Früher trugen die bösen, sportlichen Opel-Modelle eine schwarze Motorhaube als markantes Designmerkmal. Fans der Marke denken da an Namen wie Kadett, Manta oder GT-Modelle. Augerechnet in Zeiten von Klimademos graben die Rüsselsheimer dieses Designfeature aus ihrer Historie wieder hervor. Neo-Träger ist der Opel Grandland X Hybrid4, also die Plug-in-Hybrid-Variante des SUVs. Gerechtfertigt wird das durch die imposante Systemleistung von 221 kW. Doch können sich ein Anflug von Verruchtheit und ein Hybridantrieb, noch dazu in einem SUV, vereinen?
Man muss dazu noch erwähnen, dass die schwarze Motorhaube optional gegen einen kleinen Aufpreis angeboten wird. Das gewisse Extra sozusagen. Denn abgesehen davon sowie dem einen oder anderen Hybrid-Schriftzug ist der elektrifizierte Grandland X optisch nicht von den Verbrennern zu unterscheiden. Aber kann die Elektrifizierung auch elektrisierend sein?
Knarz lass nach!
Beim Einsteigen trifft mich in der Tat ein kleiner Schock, jedoch nicht vor Freude. Die Türverkleidung knarrzt, als würde man bei einem Oldtimer die Türe zuziehen! Das bringt mich natürlich in Habachtstellung und siehe da: Der Übergang der Verkleidung zwischen Dachhimmel und A-Säule ist ebenfalls lausig und auch die Qualität des Verschlusses des Ablagefachs vor dem Schalthebel lässt arg zu wünschen übrig. Was ist nur los? Deutsche Qualität sieht definitiv anders aus.
Schlichtes Cockpit
Dass das gesamte Interieur eher trist wirkt und keinen opischen Pepp versprüht, muss nicht unbedingt negativ sein. Doch etwas mehr Elan und Chic würde dem Grandland X in meinen Augen gut tun. Ein digitales Cockpit sucht man vergebens, gute alte Analoginstrumente und ein Infodisplay informieren über den Stand der Dinge. Das Infotainmentsystem und das Navi machen einen guten Job und sind einfach zu bedienen, wobei die Reaktionszeit durchaus flotter sein dürfte.
Richtig punkten kann der Grandland X dafür mit pragmatischen Fähigkeiten. Die Vordersitze sind AGR-zertifiziert und dadurch äusserst bequem. Auch eine Sitzlüftung ist erhältlich. Die Platzverhältnisse sind trotz des Hybridantriebs generös, man sitzt auch in der zweiten Reihe luftig und kann das leicht geringere Kofferraumvolumen gut verschmerzen.
Zack – und weg!
Doch nun wird es Zeit, der Daseinsberechtigung der scharzen Motorhaube auf den Grund zu gehen. Dazu empfiehlt sich der Sportmodus, der eine Seite im SUV weckt, die man so von einem Nicht-OPC Opel keineswegs erwarten würde. Es folgt beim Kickdown ein Schlag in den Rücken wie bei einem reinen Stromer. Doch der Schub lässt mit der Zeit nicht etwa nach, sondern wird dank der Verbrenner-Unterstützung immer stärker! Auch das Getriebe vergisst im Sportmodus die guten Manieren und haut die Gänge mit Nachdruck rein. Wow! Astreine Beschleunigung, deren top Eindruck lediglich von der mässig prickelnden Soundkulisse des Benziners leicht getrübt wird.
Geradeaus ist der Granland X Hybrid4 also ein echter Sleeper. Der Grund dafür liegt in seinem smarten Antriebssystem. Während bei vielen Plug-in-Hybriden der Elektromotor mehr Hilfsmotor als starke Antriebsquelle ist, geht PSA da einen klugen Weg. Gleich zwei Elektromotoren sorgen für Unterstützung, einer vorne und einer hinten. Das Motoren-Trio kommt auf ein beachtliches Systemdrehmoment von 520 Nm, sodass das Gewicht von knapp zwei Tonnen in Vergessenheit gerät.
Gerne auch nur mit Strom
Durch die doppelte Elektrokraft steht auch im reinen Elektromodus genügend Saft für eine flottere Fahrt zur Verfügung. Wer den Schub nicht zu oft ausreizt, schafft durchaus 50 Kilometer im E-Modus. Weiterer Vorteil: Durch das E-Motoren-Duo können auch ohne Verbrenner-Hilfe alle vier Räder angetrieben werden – auch etwas, was nur die wenigsten Hybride beherrschen. Rekuperiert wird wie meistens über einen separaten B-Modus oder durch vorausschauendes Bremsen.
