Wintergaudi: Mercedes-AMG GLA 35

Bereit der Test des A35 AMG hat gezeigt, dass es die AMG-Einstiegsmodelle faustdick hinter den Ohren haben. Jetzt tritt also der kleine GLA AMG an. War der erste GLA noch sehr nahe an der A-Klasse, so bietet die Neuauflage nun eine höhere Praktikabilität. Wem die A-Klasse also zu kompakt ist und wer dennoch Freude an der Sportlichkeit hat, kann zum GLA 35 greifen. Eine Rechnung, die aufgeht? Mal sehen.

Optisch macht der Testwagen auf dicke Hose. Auf den ersten Blick meint man mit dem verstrebten Kühlergrill und der matten Lackierung ein richtig grobes Gefährt vor sich zu haben. Erst bei sehr genauem Hinsehen erkennt man den kleinen AMG, aber das tut hier nichts zu Sache. Optisch gefällt der Wagen sehr und wirkt trotz zehn Zentimeter mehr Höhe als beim Vorgänger sportlich und eher wie ein Crossover anstatt wie ein ausgewachsenes SUV.

2020 Mercedes-AMG GLA 35
Der neue GLA ist deutlich höher, aber nicht länger als sein Vorgänger.

Nobles Interieur

Beim Einsteigen fallen als erstes die normalen Sitze auf, die selbst eines Einstiegs-AMG ziemlich unwürdig sind, doch die Aufpreisliste würde da Abhile schaffen. Im Gegensatz zur A-Klasse sitzt man deutlich höher und luftiger, ein klarer Vorteil der hohen Dachlinie. Ansonsten ist das Cockpit mit seiner freistehenden Wide-Screen-Landschaft weitgehend identisch. Besonders schick und nach wie vor einzigartig im Mercedes-Portfolio sind die hübschen Lüftungsdüsen, die vor allem nachts ein echter Eyecatcher sind. Gibt es nur in der Kompaktklasse.

2020 Mercedes-AMG GLA 35
Die höhere Dachlinie sorgt für Raumvorteile und ein luftigeres Gefühl.

Verarbeitung, Haptik und Materialgüte sind auf einem Niveau, das in seiner Klasse Benchmark ist. Ebenfalls Benchmark ist das weitverzweigte MBUX-Infotainmentsystem mit redundanter Bedienung und erstklassiger Sprachsteuerung sowie zahlreichen Online-Diensten. Dass sich der GLA etwas gewandelt hat, spüren vor allem die Fond-Passagiere. Sie profitieren von ausreichender Kopffreiheit und gemütlicher Beinfreiheit. Auch der Kofferraum ist geräumig für diese Klasse. Wer die kuschelige Enge der A-Klasse nicht so mag, findet im GLA den perfekten Ableger.

2020 Mercedes-AMG GLA 35
Das Cockpit ist optisch eine Wucht.

Straffes Grundsetting

Motorstart, es grummelt aus der Auspuffanlage. Standardmässig ist der Comfort-Modus aktiviert und wie schnell klar wird, ist der GLA 35 selbst dann gar nicht so komfortabel. Eine sportliche Grundhärte ist ihm gegeben, obschon er eine Spur milder ist als der A35. Was im Alltag aber eher stört, ist die vergleichsweise schwache Geräuschdämmung. Dass der Motorsound präsent ist, mag erfreulich sein, doch bei höherem Tempo dringen leider auch Wind- und Reifengeräusche deutlich in den Innenraum. Nicht sehr premium-like.

2020 Mercedes-AMG GLA 35
Die Lüftungsdüsen sind ein besonderer Augenschmaus.

Aggressive Art

In den Modi Sport und Sport+ kommt das fahrdynamische Potenzial richtig zur Geltung. Motor und Getriebe agieren viel spontaner und aggressiver. Der Zweiliter ist sehr drehfreudig und klingt obenraus kernig. Trotz des höheren Aufbaus lässt sich der GLA 35 forsch um Kurven drücken, der auf Asphalt sehr neutrale Allradantrieb unterbindet lange ein Untersteuern. Braucht es in einem Kompakt-SUV mehr? Ich finde: nein.

2020 Mercedes-AMG GLA 35
Die fahrdynamischen Lieblingsoptionen können auf das Lenkrad gespeichert werden.

Hecklastiges Wintergaudi

Auf verschneiten Strassen offenbart sich sogar eine ganz neue Dimension des Fahrspasses. Mit ESP Sport kommt der GLA 35 überraschend schnell quer, sodass jede Abzweigung und jede länger gezogene Kurve in einem netten Slide genommen werden kann! Dass das Auto sich auf Schnee so hecklastig verhält überrascht deshalb, da auf Asphalt das Heck nicht mal ansatzweise zuckt. Mit seiner höheren Bodenfreiheit und der drift-willigen Art ist dieser kleine Rabauke das perfekte Auto, um sich auf schlecht gepfadeten Nebenstrassen im Winter so richtig auszutoben!

