Opel Astra: Der Dieselflüsterer

Wirklich taufrisch ist der Opel Astra, der mittlerweile in der fünften Generation als Opel Astra J verkauft wird, nicht mehr. Bereits seit 2010 ist der Astra in seiner jetzigen Form unterwegs, 2012 folgte ein dezentes Facelift, welches die Einführung der Stufenhecklimousine und der scharfen OPC-Variante mit sich zog. Der ganz neue Astra K wird erst ca. Mitte 2015 erscheinen. Um dennoch mit der moderneren Konkurrenz mitzuhalten, bekommt der Astra einen neuen 1,6-Liter Diesel, der durch besondere Laufruhe und tiefen Verbrauch Kunden ansprechen soll. Zudem ist nun das neue Infotainmentsystem IntelliLink von Opel auch im Astra erhältlich. Kann der gereifte Astra überzeugen?

Vom Design her wirkt der Astra keineswegs alt. Mit der schnittigen Front, der ansteigenden Fensterlinie und dem – dank dem OPC-Line Paket – knackigen Heck sieht der Astra nach wie vor topfit und modern aus; dies auch, weil Opel die Designphilosophie in den vergangenen Jahren nicht gross verändert hat.
Auch das Interieur wirkt auf den ersten Blick sehr zeitgemäss. Es ist gut verarbeitet und wird nachts von der roten Tastenbeleuchtung und der roten Ambientebeleuchtung ins rechte Licht gerückt. Das neue IntelliLink trägt ebenfalls seinen Teil zur modernen Erscheinung dazu bei, auch wenn die Bedienung mit den vielen Tasten durchaus vereinfacht werden könnte. Wie von Opel gewohnt, sind die Vordersitze vielfach verstellbar und verwöhnen mit hohem Langstreckenkomfort sowie guter Ergonomie. Im Fond sieht es dann aber nicht mehr ganz so rosig aus, dies vor allem wegen der beschränkten Beinfreiheit. Der Kofferraum liegt mit 370 – 1235 Liter Volumen im Durchschnitt, kommt aber optional mit dem pfiffigen, in der Höhe verstellbaren Ladeboden Flex Floor, womit der Kofferaum entweder zweiteilig wird, oder zusammen mit der umgelegten Rückbank eine ebene Ladefläche ermöglicht. Ebenfalls praktisch und durchdacht sind die zahlreichen Ablagemöglichkeiten.
An Details, wie dem grobschlächtigen Monochrom-Infodisplay zwischen den Instrumenten, der knappen Beinfreiheit hinten, der hohen Ladekante und den dicken A-Säulen, welche die Übersicht erschweren, merkt man trotzdem, dass der Astra ein paar Jahre auf dem Buckel hat.

Opel ist stolz auf den brandneuen, 1,6-Liter Turbodiesel, der die Antriebsoffensive von Opel fortsetzt. In den kommenden Jahren wird Opel mehrere neue Modelle und vor allem Motoren auf den Markt bringen. Der neue Diesel scheint auf dem Papier ein grosser Wurf zu sein: Erfüllung der Euro-6-Abgasnorm, besonders ruhiges Laufverhalten und ein Verbrauch von lediglich 3,9 l/100 km bei einer Leistung von 100 kW zeichnen das Aggregat aus. Die versprochene Laufruhe bewegt Opel gar dazu, den Selbstzünder als Flüsterdiesel zu bezeichnen. Mit hohen Erwartungen starte ich also den Motor, der sich weniger mit einem Flüstern, sondern vielmehr mit einem Rülpser zum Dienst meldet. Aber auch wenn der Motor warm gefahren ist, ist er meiner Meinung nach nicht gerade ein Flüsterer, da insbesondere beim Beschleunigen das typische Dieselnageln gut wahrzunehmen ist. Das ist jetzt nicht falsch zu verstehen, der Motor ist bei gleichmässiger Fahrt durchaus leise, aber das sind die Motoren der Mitbewerber ebenfalls. Einen akustischen Vorteil kann ich dem Opel-Diesel daher nicht bescheinigen.
Der Motor kann zwar theoretisch bis auf 5000 Umdrehungen pro Minute gejagt werden, allerdings mag er hohe Drehzahlen gar nicht, ab 3500 Touren wird es ziemlich zäh. Es empfiehlt sich daher, in niedrigeren Drehzahlregionen zu fahren und das Drehmoment von 320 Nm auszunutzen, das den Astra angemessen in Fahrt bringt. Geschaltet wird ausschliesslich über ein manuelles 6-Gang-Getriebe, das sich zwar deutlich besser anfühlt als das hakelige Getriebe im Meriva, allerdings befindet sich zwischen dem zweiten und dritten Gang auch hier ein kleiner “Haken”, bei dem man insbesondere bei schnellen Schaltversuchen hängen bleiben kann. Aber der Test-Astra ist ohnehin kein Sportler, trotz direkter Lenkung und präzisem Bremsgefühl. Vor allem das zu hohe Leergewicht von 1583 Kilo ist nicht mehr zeitgemäss und bremst den Astra ein. Dafür bietet er hohen Federungskomfort, was ihn zum prädestinierten Kilometerfresser auf der Autobahn macht. Dort ist, dank den zahlreichen Assistenzsystemen wie Abstandstempomat, Verkehrszeichenerkennung, Spurhalteassistent und Tot-Winkel-Warner, entspanntes Reisen garantiert.

