Leider muss man heutzutage für ein Cabrio fast ausnahmslos bei den teuren Herstellern vorstellig werden. Noch vor einigen Jahren waren Cabrios in verschiedenen Segmenten vertreten, heute sind es vornehmlich teurere Modelle. Eines davon ist das Mercedes CLE Cabrio, das als (vorläufig) stärkste AMG-Variante antritt. Das sportlich-luxuriöse Cabrio verwöhnt auf mehreren Ebenen und lässt kaum Wünsche offen. Lediglich Detailschwächen trüben das Gesamtbild. Und trotzdem: Ein bisschen Wehmut bleibt, wenn man sich diesem Auto widmet.
Ich habe es schon mehrmals erwähnt: Aktuell ist – zumindest für meinen Geschmack – bei weitem nicht alles schön, was derzeit neu auf den Markt kommt. Das Mercedes CLE Cabrio schmeichelt jedoch dem Auge: Schnörkellose Linien, freche Front ohne riesigen oder schräg gestalteten Kühlergrill, normale, nicht komisch geteilte Scheinwerfer und Rücklichter ohne das ach so modische durchgehende Rücklicht. Das Ganze wirkt dann modern und doch irgendwie klassisch. Schön gemacht. Schwarze Zierelemente, die vertikalen Streben im Grill sowie die vierflutige Abgasanlage kennzeichnen die AMG-Version. Die ist ausserdem deutlich breiter als die zivilen Varianten, sodass das Auto präsenter und aggressiver auf der Strasse steht. Eine gewisse Zurückhaltung bleibt allerdings, das Design ist trotz sportlicher Linie mehr von Eleganz gekennzeichnet. Ausserdem: Ein viersitziges Cabrio? Heutzutage eine echte Seltenheit, insofern schön, dass es so etwas noch gibt!

Digitale Coolness – doch etwas fehlt
Auch der Innenraum schöpft beim neumodischen Zeugs nicht aus den Vollen, und das ist als Kompliment zu werten. Durchgehende Displayflächen, Hyperscreens, Beifahrerdisplay – will und braucht das überhaupt irgendjemand? Im CLE befindet sich ein grosser Touchscreen im Hochformat auf der Mittelkonsole, dazu ein ziemlich lieblos eingebettetes Display als Cockpit und ein schön grosses, farbiges HUD – das ist mehr als genug. Das Infotainmentsystem bei Mercedes ist und bleibt grandios, die Sprachsteuerung sowieso, das haben sie echt im Griff. Mittlerweile hat es sogar die Disney+-App ins MBUX-System geschafft, wobei dies bei einem Verbrenner meiner Meinung nach ziemlich obsolet ist. Aber anyway. Leider belässt es Mercedes bei den fummeligen Touchflächen auf dem Lenkrad, anstatt endlich wieder auf echte Knöpfe zu setzen.

Im Dunkeln mit der fantastischen Ambientebeleuchtung ist das Cockpit ein optischer Traum. Bei Tageslicht ist das Ganze nicht minder beeindruckend. Die Verarbeitungsqualität ist sehr hoch, die Materialqualität meistens auch, aber nicht ganz überall. Auch beim Stern wird in tiefen Lagen des Innenraums mässig hochwertiger Kunststoff eingesetzt. Die AMG-Performance-Sitze sind optisch eine Wucht, Sitzkomfort und Seitenhalt sind es ebenfalls. Nur sind die Sitze leider etwas zu hoch montiert. Der grösste Kritikpunkt fällt auf die Sitzverschalung. Billigstes Plastik, unterirdische Verarbeitung und Passungen. Würde ich bei einem Chinesen oder einem Tesla mit einem Augenrollen quittieren, aber bei einem Mercedes? Noch dazu bei einem Modell, das bei weitem kein Einstiegsmodell ist? Geht gar nicht.

