Weil der persönliche Stil über die eigene Garderobe hinausgeht, bietet Mercedes vom GLC erneut eine schicke Coupé-Version an. Dieses tritt als 400e und somit als PHEV und als vorerst stärkste Motorisierung zum Test an. Das GLC Coupé beruft sich dabei auf klassische Mercedes-Tugenden und bietet einen formidablen Fahrkomfort. Je nach Konfiguration und Motorisierung lässt sich dieser Fokus allerdings auch verschieben. Ohnehin glänzt das SUV-Coupé mit einer Vielzahl an Individualisierungen und Möglichkeiten, sowohl optisch als auch technisch. Wirkliche Schwächen offenbaren sich im Test nicht, allerdings könnte Mercedes bei den Assistenzsystemen gewisse Anpassungen vornehmen.
Das GLC Coupé bietet zwar einen Offroad-Modus an, allerdings ist das Auto eigentlich viel zu schade, um im Dreck zu wühlen – ausserdem bezweifle ich ohnehin, dass mit der serienmässigen Bereifung ein ausgedehnter Ausflug ins Gelände möglich wäre. Stattdessen macht das Auto lieber blitzblank eine gute Figur: Elegante Proportionen und klare Linien lassen das Auto präsent und doch nicht aggressiv wirken. Mercedes verzichtet auf irgendwelche Fake-Lufteinlässe, stattdessen wirkt das Auto sehr clean. Warum die Auspuffblenden jedoch leere Löcher sein müssen, ist mir immer noch ein Rätsel. Einen Hauch Abenteuer versprüht das optionale Trittbrett, welches das Ein- und Aussteigen jedoch mehr behindert, als unterstützt. Das Auto ist zu wenig hoch, als dass ein Trittbrett notwendig wäre. Ausserdem macht es bei der Belastung durch Erwachsene, die nicht über den Körperbau einer zierlichen Dame verfügen, nicht den stabilsten Eindruck.
Nobel, aber eng
Der Innenraum widerspiegelt die geballte Mercedes-Qualität. Feinste Materialien und eine unerschütterliche Verarbeitungsqualität zeigen, was der Massstab in dieser Klasse ist. Ebenfalls hoch im Kurs ist das personalisierbare MBUX-System mit weitreichenden Online-Diensten und der besten Sprachsteuerung auf dem Automarkt. Mittlerweile braucht man dem Aufruf «Hey Mercedes» nicht mehr auf eine Reaktion zu warten, sondern kann direkt sein ganzes Anliegen frei aufsagen – und es funktioniert tadellos.
Etwas weniger tadellos sind die Raumverhältnisse. Mercedes baut gewisse Autos gerne wie Massanzüge und so ist es auch im GLC Coupé. Ergonomie und Sitze sind zwar vorzüglich, aber grosse Bewegungsfreiheit hat man nicht wirklich. Besonders als Beifahrer fühlt man sich zwischen dem massiven Armaturenträger und der gewaltigen Mittelkonsole regelrecht eingemauert. Etwas luftiger ist es im Fond, wobei auch dort die Platzverhältnisse als durchschnittlich abzustempeln sind. Der Kofferraum ist Coupé-typisch nichts für Sperriges und bei den Hybrid-Varianten ist der Ladeboden durch die Batterie deutlich höher.
They see me rollin’
Das GLC Coupé gibt es in zwei Ausprägungen und die beiden Hybride kommen in der Softie-Ausführung. Klingt verweichlicht, ist aber eigentlich genau das, wofür Mercedes steht: Komfort. Bei den Teilzeitstromern ist die Luftfederung nämlich serienmässig verbaut und diese federt absolut erstklassig. Weich, geschmeidig und mit einer sanften Form des Nachwippens wähnt man sich schnell in Abrahams Schoss. Dazu kommt, dass Mercedes es trotz AMG-Ausstattung bei 20-Zoll-Felgen belässt, wodurch auch der Abrollkomfort nicht zu harsch wird. Vervollständigt wird das gemütliche Cruisen durch die sehr effektive Geräuschdämmung. Selbst im Hybrid-Modus mit aktivem Verbrenner hört man im Teillast-Betrieb vom Motor praktisch nichts.
