Bei Mini geht es bekanntlich nicht immer so ernst zu und her. Doch beim Clubman wurden die Briten tatsächlich seriös und spendierten der zweiten und aktuellen Generation unabhängige Fondtüren. Auch das Design wurde im Vergleich zur ersten Generation stark modernisiert, sodass der Clubman zwar nach wie vor einzigartig, aber nicht mehr komisch wirkt. Aber, moment mal. Seriös? Jein, denn hier steht der Clubman als JCW und der fährt seit dem Facelift im vergangenen Jahr mit dem neuen Zweiliter-Motor, der auch den neuen M135i antreibt. Ein echter Kraftprotz also. Wieviel Mini steckt noch im Clubman? Und wie alltagstauglich ist der eigenartige Kombi wirklich?
Erstaunlicherweise verkniffen sich die Designer beim aktuellen Clubman grosse Experimente. Die Front unterscheidet sich kaum von einem normalen Mini Cooper JCW. Die gestreckte Silhouette mit der kleinen Frontscheibe ist ebenfalls typisch Mini, genau wie die ausgeprägten Kotflügel. Hinten wird es dafür richtig interessant und damit sind nicht die neuen Union Jack Rücklichter gemeint. Eine Heckklappe sucht man hier vergebens, stattdessen öffnen sich die Türen gegenläufig wie bei einem Lieferwagen! Mit diesem Konzept steht der Clubman nach wie vor alleine da.

Untypische Stärken
Das Cockpit verströmt das typisch verspielte Mini Flair. Hinter dem Lenkrad befinden sich Instrumente im Retro-Stil, ein HUD in der Budget-Variante mit Plexiglas-Scheibe ist optional. Das Infotainmentsystem wird von einem LED-Schweif verziert, der für verschiedene Animationen, unter anderem als Drehzahlmesser, genutzt werden kann. Sportsitze aus hochwertigem Leder, ein paar Kippschalter sowie eine top Verarbeitungsqualität runden das Ambiente ab.

Normalerweise ist ein Mini nicht unbedingt das praktischste Auto. Der Clubman vermag jedoch zu überraschen. Das beginnt mit den riesigen Ablageflächen in den Vordertüren. Weiter geht’s mit einer sensationellen Rundumsicht, die man heute nur noch selten findet. Brillieren kann der Brite mit dem Platzangebot im Fond. Trotz kompakter Länge sitzen auch grosse Personen sehr bequem. Leider ist dafür der Kofferraum unpraktisch gestaltet. Warum er die Form einer Wanne haben muss, ist mir ein Rätsel.

Aufgewecktes Kerlchen
Motorstart via Kippschalter und der neue Zweiliter-Turbomotor meldet sich grummelnd zum Dienst. Leider ist der JCW Clubman ausschliesslich als Automat erhältlich, aber was soll’s. Die JCW-Gene sind schnell spürbar. Das Fahrwerk ist eindeutig auf der harten Seite, die Lenkung verlangt ebenfalls nach einer zupackenden Hand, reagiert aber sehr direkt. Gleiches gilt für das Bremsgefühl. Am deutlichsten wird die Sportlichkeit aber beim etwas rassigeren Fahren!

Während viele Konkurrenten erst im Sportmodus aus dem Dornröschenschlaf erwachen, ist der Clubman stets hellwach. Bereits mässiges Beschleunigen quittiert er mit Runterschalten, bei etwas stärkerem Beschleunigen geht es gerne auch mal zwei Gänge runter! Schliesslich muss man irgendwie vorwärts kommen. Nichtsdestotrotz wird der grosse Mini nicht nervös, sondern sortiert seine Gänge souverän und gibt seine Power gut dosierbar ab. Er fordert den Fahrer aber gerne dazu auf, doch mal etwas mehr Gas zu geben!

Viel Power, aber viel Gewicht
Richtig amüsant wird das Ganze im Sportmodus. Munter röhrt der Zweiliter dann beim Beschleunigen und reagiert sehr feinfühlig aufs Gas, verkneift sich aber Fehlzündungen, wie es früher bei Mini üblich war. Dank des sehr straffen Fahrwerks und der präzise arbeitenden Lenkung kann man den Mini rabiat um Kurven scheuchen. Zusätzliche Stabilität bieten nicht nur der Allradantrieb, sondern auch das Sperrdifferenzial an der Vorderachse. Vor allem langgezogenen Kurven durchläuft der Clubman so wie auf den sprichwörtlichen Schienen.