Der Astra bietet die gewohnten Opel-Tugenden: Fortschrittliche Technik zu einem bezahlbaren Preis. Obwohl der Astra nicht mehr ganz aktuell ist, bietet er einen guten und sparsamen Dieselmotor, sowie viele Assistenzsysteme mit. Der Testwagenpreis bleibt dabei mit 39’860 Franken ziemlich tief, zumal noch eine Prämie vergütet wird. Ich hoffe indes für Opel, dass die mittlerweile bekannten Schwächen vom Astra beim nächsten Modell ausgemerzt sind. Nichtsdestotrotz macht man mit dem Kauf eines Opel Astra nichts falsch, denn man erwirbt ein solides, über die Jahre gereiftes Auto (zuverlässigster deutscher Kompaktwagen laut Auto Motor und Sport, Ausgabe 12/2013) mit fortschrittlicher Technik und neuem Motor. Bis auf das mangelnde Platzangebot im Fond und das hohe Gewicht, kann man über die anderen Nachteile recht gut hinwegsehen.

Alltag ★★★★☆

Der Astra wäre eigentlich eine gute Basis für einen Kompaktwagen mit hoher Alltagstauglichkeit. Er bietet einen sparsamen Motor, zahlreiche Ablagemöglichkeiten, perfekte Ergonomie und viele Assistenzsysteme zu einem äusserst fairen Preis. Das Platzangebot im Fond und die schlechte Rundumsicht muss Opel beim nächsten Astra, der derzeit als Erlkönig getarnt unterwegs ist, aber unbedingt verbessert haben.

Fahrdynamik ★★★☆☆

Der Testwagen ist nicht mit dem Sportfahrwerk ausgerüstet, so dass Kurvenräubern nicht seine Paradedisziplin ist. Ausserdem ist der getestete Diesel mehr Cruiser als Sportler. Trotzdem hat der Astra eine präzise Lenkung mit guter Rückmeldung und ein ebenso gutes Bremsgefühl. Genügend Dampf unter der Haube mit einem entsprechend geschärften Fahrwerk bringen die Varianten BiTurbo und OPC mit. Was unbedingt gebessert werden muss: das zu hohe Leergewicht von deutlich über 1,5 Tonnen.

 Umwelt ★★★★★

Ganz so sparsam wie versprochen ist der neue Motor natürlich nicht, aber gegenüber Mini-Verbräuchen wie 3,9 l/100 km bin ich sowieso immer sehr skeptisch. So gesehen halte ich einen Durchschnittsverbrauch von 5,6 l/100 km für sehr gut, zumal derselbe Motor im neuen Astra mit weniger Gewicht und evtl. verbesserter Aerodynamik sicher noch sparsamer sein wird.

Ausstrahlung ★★☆☆☆

Das Auge hat sich an den Astra gewöhnt. Sein Design ist nicht unattraktiv, aber dennoch eher unaufgeregt als emotional.

Fazit ★★★★☆

+ Sehr faires Preis-/Leistungsverhältnis
+ Top Verarbeitungsqualität
+ Hochwertige Ausstattung
+ Sehr bequeme Sitze
+ Einwandfreie Ergonomie
+ Komfortables Fahrwerk
+ Modernes Infotainmentsystem
+ Viele Assistenzsysteme im Angebot
+ Sparsamer und sauberer Dieselmotor
+ Grosses Motorenangebot
+ Sehr gutes AFL+ Xenonlicht

– Geringe Beinfreiheit im Fond
– Schlechte Rundumsicht
– Hohes Leergewicht
– Wenig fahrdynamisches Talent
– Etwas umständliche Bedienung des Infotainments

Steckbrief

Marke / ModellOpel Astra 1.6 Cosmo
Preis Basis­modell / Testwagen19'400 CHF / 39'860 CHF (ohne Prämien)
AntriebDiesel, Frontantrieb
Hubraum / Zylinder1598 ccm / R4
Getriebe6-Gang manuell
Max. Leistung100 kW bei 3500 - 4000 r/min
Max. Drehmoment320 Nm bei 2000 r/min
Beschleu­nigung 0–100 km/h10,3 s
Vmax200 km/h
Verbrauch Werk / CO2 Emissionen / Energieeffizienz3,9 l/100 km / 104 g/km / A
Verbrauch Test / CO2 Emissionen5,6 l/100 km / 149 g/km
Länge / Breite / Höhe4,42 m / 1,83 m / 1,51 m
Leergewicht1583 kg
Koffer­raum­volumen370 - 1235 l

(Bilder: GM)

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