Die üppige 31,2 kWh fassende Batterie sorgt gemäss WLPT für deutlich über 100 Kilometer rein elektrisch Reichweite. Je nach Fahrprofil mag das aufgehen, aber auch im Hybrid-Modus dient der grosse Energiespeicher dazu, dass der Verbrauch auch bei längeren Fahrten im Rahmen bleibt. Schlau ist auch, dass das Auto bei aktivierter Routenplanung die Strecke berücksichtigt und automatisch zwischen Hybrid- und Elektro-Modus wechselt, um möglichst effizient und smart unterwegs zu sein. Auf der Kehrseite der Medaille resultiert in einem Plug-in-Hybrid mit grosser Batterie ein sehr hohes Gewicht: Das GLC Coupé bringt fast 2500 Kilo auf die Waage.
Verhaltene Sportlichkeit
Der ausserordentliche Fahrkomfort hat zur Folge, dass das sportliche Fahren eher weniger die Domäne der Hybrid-GLC-Coupés ist. Die Verbrenner-Varianten wären nämlich mit dem Sportfahrwerk ausgerüstet; beim Hybrid gibt es wie erwähnt das Luftfahrwerk plus Eco-Reifen. Zwar kann sich das Luftfahrwerk im Sport-Modus ziemlich versteifen, dennoch entsteht in schnellen Kurven recht viel Seitenneigung. Entschlossen gegen eine sportliche Fahrweise sind aber die Reifen. Aber auch das enorme Gewicht ist der Sportlichkeit hinderlich, weshalb schnell klar ist, dass das GLC Coupé ein gemütlicher und effizienter Gleiter ist.
Super nützliche und penetrante Assistenzsysteme
Einerseits gehören die Assistenzsysteme bei Mercedes zu den Besten. Der Autobahn-Assistent mit automatischen Spurwechseln bei manuellem Blinken auf der Autobahn fährt zwar etwas defensiv, aber allgemein sehr menschlich. Notbremsassistent und Tot-Winkel-Warner arbeiten dezent und ohne Fehlalarm. Die 360°-Kamera lässt jeden erdenklichen Blickwinkel zu und das Digital-Light ist mit Abstand das präziseste Matrix-Licht weit und breit. Etwas mühsamer ist der Spurhalteassistent, der zu häufig eingreift. Er muss umständlich via Touchscreen deaktiviert werden und das nach jedem Motorstart.
Der Ober-Hammer ist jedoch die Geschwindigkeitswarnung, welche Mercedes bereits ISA-konform implementiert hat. ISA (Intelligent Speed Assist) ist der jüngste Furz der EU und besagt, dass Autos bei Überschreiten des Tempolimits durch den Fahrer intervenieren müssen. Mercedes hat sich diesbezüglich noch für die sanfteste Variante mittels optischer und akustischer Warnung entschieden, gemäss EU wären Eingriffe bis in die Drosselung der Motorleistung erlaubt.
Aber trotzdem: Das Gebimmel und Geblinke (vor allem im HUD) nervt ungemein und während der Warnton über eine Taste am Lenkrad deaktiviert werden kann, muss das Aufblinken noch mühsamer als der Spurhalteassistent in einem Untermenü ausgeschaltet werden. Ich weiss, dass Mercedes nur EU-Richtlinien befolgt, aber wenn man ein kleines bisschen im Internet unterwegs ist, weiss man, dass die beiden genannten Assistenzsysteme die beiden sind, welche von den Meisten als die Mühsamsten genannt werden. Insofern wäre es bestimmt möglich gewesen, eine einfachere Lösung zu implementieren, um ISA und den Spurhalteassistenten zu deaktivieren. Ich hätte da auch einen Vorschlag: «Hey, Mercedes…»
Man muss es sich leisten wollen
Abgesehen von den beiden letztgenannten Assistenten überzeugt das GLC Coupé durch und durch. Man muss sich einfach der Tatsache bewusst sein, dass Mercedes beschlossen hat, noch stärker auf der Luxus-Schiene zu fahren als bisher. Das Auto beweist zwar, dass den Worten des Herstellers Taten folgen, aber das Preisschild spricht ebenfalls eine deutliche Sprache. Der mit üppigen Optionen bestückte Testwagen kostet beinahe 123’000 Franken und damit hat sich das GLC Coupé ein für alle Mal aus der Mittelklasse verabschiedet. Ob das Auto nun den Preis wert ist – diese Frage überlasse ich einzig und allein allen Interessenten.
