Der Nissan Leaf bekommt dank einer grösseren Akkukapazität einen längeren Atem. Seine Reichweite beträgt nun 250 Kilometer, was gemäss Nissan die grösste innerhalb seines Segments ist. Soviel ich weiss, kommt er damit weiter als alle aktuellen Elektroautos, von Tesla mal abgesehen. Jedoch hat der Leaf mittlerweile ein paar Jahre auf dem Buckel und darum finde ich es schade, hat Nissan die Gelegenheit nicht genutzt und den Leaf gesamthaft aufgewertet. Nichtsdestotrotz finde ich es spannend, nun bereits zum dritten Mal Leaf zu fahren und zu sehen, was sich in der Elektromobilität verändert hat – und was noch nicht.
Wollt ihr wissen, woran ihr den «neuen» Leaf erkennt? Dann schaut genau hin. Bei der Frontstossstange glitzert eine Chromspange, die ist neu. Ansonsten? Alles beim Alten. Der Leaf sieht nach wie vor wie ein überdimensionales Insekt aus, aber offensichtlich ist man in Japan der Meinung, dass ein E-Auto anders aussehen muss. Ausserdem glaube ich, dass die Leute, die elektrisch fahren, durchaus wollen, dass man Ihnen ansieht, dass sie einen Stromer fahren. Bemerkenswert finde ich, dass der Leaf nach dem Ansatz «form follows function» gestaltet wurde. Nicht nur die abstehenden Scheinwerfer erfüllen ihre Funktion, sondern auch die Rillen vor der Windschutzscheibe. Der grosse Dachspoiler sowie der kleine Diffusor verhindern am Heck Verwirbelungen und die flachen Felgen vermindern Verwirbelungen bei den Rädern.
Das Interieur hat sich im Laufe der Jahre ebenfalls nicht verändert. Einzig das Infotainmentsystem wurde optimiert, obwohl die etwas pixelige Darstellung heute nicht mehr State of the Art ist. Dafür kann der Leaf via App von der Ferne kontrolliert werden (Zentralverriegelung, Ladestatus und Ladedauer) und die Vorklimatisierung kann ebenfalls via App vorgenommen werden. Das ist praktisch. Ebenfalls praktisch sind die Platzverhältnisse für die Passagiere. Auch im Fond sitzen grosse Personen sehr bequem. Vorne sitzt es sich ebenfalls gut, obwohl die Sitze etwas zu weich geraten sind. Eine straffere Polsterung wäre wünschenswert. Insgesamt macht der Leaf innen weniger deutlich als aussen, dass er elektrisch angetrieben wird. Lediglich die blauen Kontrastnähte, die gross dargestellte Restreichweite sowie die virtuellen Bäume, die bei ökologischer Fahrweise neben dem Tacho gepflanzt werden, zeigen, dass kein konventioneller Motor verbaut ist.
Unter dem Blech ist bis auf die erhöhte Batteriekapazität ebenfalls alles beim Alten. Der Leaf ist jedoch nur geringfügig schwerer geworden, denn die Batterie bezieht ihre erhöhte Kapazität aus einem anderen Aufbau und nicht durch zusätzliche Grösse. Der Elektromotor mit 80 kW Leistung zieht wie gewohnt im Stand gut durch, jedoch wird der Durchzug ab 50 km/h deutlich schwächer. Dass man im Leaf haushälterisch mit dem Strom umgehen sollte, zeigt sich auch dadurch, dass sich das Gaspedal zäh anfühlt. Im Eco-Modus geht das so weit, dass ordentliches Beschleunigen kaum mehr möglich ist.
Überhaupt ist der Leaf alles andere als ein sportliches Auto, was aber auch okay ist, weil er das weder suggeriert, noch sein möchte. Viel wichtiger ist das leise und komfortable Fahrgefühl, welches der Leaf bietet. Jedoch finde ich es schade, dass der im Jahr 2011 eingeführte und sehr innovative Leaf seine Innovativität mittlerweile verloren hat. Kein einziges Assistenzsystem findet sich im Leaf, das Fernlicht muss immer noch mit trüben Halogenscheinwerfer auskommen und obwohl das Infotainmentsystem überarbeitet wurde, wirkt es immer noch, als wäre es von gestern.