Positiv wiederum sind dafür die Platzverhältnisse. Vorne sitzt man Mercedes-typisch stark eingebettet, doch hinten sitzt es sich überraschend gut. Auch der Kofferraum ist gut nutzbar, insofern ist die Alltagstauglichkeit für ein Cabrio überraschend hoch. Hoch ist aber auch der Anteil verschiedener Materialien, womit ich zum letzten Punkt komme. Kunststoff in zwei Farben, Alu, Leder, Carbon-Look und strukturierte Zierelemente wechseln sich ab. Zwar fühlt sich das meiste davon richtig gut an, aber mir ist es etwas zu viel. Mercedes steht doch für Ruhe, Eleganz, Komfort und Qualität – und im Innenraum kommt das Auge nicht zur Ruhe. Kritik auf hohem Niveau – aber der Ruf der Marke ist schliesslich auch hoch.

Automobiler Genuss
Gestartet wird im Comfort-Modus – dank Riemenstartergenerator und Mild-Hybrid-Antrieb butterweich, aber für AMG-Verhältnisse leider auch viel zu dezent. Doch lassen wir das Thema AMG mal aussen vor – der Comfort-Modus macht seinem Namen alle Ehre. Geschmeidiger Federungskomfort, leichtgängige, aber dennoch präzise Lenkung, seidenweicher Antrieb mit gutem Antritt untenrum dank dem erwähnten Mild-Hybrid-Antrieb – das gefällt im Alltag. Was mir ebenfalls positiv aufgefallen ist: Ein sehr niedriger Geräuschpegel und kaum Verwindungsgeräusche. Beides keine Selbstverständlichkeit in einem Cabrio und der Beweis, dass Mercedes halt weiss, wie man so etwas baut. Ebenfalls Lob verdienen die Assistenzsysteme. Sie arbeiten auf dem Niveau, das man von Mercedes erwartet: Sehr ausgereift und fehlerfrei.

Das Open-Air-Feeling lässt sich im CLE Cabrio entweder abgekapselt oder total mittendrin geniessen. Ist das Windschott montiert, der Windabweiser ausgefahren, die Seitenscheiben oden und der Nackenföhn aktiv, kann man auch bei herbstlichen Temperaturen das Cabrio-Fahren geniessen. Und wenn die Temperaturen es zulassen, kann man das einfach alles weglassen – dann ist es überraschend stürmisch im CLE. Natürlich kann man auch irgendetwas dazwischen wählen. Fakt ist, dass durch die Vielzahl an Möglichkeiten die Versuchung, das Dach zu öffnen, grösser ist als bei anderen Cabrios.

Performant, aber emotionslos
Im Sport-Modus wird das Auto deutlich steifer, straffer und angespannter. Und trotzdem: Etwas fehlt. Der Antrieb ist technisch brilliant. Bereits bei tiefen Drehzahlen wird ddank dem Mild-Hybrid-System ordentlich Schub aufgebaut, der sich schnell steigert und von der Mitte bis zum Begrenzer aufrecht erhalten wird, ein kräftiger, gleichmässiger Punch. Das ist zwar effektiv, aber technokratisch und unemotional und zwar aus mehreren Gründen. Erstens: Kein Schubaufbau, kein Drama. Zweitens: Bereits bei 6000 Umdrehungen ist Schluss. Drittens: Der Sound ist auf dem Niveau eines Staubsaugers, trotz Sechszylinder. AMG hat trotzdem den Mut, den Klappenauspuff-Knopf beizubehalten, aber der generiert nur unnötigen künstlichen Sound im Innenraum. Das Auto ist zwar schnell, aber überhaupt nicht mitreissend.

Beim Handling ist es ähnlich. Tendenziell straff im Sport-Modus, mit einem sehr direkten Einlenkverhalten dank der Hinterachslenkung. Auch das Bremsgefühl überzeugt. Und trotzdem: Es bleibt trotz guter Performance distanziert. Absolut neutrales Handling, kein Sperrdifferential, kein zickendes Heck, nichts, was Aufregung ins Auto und Fahrfeeling bringt. Man ist schnell im CLE 53 AMG, aber lacht man auch dabei? Nein.