Alltag
Dass das Mercedes GLC Coupé nicht der Ausbund an Praktikabilität ist, liegt in der Natur der Sache. Aber immerhin bietet das Auto zwei Tonnen Anhängelast sowie einen sehr kleinen Wendekreis dank der optionalen Hinterachslenkung.
Fahrdynamik
Nicht die Kerndisziplin des Coupés, obschon sich die Fahrleistungen sehen lassen können und insbesondere im Sport-Modus das Ansprechverhalten erstklassig ist. Doch das Handling ist eher gelassen als sportlich und die Kombination von Eco-Reifen und hohem Gewicht wirkt sich zusätzlich nachteilig aus.
Umwelt
Angesichts von Gewicht und Leistung ist das Mercedes GLC Coupé effizient unterwegs. Im Test mit regelmässigem Laden wurden am Ende 5,2 l/100 km verbraucht. An den Laborwert von 0,6 l/100 km (!) ist freilich kein Herankommen möglich, sobald man nicht beinahe ausschliesslich elektrisch fährt.
Ausstrahlung
Das schicke SUV-Coupé kann sich definitiv aus jedem Blickwinkel sehen lassen und bietet eine gelungene Mischung aus Eleganz und Sportlichkeit. Auch im AMG-Trimm übt sich das Design eher in Zurückhaltung.
Fazit
+ Elegantes und sportliches Design
+ Beispiellose Verarbeitungsqualität, sehr hochwertige Materialien
+ Sehr bequeme Sitze, top Ergonomie
+ Erstklassiges und anpassbares Infotainmentsystem mit top Online-Diensten und Sprachsteuerung
+ Fantastischer Fahrkomfort
+ Ansprechende Fahrleistungen, ausgezeichnetes Ansprechverhalten
+ Diverse Fahrmodi mit deutlicher Spreizung
+ Sehr niedriger Geräuschpegel im Innenraum
+ Exzellentes Matrix-Licht
+ Zuverlässige und ausgereifte Assistenzsysteme
+ Hohe elektrische Reichweite
– ISA und Spurhalteassistent mühsam zum Deaktivieren
– Hoher Preis, viele und teure Optionen
– Hohes Gewicht
– Unsportliches Handling
– Teilweise ziemlich eng im Innenraum
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Mercedes-Benz GLC Coupé |
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Preis Basismodell / Motorisierung / Testwagen | 72 100 CHF / 91 900 CHF / 122 981 CHF |
Antrieb | Benzin Plug-in-Hybrid / Allradantrieb |
Hubraum / Zylinder | 1999 ccm / R4 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor + Elektromotor |
Getriebe | 9-Gang Automatikgetriebe |
Max. Systemleistung | 280 kW |
Max. Systemdrehmoment | 650 Nm |
Vmax | 239 km/h |
Beschleunigung 0 - 100 km/h | 5,6 s |
Elektrische Reichweite nach WLTP | 119 km |
Batteriekapazität | 31,2 kWh (netto) |
WLTP-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 0,6 l + 22,4 kWh/100 km / 15 g/km / C |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 5,2* l/100 km / 130 g/km / +766% |
Länge / Breite / Höhe | 4,76 m / 1,89 m / 1,60 m |
Leergewicht | 2477 kg |
Kofferraumvolumen | 390 - 1335 l |
*Hoher Testverbrauch: Aufgrund mangelnder privater Lademöglichkeit werden Plug-in-Hybride während des Testzeitraums unregelmässig geladen. Dies resultiert in überdurchschnittlich hohen Verbräuchen.