge / Breite / Höhe | 4,75 m / 1,82 m / 1,44 m |
Leergewicht | 1904 kg |
Kofferraumvolumen | 455 l |