Der Grad an Perfektion, den Mercedes mit dem GLC Diesel erreicht hat, ist verdammt hoch. Da kann ich nur den Daumen recken. Die Qualität, die Mercedes anbietet, ist unbestritten. Nachdem ich im Verlauf der Jahre bereits mehrere, verschiedene Mercedes-Modelle gefahren bin, habe ich jedes Mal fast schon verzweifelt versucht, einen Kritikpunkt zu finden, der nicht mit dem Preis zusammenhängt – mit einer Ausnahme, der Mercedes B-Klasse Electric Drive, ein wirklich schlechtes Auto, das des Mercedes-Sterns nicht würdig ist. Und nun der GLC Plug-in Hybrid. Der macht es mir in Sachen Kritik erstaunlich einfach. Mir ist klar geworden, dass Mercedes bei aller Perfektion (noch) eine Schwäche hat: Nämlich bei der Elektrifizierung.
Der Mercedes GLC ist, wie bereits erwähnt, ein tolles Auto. Doch alles, was mit seinem teilelektrischen Antrieb zu tun hat, verschlechtert ihn im Vergleich zum Modell mit Dieselmotor. Das fängt sogar schon beim Design an, obwohl der Hybrid auf den ersten Blick genau gleich aussieht. Doch wie Mercedes die Ladeklappe integriert hat, ist echt unterste Schublade: Irgendwo unten an der rechten Flanke, so richtig lustlos im Stil von “dieser doofe Anschluss muss ja auch noch irgendwo hin”. Ich verstehe, dass er nicht hinter dem Stern getarnt werden kann, da dort der Radar für den Abstandstempomat sitzt. Aber wenigstens an einem Kotflügel, damit das ganze aussieht wie ein zweiter Tankdeckel, das kann man erwarten, von Mercedes erst recht.
Das Cockpit ist ebenso unverändert, bis auf ein winziges Detail in den Instrumenten, welches anzeigt, wieviel Power gerade vom Elektromotor abverlangt wird oder wie stark gerade geladen wird. Clever ist, dass die Power-Anzeige über einen roten Bereich verfügt, die anzeigt, wann der Benziner im Hybrid-Modus zugeschaltet wird. So kann man seinen Gasfuss danach richten, wenn man rein elektrisch fahren will – oder aber man erzwingt das elektrische Fahren über den E-Modus, dann wird der Benziner nur via Kickdown zugeschaltet.
Aber dazu später mehr. Über das Mercedes Innenraumdesign muss ich nicht mehr allzu viel sagen. Schmeichelndes Design, edle Materialien und perfekte Verarbeitung; es ist immer wieder ein Genuss, in einem Mercedes Platz nehmen zu dürfen. Doch auch der Innenraum, genau gesagt der Kofferraum, ist vom teilelektrischen Antrieb betroffen. Der Ladeboden ist wegen der Batterie erhöht, was Volumen kostet. Ausserdem muss das Gepäck höher gehievt werden.
Der unschön platzierte Ladeanschluss und der erhöhte Ladeboden wären an und für sich Details, über die man hinwegsehen könnte – wenn der Antrieb denn gut und lohnenswert wäre. Doch er ist es nicht. Mercedes hat einen Denkfehler gemacht, was die Nutzung des Autos betrifft. Mir ist bewusst, dass ich mit meinen rund 90 Kilometern Arbeitsweg kein Massstab bin, aber die 34 Kilometer, die der Benz gemäss NEFZ im E-Modus schaffen soll, sind schon arg wenig. Das Problem ist die relativ kleine Batterie mit einer Kapazität von 8,7 kWh. Zum Vergleich: Ein ca. 350 Kilo leichterer VW Golf GTE verfügt über eine 8,8 kWh Batterie und schafft entsprechend auch 16 Kilometer mehr im E-Modus.
Kommen nun noch kalte Temperaturen dazu, ist nach nur etwa 23 Kilometer fertig mit stromern. Dann muss der Zweiliter-Benziner alleine mit den zwei Tonnen Gewicht zurechtkommen. Untermotorisiert ist man zwar auch mit leerem Akku nicht, aber die 8,8 l/100 km, die der Motor dann im Schnitt verbraucht, sind einfach zu viel. Gemäss Bordcomputer bin ich während des gesamten Tests zu immerhin 29 % elektrisch gefahren. Damit sich dieses Auto jedoch lohnt, sollte man mindestens die Hälfte der Distanz jeweils elektrisch bewältigen können.
Weiter kommt dazu, dass der Plug-in Hybrid im Gegensatz zu allen anderen Motorisierungen mit einer 7-Gang-Automatik anstatt mit der perfekten 9-Gang-Automatik auskommen muss. Gemäss Mercedes kann der Plug-in Hybrid die grössere Gangspreizung mit seinem elektrischen Zusatzantrieb ausgleichen. Das mag stimmen und auch mit sieben Gängen ist das Drehzahlniveau mit 2200 Umdrehungen auf der Autobahn für einen Benziner ziemlich tief. Doch der Plug-in Hybrid fährt sich einfach nicht so geschmeidig wie der Diesel. Die Gangwechsel sind besser spürbar und gelegentlich ist sogar ein Ruckler durchs Auto gegangen, als sich der Benziner zugeschaltet hat. Das sollte in einem Mercedes einfach nicht passieren.