Sport? Lieber nicht…
So beeindruckend die Längsdynamik und das geschickte Zusammenspiel der Motoren ist, so enttäuschend ist die Querdynamik. Die Lenkung ist sowas von leichtgängig, dass ihr sämtliches Gefühl fehlt. Wer sich davon nicht beirren lässt, wird von einer deutlichen Seitenneigung abgeschreckt. Und wer zu den ganz harten Jungs gehört und sämtliche Warnsignale ignoriert, wird vom nicht deaktivierbaren ESP übel zusammengestaucht.
Jetzt muss der Grandland X als Hybrid meiner Meinung nach nicht die grösste Sportskanone im Segment sein. Aber die druckvolle Beschleunigung und diese Lethargie in Kurven beisst sich dann doch. Eine etwas engagiertere Abstimmung wäre wirklich nett gewesen. Doch nur schon die Verwendung von rollwiderstandsoptimierten Reifen zeigt, dass man lieber in eine andere Richtung geht. Schade, da verblasst der schwarze Glanz der Motorhaube…
Sprung nach oben
Da der Hybrid mit Abstand das stärkste Pferd im Stall ist, liegt auch der Preis deutlich höher. Mit rund 60’000 Franken kostet der Testwagen fast 10’000 Franken mehr als der stärkste Diesel im Portfolio. Klar kriegt man mehr Power fürs Geld, aber mit einer Vernunftsentscheidung hat der Grandland X als Hybrid nicht mehr viel zu tun.
Der Verbrauch ist stark abhängig vom Fahrstil, im Test lag er bei 5,7 l/100 km, dabei wurden 1300 Kilometer zurückgelegt und der Akku sieben mal geladen. Während der Opel puncto Antriebskonzept äusserst smart ist, sollte Opel bei der Qualitätskontrolle nochmal über die Bücher. Schliesslich stösst der Hybrid in Preisregionen vor, wo man entsprechende Qualität erwartet.
Alltag
Pragmatismus ist seine Stärke. Die Platzverhältnisse für die Passagiere sind grosszügig, lediglich der Kofferraum ist etwas kleiner. Dafür bietet er viele Ablageflächen und einen für SUVs unüblich kompakten Wendekreis. Die rein elektrische Leistung für alltägliche Fahrten ist überdies beeindruckend.
Fahrdynamik
Sportlichkeit stand wohl nicht im Pflichtenheft. Die leichtgängige, unpräzise Lenkung ist eine der schlechtesten, die ich jemals in einem Opel erlebt habe. Ein weich ausgelegtes Fahrwerk sowie Eco-Reifen ersticken jede sportliche Ambition im Keim. Da fragt man sich, wozu es dann die hohe Antriebsleistung braucht?
Umwelt
Wie bei Plug-in-Hybriden üblich, kommt es auf die Häufigkeit des Ladens drauf an. Im Test flossen sieben Stromladungen und 5,7 l/100 km bei insgesamt 1300 Kilometern. Pluspunkt vom Grandland X ist, dass er auch als reiner Stromer kein Kind von Traurigkeit ist und 50 Kilometer tatsächlich schafft.
Ausstrahlung
Die Optik strahl Selbstbewusstsein aus, ohne zu aggressiv zu wirken. Die schwarze Motorhaube ist ein nettes Detail.
Fazit
+ Grosszügige Platzverhältnisse
+ Sehr bequeme Sitze mit Sitzlüftung, einwandfreie Ergonomie
+ Simple Bedienung, kein digitaler Overkill
+ Smarter Hybridantrieb mit zwei Elektromotoren
+ Gewaltiger und plötzlicher Schub
+ Perfekt unauffälliges Automatikgetriebe
+ Laufruhiger Motor
+ Kleiner Wendekreis
+ Alltagstaugliche Elektro-Reichweite
+ Üppige Serienausstattung
– Deutliche Qualitätsmankos im Innenraum
– Teilweise träge reagierendes Infotainmentsystem
– Diffuses Handling fernab jeglicher Sportlichkeit
– Hohes Gewicht
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Opel Grandland X PHEV |
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Preis Basismodell / Testwagen | 50 560 CHF / 60 375 CHF |
Antrieb | Benzin Plug-in-Hybrid / Allradantrieb |
Hubraum / Zylinder | 1598 ccm / R4 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor + zwei Elektromotoren |
Getriebe | 8-Gang Automatikgetriebe |
Max. Systemleistung | 221 kW |
Max. Systemdrehmoment | 520 Nm |
Beschleunigung 0 - 100 km/h | 5,5 s |
Vmax | 240 km/h / 135 km/h im E-Modus |
Elektrische Reichweite nach WLTP | 60 km |
Batteriekapazität | 13,2 kWh |
WLTP-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 1,7 l / 39 g/km / A |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 5,7 l/100 km / 131 g/km / +235% |
Länge / Breite / Höhe | 4,48 m / 1,86 m / 1,61 m |
Leergewicht | 1937 kg |
Kofferraumvolumen | 380 - 1528 l |
Bilder: Koray Adigüzel
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