Für Geniesser, nicht für Petrolheads
Natürlich ist das Cabrio eher ein Genuss-Auto, doch auch das Coupé arbeitet gemäss Recherchen von mir wie das Cabriolet. Für Genussmenschen und Leute, die ein schnelles, performantes Auto suchen, ist der CLE 53 AMG das Richtige. Für Petrolheads und AMG-Fans weniger. Da sind zu wenig Emotionen, zu wenig Wumms, zu wenig Wow. Das Ganze ist sehr technisch und effizient. Wahrscheinlich wird mit diesem Setup sogar die grössere Zielgruppe abgeholt und ein 53er AMG ist ja nicht das Ende der Fahnenstange, da wird in absehbarer Zeit mehr kommen. Das Auto überzeugt mit ganz vielen Attributen: Qualität, Technik, Neutralität, Sicherheit und sogar Effizienz. 9,2 l/100 km Testverbrauch, leicht unter dem WLTP-Verbrauch, sind in einem sportlichen Auto mit entsprechendem Einsatz bemerkenswert! Doch das Thema AMG sowie sämtliches Feeling, dass man damit in Verbindung bringt, kommt zu kurz. Preislich bleibt alles beim Alten: Rund 132’000 Franken für den Testwagen wie gezeigt sind ein stolzer Preis, der das Selbstbewusstsein von Mercedes widerspiegelt.

Alltag 
Kleiner Wendekreis, üppiger Platz für ein Cabrio und Fond-Plätze, auf denen man tatsächlich auch als Erwachsener sitzen kann, sprechen für das Cabrio. Verschiedene Setups für den Fahrtwind und der Allradantrieb machen das Cabrio zum Ganzjahresauto.
Fahrdynamik 
Keine Kritik im objektiven Sinne: Das Auto ist schnell, ein Turboloch ist kaum auszumachen, das Handling neutral und präzise, das Bremsgefühl ausgezeichnet. Doch das Mitreissende, das man von einem AMG erwartet, fehlt komplett.
Umwelt 
9,2 l/100 km Durchschnittsverbrauch mit Winterreifen und teils sportlicher Fahrt sind bemerkenswert. Mercedes scheint den Durst ihrer Mild-Hybrid-Antriebe gut im Griff zu haben.
Ausstrahlung 
Optisch ist das Cabrio ein sehr schönes Auto, das auf zeitlose, sportliche und elegante Linien setzt.
Fazit 
+ Grosszügiges Platzangebot für ein Cabrio
+ Zeitloses, hübsches Design
+ Qualität und Verarbeitung auf sehr hohem Niveau
+ Exzellente Sitze
+ Tolles Infotainmentsystem mit perfekter Sprachsteuerung
+ Zuverlässige Assistenzsysteme
+ Kleiner Wendekreis
+ Relativ niedriger Verbrauch
+ Von kaum Windgefühl bis Sturm ist alles möglich
+ Kräftiger Punch, kein Turboloch
+ Perfektes Bremsgefühl
– Emotionsloser Antrieb und kein fesselndes Fahrfeeling
– Künstlicher Sound im Innenraum (deaktivierbar)
– Hoher Preis, viele und teure Optionen
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
| Marke / Modell | Mercedes-AMG CLE 53 4Matic+ Cabriolet |
|---|---|
| Preis Basismodell / Testwagen | 111 400 CHF / 132 142 CHF |
| Antrieb | Benzin Mild-Hybrid / Allradantrieb |
| Hubraum / Zylinder | 2999 ccm / R6 |
| Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor mit Riemenstartergenerator |
| Getriebe | 9-Gang-Automatikgetriebe |
| Max. Leistung | 330 kW + 17 kW bei 5800 - 6100 r/min |
| Max. Drehmoment | 600 Nm + 205 Nm bei 2200 - 5000 r/min |
| Beschleunigung 0–100 km/h | 4,4 s |
| Vmax | 250 km/h (elektronisch abgeregelt, optional 270 km/h) |
| WLTP-Verbrauch /CO2-Emissionen / Energieeffizienz | 9,3 l/100 km / 213 g/km / G |
| Test-Verbrauch /CO2-Emissionen / Differenz | 9,2 l/100 km / 210 g/km / - 1% |
| Länge / Breite / Höhe | 4,85 m / 1,94 m / 1,43 m |
| Leergewicht (ohne Fahrer) | 2040 kg |
| Kofferraumvolumen | 285 - 410 l |













Bilder: Mercedes-Benz Schweiz