Nissan Ariya: Spät, aber gut

Mit dem Nissan Leaf haben die Japaner bereits anno 2010 Pionierarbeit geleistet. Der Kompaktwagen ging dann auch in die zweite Runde, anschliessend war es aber lange ruhig um neue Elektromodelle von Nissan. Jetzt ist der Ariya am Start, der im Gegensatz zum Leaf aber kein Trendsetter mehr ist, sondern sich gegen starke Konkurrenz behaupten muss. Wie sich zeigt, hat sich das Warten auf den Ariya gelohnt. Das SUV vermag auf vielen Ebenen zu überzeugen, allerdings hat mittlerweile auch Nissan selbstbewusste Preise.

Die nächste Generation von Elektroauto symbolisiert Nissan auch optisch deutlich. Der Ariya ist ungefähr so gross wie ein X-Trail, ist aber deutlich flacher und rundlicher gezeichnet. Ein modernes SUV, optimiert für die Strasse und grösstmögliche Effizienz. Etwaige Offroad-Fähigkeiten sind dem Stromer fremd. Mit seinem angedeuteten Kühlergrill, den schwarzen Designakzenten sowie den grossen Rädern verschafft sich der Ariya eine starke Präsenz und hebt sich sowohl gegenüber anderen Nissan-Modellen, als auch der Konkurrenz ab.

2022 Nissan Ariya
Die 20-Zoll-Räder kosten Aufpreis.

Flexibler Innenraum

Das Aussendesign vermag zu gefallen, die grosse Überraschung hält der Ariya aber im Interieur bereit: Der Testwagen zeigt sich mit dem blauen Nappaleder sowie der grossflächigen Holzverkleidung von seiner besten Seite. Das gesamte Cockpit ist sehr schlicht, physische Knöpfe sind praktisch keine vorhanden. Stattdessen werden die Klimaanlage sowie Fahrmodi und Rekuperation über Sensortasten bedient, welche haptisches Feedback geben und erst nach dem Einschalten des Autos sichtbar werden. Das Cockpit selber besteht aus zwei Widescreen-Displays, welche optisch als eine Einheit auftreten und das Armaturenbrett krönen. Sieht sehr schick aus und wird durch hochwertige Materialien abgerundet. Definitiv der schönste Nissan-Innenraum der Neuzeit!

2022 Nissan Ariya
Das sehr luftige Cockpit ist hochwertig vermacht.

Der Innenraum vom Ariya ist nicht nur stylisch, sondern auch ausgesprochen praktisch. Per Knopfdruck fährt unterhalb der Klima-Sensortasten ein verstecktes und sehr grosses Ablagefach heraus. Mittels eines Handgriffes wird daraus zudem ein kleiner Tisch. Die gesamte Mittelkonsole ist ebenfalls per Knopfdruck verschiebbar. So kann der Innenraum vorne während einer Ladepause beispielsweise in einen sehr luftigen Raum verwandelt werden. Apropos luftig: Den Fondpassagieren steht überdurchschnittlich viel Platz zur Verfügung. Allerdings ist den Japanern ein ungewöhnlicher Patzer unterlaufen: Die Armlehnen in den Türen befinden sich generell zu tief. Eine solche ergonomische Fehlpositionierung ist mir bis dato noch nie untergekommen… Der Kofferraum verfügt über einen doppelten Boden und kann zudem unterteilt werden, sodass bei halber Beladung der Inhalt nicht ständig hin und her fliegt. Unter diesen Umständen vermisst niemand den fehlenden Frunk.

2022 Nissan Ariya
Ein optisches Highlight: Die Klimabedienung, die nur sichtbar ist, wenn das Auto eingeschaltet ist.

Komfortabel und gelassen

Der Testwagen ist mit Frontantrieb ausgerüstet, eine Allradvariante steht ebenfalls zur Verfügung und eine Performance-Variante in den Startlöchern. Im Falle des Testwagen sorgt ein 178 kW und 300 Nm starker Elektromotor für Vortrieb. Dass dieser angesichts des Gewichts von knapp 2,2 Tonnen nicht sehr dominant ausfällt, versteht sich von selber. Dazu kommt, dass der Ariya seine Leistung im Normal-Modus nur schrittweise freigibt, wie am Powermeter schön zu beobachten ist. Nur im Sport-Modus kommt die volle Kraft aufs mal, aber auch dann fühlt sich der Schub ab etwa 80 km/h eher verhalten an.

2022 Nissan Ariya
Die heiz- und kühlbaren Sitze in Blau sehen super aus und sind auch sehr bequem.

Damit erzieht der Japaner automatisch zu einem gelassenen und ruhig Fahrstil, welcher dem Auto auch viel mehr entspricht. Der Sport-Modus ist vernachlässigbar, da der Fahrkomfort komplett über dem Handling steht. Dafür ist der Ariya ausgesprochen leise und federt trotz 20-Zoll-Rädern weich und geschmeidig. Die Rekuperation ist nicht gross justierbar: Entweder der Wagen verhält sich im Schubbetrieb wie ein Verbrenner und verzögert nur ganz schwach oder man steuert das Auto via One-Pedal-Driving. Ist Letzteres aktiviert, bringt man das Auto ohne Bremsbetätigung bis zum Stillstand. Apropos Stillstand: Die induktive Ladefläche für Smartphones unterhalb der Mittelarmlehne ist eine Fehlkonstruktion: Bei einer Notbremsung fliegt das Handy nämlich aus der vorgesehenen Ablagefläche.

