Ich vermenschliche Autos gerne. Darum, wäre der Mini Cooper Countryman ein Typ, er würde schick und hip gekleidet in einer angesagten Zürcher Bar einen Kaffee trinken, anschliessend den Mund sorgfältig mit einer Stoffserviette abtupfen und die Zigarette oder gar Zigarre danach qualmen. Er würde es geniessen, Teil des Geschehens um ihn herum zu sein. Dass ich auf diese Charakterisierung komme, stammt nicht von Ungefähr. Viel mehr kann ein Auto gar nicht auf Lifestyle getrimmt sein. Dabei bleibt der Countryman seinen Markenwerten treu, nimmt sich selber nicht immer ganz ernst und macht in erster Linie viel Spass. Das eine oder andere Stirnrunzeln bereitet er bei genauem Hinsehen trotzdem.
Lustig wird es mit dem Countryman bereits, wenn man ihn zu kategorisieren versucht. Wie die allgemeinen Zahlen zeigen, kann die Menschheit anscheinend nicht mehr ohne SUVs überleben und zur Zeit vermehrt sich diese Fahrzeuggattung wie die Karnickel. So bringt der Countryman mit der robusten sowie maskulinen Optik, dem erhöhten Aufbau und dem Unterfahrschutz so ziemlich alle Elemente mit, die es für ein waschechtes SUV braucht, nur – von einem SUV ist seitens Mini nicht mal ansatzweise etwas zu hören oder lesen. Ein spannender Ansatz, wie ich finde. Anstatt in die Welt zu brüllen, dass ein neues SUV die Strassen erobert, lässt man das Auto einfach für sich sprechen.
Doch der Spass ist noch lange nicht vorbei, im Gegenteil, es fängt erst richtig an. Dass der Countryman diverse Möglichkeiten zur Individualisierung bietet und mit farblich abgesetztem Dach vorfährt, gehört in diesem Segment ja schon fast zum guten Ton. Eine Art Picknick-Decke für die Ladekante, um im Freien mal eine Pause einzulegen, das ist neu. Wie oft man davon tatsächlich Gebrauch macht, steht auf einem anderen Blatt, aber mangelnde Kreativität kann man Mini nicht vorwerfen!
Auch im Interieur macht der Countryman einen auf guten Kumpel und zwinkert einem beim Einsteigen frech zu. Die nachts illuminierten Zierleisten, die überall verteilten Kippschalter und die witzigen Animationen des Infotainmentsystems bringen ebenfalls einen Schuss Coolness ins Auto. Dennoch spürt man, dass Mini zu BMW gehört. Edle und bequeme Sitze, perfekte Ergonomie und eine durchgängig sehr hohe Verarbeitungsqualität unterstreichen den Anspruch, Premium zu sein. Das sorgt aber dafür, dass das Plexiglas-HUD und vor allem die fehlende Smartphone-Integration als Minuspunkte hervorstechen wie der sprichwörtliche Käfer auf dem weissen Bettlaken. Hier war man nicht bis zum Ende konsequent genug.
Wieder typisch Mini ist der «Country Timer». Er registriert Fahrten auf Wegen abseits der asphaltierten Strassen. Art und Ausmass der fahrerischen Herausforderung werden erfasst und grafisch auf dem Touchscreen dargestellt. Ziel ist es, durch anspruchsvolle Fahrten zum «Cliff Champ» zu mutieren – es handelt sich also um ein Minigame im Auto. Das Ganze ist so absurd, dass es schon wieder witzig ist! Wer will seinen Countryman schon durch anspruchsvolles Gelände quälen?
Zu Hause ist das Auto auf der Strasse, auch wenn sich da eine kleine Enttäuschung bei mir breit gemacht hat. Auch wenn Mini mit einer sehr direkten Lenkung, einem schön gespreizten Adaptivfahrwerk und einer feinen 8-Gang-Automatik dem Countryman genau das Richtige mit auf den Weg gibt, so kämpft der Countryman mit einem buchstäblich fetten Problem: Mit 1700 Kilo Leergewicht ist meiner Meinung nach für einen Mini einfach eine Grenze überschritten.