Die Zeit steht nicht still, in fünf Jahren hat sich viel getan und Nissan sollte schleunigst nachziehen. Es kann nicht sein, dass ein Elektroauto nicht up to date ist. Die Verkaufszahlen stimmen nämlich, der Leaf ist das meistverkaufte Elektroauto überhaupt und die zusätzliche Reichweite ist ein Schritt in die richtige Richtung. Jedoch darf der ganze Rest nicht vernachlässigt werden. Der Leaf hat mittlerweile eine umfangreiche Überarbeitung nötig.
Was darüber hinaus immer noch nicht gelöst ist, ist das Reichweitenproblem auf der Autobahn. Damit sind Elektroautos im Allgemeinen gemeint, nicht nur der Nissan Leaf. 200 Kilometer Reichweite schafft man mit dem Leaf durchaus, wenn man zwischen Vollgas und kein Gas noch ein paar Zwischenstufen anwendet. Wer sich anstrengt – ich hatte es wegen Zeitmangel nicht ausprobiert – wird auch über 200 Kilometer schaffen. Diese Zahlen gelten jedoch nur, solange man die Autobahn meidet. Die traurige Realität ist nämlich, dass der Leaf bei konstanten 130 km/h keine 125 Kilometer schafft; das ist nicht einmal die Hälfte der angegebenen Reichweite. Nebst der reinen Batteriekapazität bei Elektroautos muss unbedingt ein Weg gefunden werden, wie man auch auf der Autobahn anständige Strecken fahren kann, ohne das man dem Sinken des Akkustandes zuschauen kann.
Was sich zwar deutlich verbessert hat in den letzten Jahren, ist die Anzahl öffentlicher Ladesäulen. Vielerorts ist der Strom nach wie vor gratis und selbst wenn er kostenpflichtig ist, fährt man immer noch weitaus günstiger als mit einem Verbrennungsmotor. Jedoch ist das ständige Nachladen auf längeren Reisen meiner Meinung nach ein ziemlich schlechter Kompromiss. Ich bin einverstanden, wenn ich meinen Fahrstil im Elektroauto dahingehend anpassen, dass ich beispielsweise etwas schonender beschleunige oder die Rekuperierung aktiv nutze. Es kann schliesslich auch Spass machen, Strom zu sparen und Reichweite zu gewinnen. Jedoch empfinde ich es als grobe Einschränkung, wenn ich mein Ziel nicht erreiche, sobald ich auf der Autobahn das Tempolimit ausreize.
Die grösste Kritik am Leaf ist, dass er sich kaum weiterentwickelt hat. Die Zeit steht nicht still, der Leaf hingegen schon. Schade, hat Nissan die Gelegenheit nicht genutzt, umfassendere Änderungen zu implementieren. Die leistungsfähigere Batterie sorgt dafür, dass man ohne Autobahn auch im Alltag 200 Kilometer Reichweite schafft. Wer wie ich häufig längere Autobahnstrecken fährt, denkt nicht mal daran, sich einen Leaf anzuschaffen, insofern ist die Reichweite beispielsweise als Zweitwagen völlig ausreichend.
Grossartig finde ich, wie die Preise weiterhin purzeln. Vor fünf Jahren waren mindestens 49’950 Franken fällig, vor drei Jahren wurde das Batterie-Leasing eingeführt und die Preise sanken auf 27’990 Franken. Jetzt ist der Leaf ab 22’660 Franken erhältlich, jedoch mit der bisherigen Batteriekapazität und 199 Kilometer Reichweite. Die grössere Kapazität ist ab 28’665 Franken erhältlich. Möchte man die Batterie kaufen, kostet das 6500 Franken zusätzlich. Der Kauf der Batterie lohnt sich, wenn man das Auto kauft und mindestens sechs Jahre fährt. Bei max. 12’500 Kilometer im Jahr kostet die Batterie-Miete monatlich 95 Franken, also 5700 Franken in fünf Jahren. Nissan gewährt so oder so acht Jahre oder 160’000 Kilometer Garantie auf die Batterie, es ist also lediglich eine Kostenfrage, ob man die Batterie kaufen oder mieten möchte. Soweit, so gut. Ich erwarte jetzt aber von Nissan, dass innert zwei Jahren ein komplett neuer Leaf präsentiert wird, der wieder so innovativ sein wird wie der aktuelle vor fünf Jahren.
Alltag
Der Leaf ist geräumig, handlich und dank der 360-Grad Kamera leicht zu rangieren. Jedoch ist er nach wie vor nicht für längere Fahrten gedacht. Auf der Autobahn geht im extrem schnell der Saft aus.