2020 Mercedes-AMG GLA 35
Die Sitze sind zwar bequem, aber optisch wenig aufregend.

Kein Einsteiger-freundlicher Preis

Doch sobald man sich die Preisliste zu Gemüte führt, vergeht einem das Lachen schnell. Schon das Basismodell kostet knapp 70’000 Franken, der Testwagen ist mit rund 85’000 Franken angeschrieben. Das ist eine unverschämt hohe Summe für ein Kompakt-SUV, die ich eher für den GLA 45 AMG angebracht fände. Obwohl das Gesamtpaket eine sehr gute Note verdient, fehlt diesem Auto ein Alleinstellungsmerkmal, um einen so hohen Preis rechtzufertigen.

2020 Mercedes-AMG GLA 35
Der Wunsch nach mehr bleibt im GLA 35 nicht. Leider ist er überteuert.

Alltag 4 out of 5 stars

Mit hohem Fahrspass-Potenzial und ausreichenden Platzverhältnissen eignet sich der GLA 35 perfekt als Daily Driver für den Enthusiasten. Genügend Ablage-Flächen, genügend Leistung, aber gleichzeitig nicht zu aggressiv – ein stimmiges Package.

Fahrdynamik 4.5 out of 5 stars

Der GLA 35 läuft so gut, dass man ihm trotz eher hohem Gewicht sogar noch etwas mehr Leistung attestieren würde. Schön kurze Gänge, ein drehfreudiger Motor, agiles Handling, gute Rückmeldung. Im Gegensatz zum A35 verfügt er sogar über ein 8-Gang Doppelkupplungsgetriebe anstatt über eines mit sieben Gängen. Er ist zwar etwas softer als der A35, aber das passt zum SUV-Charakter.

Umwelt 3 out of 5 stars

10,5 l/100 km sind selbst für ein sportliches Modell der Kompaktklasse alles andere als ein Ruhmesblatt. Klar bin ich sportlich gefahren, aber der Bordcomputer zeigt, dass auch bei gemächlicher Fahrweise oder Langstrecke kein vernünftiger Verbrauch zu erzielen ist. Schade.

Ausstrahlung 4.5 out of 5 stars

In der Testwagen-Konfiguration ist dem GLA 35 der schicke Auftritt gewiss. In der Klasse der Kompakt-SUVs sicher eher auffällig, vor allem mit dem optionalen Aerodynamik-Paket von AMG, das hier noch gar nicht verbaut ist.

Fazit 4 out of 5 stars

+ Auffälliges, sportliches Design
+ Bequeme, aber optisch wenig aufregende Standardsitze
+ Sehr schicke Ambientebeleuchtung
+ Exzellente Verarbeitung, Haptik und Materialgüte
+ Top Infotainmentsystem mit vielen Online-Diensten
+ Zahlreiche Ablageflächen
+ Flinkes, unauffälliges Getriebe
+ Sonorer Sound
+ Drehfreudiger Motor
+ Grosse Spreizung der Fahrmodi
+ Bemerkenswerte Querdynamik für ein Kompakt-SUV
+ Grosse Auswahl an zuverlässigen Assistenzsystemen
+ Ausgezeichnetes Matrix-Licht
+ ESP dreistufig deaktivierbar

– Spurhalte-Assistent nach jedem Motorstart erneut aktiv, muss im Untermenü deaktiviert werden
– Hoher Verbrauch
– Hoher Preis und teure Optionen
– Recht hohes Gewicht
– Deutliche Wind- und Abrollgeräusche auf der Autobahn

Mängel am Testwagen

– Keine Mängel

Steckbrief

Marke / ModellMercedes-AMG GLA 35 4Matic
Preis Basismodell / Testwagen69 700 CHF / 85 229 CHF
AntriebBenzin, Allradantrieb
Hubraum / Zylinder1991 ccm / R4
Motoranordnung / MotorkonzeptFrontmotor / Turbomotor
Getriebe8-Gang Doppelkupplungsgetriebe
Max. Leistung225 kW bei 5800 r/min
Max. Drehmoment400 Nm bei 3000 - 4000 r/min
Beschleunigung 0 - 100 km/h5,1 s
Vmax250 km/h (elektronisch abgeregelt)
WLTP-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz9,2 l/100 km / 209 g/km / F
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz10,5 l/100 km / 239 g/km / +14%
Länge / Breite / Höhe4,41 m / 1,83 m / 1,59 m
Leergewicht1785 kg
Kofferraumvolumen435 - 1430 l

Bilder: Koray Adigüzel

2 thoughts on “Wintergaudi: Mercedes-AMG GLA 35”

  1. Mein Gesamtverbrauch über 15.000 km beträgt 8,3l/100km!
    Adaptiver Tempomat erfindet Geschwindikkeitsbegrenzungen wie 90 statt 100, wie 100 statt 30 (30er Zone!) ist prinzipiell nicht verlässlich, ja gefährlich, sehr schade! Viele Fehlermeldungen die leider meist fehlerhaft sind! Sehr schade, eigentlich gehört das nicht auf die Straße!

    Reply

Deine Meinung hinterlassen