Ich merke immer wieder, dass Erfahrung sich auszahlt. Die Assistenzsysteme in einem Mercedes arbeiten perfekt, weil Mercedes sich schon lange mit diesen Systemen auseinandersetzt. In einem Toyota oder Lexus funktioniert hingegen der Hybridantrieb perfekt. Ja, das stufenlose Getriebe nervt zuweilen, aber das Zusammenspiel der beiden Motoren verläuft so harmonisch, dass man rein gar nichts mehr spürt. Auch wenn der Antrieb im Mercedes diesbezüglich keinesfalls schlecht ist, so spürt man trotzdem, dass man in Deutschland bei der Hybridisierung noch nicht die Perfektion erreicht, wie in Japan.
Mit einem Basispreis von 58’500 Franken ist der 235 kW starke Hybrid zwar fair, denn ein 180 kW Benziner kostet 59’400 Franken und ein 190 kW Diesel sogar 64’400 Franken. Natürlich spielt der schön ausgestattete Testwagen mit 92’817 Franken in einer anderen Preisliga, aber das ist bei Mercedes ja nichts Neues mehr. Trotzdem rate ich vom Hybrid ab. Er ist es nicht wert. Der GLC an sich ist ein super Auto: Geräumig, komfortabel, für ein SUV recht sportlich und technologisch weit fortgeschritten.
Doch der Plug-in Hybrid ist nicht der richtige Antrieb für dieses Auto. Der Fahrkomfort ist nicht auf demselben hohen Niveau wie mit konventionellem Antrieb, ausserdem ist die elektrische Reichweite knapp. Ist der Akku leer, verbraucht der Benziner aufgrund des hohen Gewichts deutlich zu viel. Darüber hinaus kommt noch dazu, dass der Benziner rau läuft, es könnte bei niedrigen Drehzahlen genauso gut ein ruhiger Diesel sein. Von einem sportlichen Klang ist der Motor meilenweit entfernt. Mercedes baut zwar hervorragende Autos, aber bei der Elektrifizierung herrscht in Stuttgart offensichtlich noch ein Defizit.
Alltag
Abgesehen von der Stufe im Kofferraum ist der Hybrid genauso praktisch und geräumig wie seine konventionellen Brüder. Die Assistenzsysteme, die teilautonomes Fahren ermöglichen, sind immer wieder verblüffend und man mag sie nicht mehr missen, nachdem man sie erlebt hat. Die elektrische Reichweite ist allerdings knapp. Ist der Akku leer, steigt der Verbrauch rapide an. Ein Piepsgeräusch, welches beim Starten Fahrbereitschaft signalisiert, wäre ausserdem wünschenswert. Denn der Hybrid springt geräuschlos an und man weiss nicht genau, ab wann er bereit ist.
Fahrdynamik
Für ein SUV ist sein Handling direkt und präzise. Die Lenkung spricht zackig an, die Bremsen sind standfest. Ist der Akku nicht leer, geht es, wie bei Plug-in Hybriden üblich, stürmisch vorwärts, wenn beide Motoren gemeinsame Sache machen. Ohne Strom ist schon deutlich weniger Schub vorhanden, ausserdem ist das Zusatzgewicht von 200 Kilo durch die elektrischen Komponenten inklusive Batterie spürbar.
Umwelt
Ein Plug-in Hybrid soll ein fortschrittliches Auto sein, doch der Verbrauch von 8,8 l/100 km ist es nicht. Nur wer sehr viel elektrisch fährt, profitiert von diesem Auto. Doch da die Reichweite gering ist, macht es Mercedes einem schwierig, möglichst viel elektrisch zu fahren – und so vom Auto zu profitieren.
Ausstrahlung
Der GLC ist, wie alle Mercedes, ein adrettes Auto. Der Ladestecker am Heck wirkt allerdings etwas gar lieblos, wie ein notwendiges Übel.
Fazit
+ Schönes Design
+ Geräumiger Innenraum
+ Perfekte Verarbeitung, edle Materialien
+ Direkte und präzise Lenkung
+ Perfekte Assistenzsysteme
+ Komfortables Luftfahrwerk
+ Ordentlicher Durchzug
+ Sehr leise dank ausgeklügelter Aerodynamik
+ Exzellente Ergonomie
– Geringe elektrische Reichweite
– Hoher Verbrauch
– Gelegentliche Ruckler
– Benziner mit rauem Lauf
– Fahrkomfort nicht auf dem Niveau wie mit Verbrenner
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Mercedes-Benz GLC Plug-in Hybrid |
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Preis Basismodell / Testwagen | 58 500 CHF / 92 817 CHF |
Antrieb | Benzin Plug-in Hybrid / Allradantrieb |
Akkukapazität | 8,7 kWh |
Hubraum / Zylinder | 1991 ccm / R4 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Front-Benzinmotor, Front-Elektromotor / Turbo- und Elektromotor |
Getriebe | 7-Gang Automatikgetriebe |
Max. Leistung E-Motor / Benziner / Systemleistung | 85 kW / 155 kW / 235 kW |
Systemdrehmoment | 560 Nm |
Beschleunigung 0–100 km/h | 5,9 s |
Vmax | 235 km/h (135 km/h im E-Modus) |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 2,7 l/100 km / 64 g/km / A |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 8,8 l/100 km / 209 g/km / +226% |
NEFZ-Reichweite im E-Modus | 34 km |
Test-Reichweite im E-Modus | Ø 23 km, max. 27 km |
Länge / Breite / Höhe | 4,66 m / 1,89 m / 1,64 m |
Leergewicht | 2025 kg |
Kofferraumvolumen | 395 - 1445 l |
Bilder: Koray Adigüzel