Fahrdynamik
Der Leaf ist ein ökologisches Auto und darum überhaupt nicht auf Fahrdynamik getrimmt. Die Lenkung ist schwammig, das Fahrwerk weich und bei starken Bremsmanövern fühlt sich das ganze Auto nicht sonderlich stabil an.
Umwelt
Lokal ist der Leaf natürlich sauber. Wie sauber er tatsächlich ist, hängt vom Strommix ab. Im Test hat der Leaf auf 100 Kilometer 18,5 kWh anstatt 15 kWh verbraucht, jedoch bin ich häufig Autobahn gefahren und verfüge somit überhaupt nicht über ein ideales Fahrprofil für ein Elektroauto.
Ausstrahlung
In meinen Augen ist der Leaf halt nicht wirklich schön, aber zu zeigen, dass man anders ist und elektrisch fährt, ist durchaus auch eine Ausstrahlung. Der «form follows function» Ansatz gefällt mir.
Fazit
+ Geräumiger Innenraum
+ Sehr leises und komfortables Fahrverhalten
+ Kaum Mehrgewicht durch die erhöhte Akkukapazität
+ Fernkontrolle via App
+ Gemütliches Fahrverhalten
+ Mittlerweile recht tiefe Preise
– Keine Assistenzsysteme
– Halogen-Fernlicht übertrifft kaum das LED-Abblendlicht
– Rapider Abstieg des Aktionsradius auf der Autobahn
– Schwammiges Fahrverhalten
– Zu weiche Vordersitze
– Lenkrad nur in der Höhe verstellbar
Mängel am Testwagen
– Schlüssel beim Starten teilweise nicht erkannt
Steckbrief
Marke / Modell Nissan Leaf 30 kWh Preis Basismodell / Testwagen exkl. Akku 28 655 CHF / 32 695 CHF Preis Basismodell / Testwagen inkl. Akku 35 455 CHF / 39 195 CHF Antrieb Elektrisch, Frontantrieb Akkukapazität 30 kWh Max. Leistung 80 kW Max. Drehmoment 254 Nm Beschleunigung 0–100 km/h 11,5 s Vmax 144 km/h (elektronisch abgeregelt) NEFZ-Verbrauch 15,0 kWh/100 km Test-Verbrauch / Differenz 18,5 kWh/100 km / +23% NEFZ-Reichweite 250 km Test-Reichweite ca. 150 km (mit Autobahn)
ca. 200 km (ohne Autobahn) Länge / Breite / Höhe 4,45 m / 1,77 m / 1,55 m Leergewicht 1545 kg Kofferraumvolumen 355 - 720 l
(Bilder: Koray Adigüzel)
Der Leaf wird wie der Multipla ins MOMA wandern. Sicherlich. Von hinten steht er einem Thesis in nichts nach. Er ist immer noch Benchmark aller E-Autos. Die Chromspange hat er übrigens seit 2013. Wieso gibt man einem Blogger einen Wagen mit wenn er “Zeitmangel” hat? In jeder zweiten Zeile wird von altmodischen Assistenzsystemen und Software gesprochen. Vielleicht ist es genau DAS warum sich der Leaf so gut verkauft? Schliesslich befinden wir uns mitten im demografischen Wandel und die digital Natives und Fachkräfte haben keinen Führerschein mehr! Gerade die Schweizer, die am Wochenende freie deutsche Autobahnen mit 250km/h+ berasen, sollten doch kapiert haben, daß E-Autos für die Wasserkraftschweiz ein MUSS sind.
Der Artikel ist eigentlich ganz gut geschrieben, mit der Einschränkung, dass der Schreiber ein begnadeter Fahrer von Verbrennern ist. Ich habe den Leaf Tekna 30 KW seit 17.03.2016 und habe aktuell 17228 Km auf dem Tacho und fahre jeden Tag 180 Km Landstraße. Mein Verbrauch liegt aktuell bei 13,2 kWh und ich fahre hier zwischen 90 und 100!
Eins zeigt sich wieder: Wir brauchen auch in DE ein generelles Tempoplimit von 120 oder 130, das fördert auch die E-Mobilität.
Mit der Reichweite auf der Autobahn – naja die Tank&Rast hat vor in DE alle 30 Km Chademo Lader an den Raststätten zu installieren – dann ist das Thema der fehlenden Reichweite auch vorbei!