Die Kehrseite ist dafür das Gewicht von 1680 Kilo, was den JCW Clubman zu einen richtigen Wonneproppen macht. Da das Gewicht ziemlich ungünstig, sprich sehr frontlastig verteilt ist, kann selbst der Allradantrieb nicht verhindern, dass bei zu starkem Beschleunigen aus Kurven der Wagen über die Vorderräder rutscht. Auch enge Kurven auf Passstrassen können nicht mit einer Vehemenz durchfahren werden, wie es leichtere Hot Hatches auf die Reihe kriegen. Wirklich Mini-like ist das leider nicht mehr.

Bitte recht viel Sonnenschein
Somit ist der stärkste Clubman ein Alltagsauto, das einen dazu einlädt, gelegentlich den einen oder anderen Umweg zu fahren. Das straffe Fahrwerk muss man bei normalen Fahrten allerdings mögen. Was jedoch gar nicht geht ist der Abstandsradar, der mittels Kamera statt Radar arbeitet. Das führt dazu, dass er seinen Dienst bereits bei leichtem Regen oder in Tunneln quittiert. Das ist nervig und passt gar nicht zum Premium-Anspruch, mit dem Mini gerne wirbt.

Ganz und gar Premium ist dafür der Preis. Satte 68’000 Franken verlangen die Briten für den Testwagen. Damit setzt sich der Clubman in seiner Grösse- und Leistungsklasse gleich mal an die Spitze. Zwar ist sein Türkonzept einzigartig, es verschafft ihm allerdings keine einzigartigen Vorteile. Auch fahrdynamisch kann er sich nicht von bekannten Grössen im Segment absetzen. Was bleiben sind sein quirliges Wesen, ein hoher Grad an Personalisierung und eine grosse Portion Charme. Ob das reicht, um nicht nur Fans für sich zu gewinnen?

Alltag 
Mit einem richtigen Kombi ist der Clubman nicht zu vergleichen. Doch die Platzverhältnisse sind auf allen Plätzen im Verhältnis zur Grösse grosszügig und die Türablagen sind ebenfalls gut dimensioniert. Allerdings ist die Wanne im Kofferraum sehr unpraktisch.
Fahrdynamik 
Der Motor hat ordentlich Druck, harmoniert bestens mit dem Getriebe und tönt auch schön kernig. Allerdings schlägt sich der Allradantrieb auf das Gewicht nieder, was die hohe Leistung etwas relativiert. Durch das harte Fahrwerk ist der Mini lange stabil, hat aber dennoch eine vorhandene Untersteuertendenz.
Umwelt 
Alles eine Frage des Fahrstils. Verbräuche von 7 bis 7,5 Liter sind genauso möglich wie über 10 Liter. Doch selbst wer hin und wieder sprtlich fährt, bleibt in der Nähe der Werksangabe. Im Test waren es 8,8 l/100 km.
Ausstrahlung 
Mit den Lieferwagen-ähnlichen Hecktüren ist und bleibt der Clubman ein Eyecatcher. Das typische Mini-Design passt gut zum Mini-Kombi, da der Wagen nicht aufgeblasen wirkt. Passt!
Fazit 
+ Modernes Retro-Design mit grossem Gestaltungsspielraum
+ Bequeme Sportsitze vorne, einwandfreie Ergonomie
+ Im Verhältnis zur Grösse gutes Platzangebot
+ Hochwertige Materialien, top Verarbeitung
+ Fahrmodi mit grosser Spreizung
+ Knackiges Handling, hartes Fahrwerk
+ Spitz reagierende Lenkung mit gutem Feedback
+ Turbomotor mit viel Druck im Keller und mittlerem Drehzahlbereich
+ Kerniger Sound, allerdings ohne Bollern und Sportzeln
+ Top Automatikgetriebe
+ Zuverlässiges Matrix-LED-Licht
– Hoher Preis
– Hohes Gewicht
– Sensibler Schönwetter-Tempomat
– Unpraktisch geformter Kofferraum
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Mini JCW Clubman All4 |
---|---|
Preis Basismodell / Testwagen | 52 700 CHF / 68 480 CHF |
Antrieb | Benzin, Allradantrieb |
Hubraum / Zylinder | 1998 ccm/ R4 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor |
Getriebe | 8-Gang Automatikgetriebe |
Max. Leistung | 225 kW bei 5000 - 6250 r/min |
Max. Drehmoment | 450 Nm bei 1750 - 4500 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 4,9 s |
Vmax | 248 km/h |
WLTP-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 8,6 l/100 km / 194 g/km / F |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 8,8 l/100 km / 196 g/km / +2% |
Länge / Breite / Höhe | 4,27 m / 1,80 m / 1,44 m |
Leergewicht | 1687 kg |
Kofferraumvolumen | 360 - 1250 l |
Bilder: Koray Adigüzel