2022 Nissan Ariya
Die Front wirkt sehr bullig und kraftvoll. Dagegen ist der Antrieb eher zahm.

Hohe Reichweite, langsame Schnellladung

Mit seinem grossen 87 kWh (netto) Akku fährt der Ariya selbst in der harten Praxis und mit Winterbereifung rund 360 Kilometer weit. Bei sanfter Fahrweise und im Sommer sind somit problemlos über 400 Kilometer machbar. Das und das grosszügige Platzangebot macht den Ariya zum super Langstreckenauto, allerdings schöpft Nissan bei der Ladeleistung nicht aus den vollen. Maximal 130 kW sind für ein neues Auto nicht gerade überragend, aber ausreichend. Dafür lädt der Japaner per Wechselstrom mit bis zu 22 kW, was wiederum eher untypisch ist.

2022 Nissan Ariya
Die Mittelkonsole verfügt ebenfalls über Sensortasten und ist elektrisch verschiebbar.

Selbstbewusster Preis

Als ein Schnäppchen ist der Nissan Ariya nicht zu bezeichnen. Die voll ausgestattete Version mit Frontantrieb kostet rund 68’000 Franken, was für die Leistungsklasse, in der sich der Ariya bewegt, für Nissan-Verhältnisse eher hoch ist. Dafür punktet der Ariya mit hoher Reichweite, tollem Fahrkomfort und einem Innenraum, der einen deutlichen Aufstieg im Vergleich zu anderen Nissan-Modellen bedeutet. Ob der Ariya in die grossen Fussstapfen des Leaf treten kann, wird sich weisen müssen.

2022 Nissan Ariya
Der Ariya ist ein toller Allrounder und gefällt mit seinem schönen Innenraumkonzept.

Alltag 5 out of 5 stars

Der luftige und flexible Innenraum vorne, grosszügige Ablageflächen, viel Beinfreiheit im Fond, ein gut nutzbarer Kofferraum sowie ein relativ kleiner Wendekreis machen den Ariya zum perfekten Alltagsbegleiter.

Fahrdynamik 2.5 out of 5 stars

Selbst im Sport-Modus hat der Ariya gar nichts mit Sportlichkeit am Hut. Wenig Lenkgefühl, grosse Seitenneigung und überschaubare Leistung lassen denn die Lust am sportlichen Fahren schnell schwinden.

Umwelt 3.5 out of 5 stars

Der Testverbrauch von 22,8 kWh/100 km auf Winterreifen ist für einen vernünftigen motorisierten Frontantrieb zwar keine Meisterleistung, aber noch im akzeptablen Bereich.

Ausstrahlung 4 out of 5 stars

Optisch hat Nissan ein gutes Händchen bewiesen. Der Ariya wirkt auf eine bullige Art und Weise attraktiv, ohne zu dick aufzutragen. Das dynamische Design gefällt und wirkt insbesondere an der Front sehr eigenständig.

Fazit 4.5 out of 5 stars

+ Attraktives, eigenständiges Design
+ Sehr grosszügiges Platzangebot
+ Viele und grosse Ablageflächen
+ Flexible Innenraumgestaltung vorne
+ Super bequeme Sitze, hohe Verstellbarkeit
+ Hochwertige Materialien
+ Hoher Fahrkomfort, geschmeidiges Fahrgefühl
+ Niedriger Geräuschpegel
+ Kleiner Wendekreis
+ Umfangreiches und sehr zuverlässiges Assistenz-Paket
+ Kleiner Wendekreis
+ Hohe Reichweite

– Smartphone-Ablagefläche fehl konstruiert, da das Handy bei einer Vollbremsung rumfliegt
– Geringe DC-Ladeleistung
– Verhaltene Leistungsabgabe im Normal-Modus
– Stolzer Preis

Mängel am Testwagen

– Keine Mängel

Steckbrief

Marke / ModellNissan Ariya
Preis Basismodell / Motorisierung / Testwagen53 990 CHF / 63 990 CHF / 67 940 CHF
AntriebElektrisch, Frontantrieb
Akkukapazitätk.A. kWh (brutto) / 87 kWh (netto)
Max. Leistung178 kW
Max. Drehmoment300 Nm
Beschleu­nigung 0–100 km/h7,6 s
Vmax160 km/h (elektronisch abgeregelt)
WLTP-Verbrauch / Energieeffizienz17,3 kWh / 100 km / A
Test-Verbrauch / Differenz22,8 kWh/100 km / +32%
WLTP-Reichweite544 km
Ø Test-Reichweite370 km
Max. Ladeleistung (DC)130 kW
Länge / Breite / Höhe4,60 m / 1,85 m / 1,65 m
Leergewicht2194 kg
Kofferraumvolumen468 - 1675 l

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