Ob man den Countryman nun als sportlich einstufen soll, hängt von der Herangehensweise ab. Wer einfach nur das Cooper S im Namen sieht und denkt, dass sich der grösste Mini so quirlig fährt wie der kleine Dreitürer, der wird gehörig auf die Welt kommen. Wer den Countryman hingegen daran misst, was sonst so in diesem Segment herumfährt, dürfte seine helle Freude am aufgeweckten Briten haben. Es ist alles eine Frage der Perspektive.
Mit einem Gokart hat der neue Countryman kaum noch was gemeinsam. Opfert hier Mini etwa Markenwerte zu Gunsten eines grösseren Platzangebotes und mehr Assistenz im Auto? Ich sage nein. Ein Porsche Cayenne will genauso wenig Sportwagen sein wie der Countryman Gokart. Es geht darum, im Segment besser als der Rest zu sein. Und wenn man die aus sportlicher Sicht eher wenig aufregenden SUVs in der Grössenordnung von 4,30 Meter betrachtet, dann fährt der Mini schon auf sehr hohem Niveau, zumal es auch noch den John Cooper Works für die Hartgesottenen gibt. Ausserdem ist der Countryman wohl mit Abstand der grösste Spitzbube im Segment. Mit einem Preis von 60’480 Franken für den Testwagen reiht er sich dafür auch preislich sehr weit oben ein. Ob er das wert ist? Alles eine Frage der Perspektive.
Alltag
Der Countryman bietet Qualitäten, die man bislang gar nicht mit Mini in Verbindung gebracht hätte. Doch mit der verschiebbaren Rückbank und dem hohen Aufbau bietet er erstaunlich viel Platz.
Fahrdynamik
Präzises Handling und eine feine Automatik sorgen beim sportlichen Fahren für Fahrspass. Allerdings leidet das Gesamtpaket unter dem hohen Gewicht.
Umwelt
Mit einem Testverbrauch von 9,1 l/100 km ohne sportliche Exzesse hat der Countryman bewiesen, dass er sehr trinkfest ist. Das ist für seine Liga einfach zu viel.
Ausstrahlung
Mit farbigen Akzenten, viel Individualisierung und einer unverwechselbaren Silhouette setzt der Countryman optisch ein klares Zeichen.
Fazit
+ Cooles Design
+ Sehr gute Übersicht
+ Klasse Sportsitze, beste Ergonomie
+ Edle Materialien, feinste Verarbeitung
+ Perfekt schaltendes Automatikgetriebe
+ Präzise Lenkung mit guter Rückmeldung
+ Adaptives Fahrwerk mit guter Spreizung
+ Diverse Assistenzsysteme erhältlich
+ Gute Platzverhältnisse, verschiebbare Rückbank
+ Viele Individualisierungsoptionen
– Hohes Gewicht
– Hoher Verbrauch
– Hohe Preisgestaltung
– Keine Smartphone-Integration möglich
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Mini Cooper S Countryman All4 |
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Preis Basismodell / Testwagen | 38 400 CHF / 60 480 CHF |
Antrieb | Benzin, Allradantrieb |
Hubraum / Zylinder | 1998 ccm / R4 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor |
Getriebe | 8-Gang Automatik |
Max. Leistung | 141 kW bei 5000 - 6000 r/min |
Max. Drehmoment | 280 Nm bei 1350 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 7,2 s |
Vmax | 222 km/h |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 6,6 l/100 km / 150 g/km / F |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 9,1 l/100 km / 207 g/km / +38% |
Länge / Breite / Höhe | 4,30 m / 1,82 m / 1,56 m |
Leergewicht | 1700 kg |
Kofferraumvolumen | 450 - 1390 l |
Bilder: Koray Adigüzel