Oh la la, was haben denn die Franzosen da auf die Räder gestellt? Den 508 einfach als Limousine abzustempeln, würde dem Anspruch des durchgestylten Franzosen nicht gerecht werden. Um sich im hart umkämpften und rückläufigen Feld der Limousinen neu zu positionieren, nutzt Peugeot sämtliche Design-Kniffs. Darüber hinaus bringt die Neuauflage eine sensationelle Massage und tollen Fahrkomfort mit. Doch bei aller Kühnheit: Den einen oder anderen Schönheitsfehler sollten die Franzosen noch ausbessern, da helfen auch Katzenpfoten nicht weiter.
Hinreissende Optik
Ganz adrett sind ja alle Peugeot jüngeren Baujahres. Doch einen richtigen Knaller haben die Franzosen seit dem RCZ nicht mehr zu bieten. Das ändert sich ausgerechnet mit dem 508, der als Limousine eigentlich die viel schlechteren Voraussetzungen mitbringt als ein Sportcoupé! Doch mit dem schwungvollen (und gewölbten!) Dach sowie der flachen Silhouette würde sogar ein Audi A5 Sportback ziemlich alt dagegen aussehen.
Dazu kommen rahmenlose Türen, schwungvolle Scheinwerfer, sequentielle Blinker sowie eine flache, frech grinsende Front, die wie aus einem Guss und somit sehr hochwertig wirkt! Ungewöhnlich: Nebst dem Peugeot-Logo im Grill unterstreicht die Modellbezeichnung 508 vor der Motorhaube den selbstbewussten Auftritt. Chapeau!
Auch beim Einsteigen geht das grosse Staunen weiter. Moderne und gewölbte Formen prägen das Interieur und die beiden vorderen Insassen werden durch eine massive, ansteigende Mittelkonsole separiert. Das Cockpit selber ist eine Weiterentwicklung des i-Cockpits von Peugeot, das heisst: Winziges Lenkrad und ein darüber liegendes, digitales Cockpit.
Enges Cockpit
Dadurch entfallt in der Theorie von Peugeot die Notwendigkeit eines Head-Up-Displays, doch ganz so stark im Fokus wie ein richtiges HUD sind die Instrumente dann doch nicht. Was dafür erstklassig ist, sind Materialanmutung und Verarbeitungsqualität, da steigern sich die Franzosen tatsächlich kontinuierlich.
Was man andererseits in Kauf nehmen muss, ist das beengende Raumgefühl. Zwar ist die Sitzposition sportlich tief, doch das flache Dach, der schwarze Dachhimmel sowie die breite Mittelkonsole engen deutlich ein. Hinten verstärkt sich das Gefühl trotz fehlender Mittelkonsole vor allem nachts deutlich. Da sich Peugeot im Fond die Ambientebeleuchtung spart, sitzt man hinten in einer finsteren Höhle. Wer grösser als 1,85 Meter ist, dem fällt zudem buchstäblich das Dach auf dem Kopf. Aber man kann halt nicht alles haben…
Die Coupé-Optik, der Fastback-Name und die tiefe Sitzposition geben einen schnell das Gefühl, in einem schnittigen Sportler zu sitzen. Nun sind die Franzosen aber nicht gerade für ihre Dynamik bekannt – mit Ausnahme der Performance-Autos natürlich. Wieviel Löwe steckt also tatsächlich im GT-Line Testwagen mit Zweiliter-Diesel?
Easy Life
Wie so oft im Leben ist auch hier alles Ansichtssache. Wenn man seinen Vorgänger als Massstab nimmt, dann ist der 508 Fastback ein Vollblutathlet. Die Lenkung ist direkt und präzise genug, um in Kurven ein gutes Gefühl für die Vorderachse zu vermitteln. Obwohl das Fahrwerk auf der ausgewogenen Seite steht und auch tollen Fahrkomfort ermöglicht, kommt in Kurven nur sehr wenig Seitenneigung auf. Um auch dem Getriebe den Marsch zu blasen, ist allerdings der Sport-Modus erforderlich. Dann tönt jedoch furchtbar künstlicher Sound aus den Lautsprechern, was bei einem Diesel nur umso peinlicher klingt. Wie kann man nur das Gefühl haben, ein komponierter «Motorsound» könnte den echten Sound ersetzen? Diese Saumode der Sound Symposer sollte endlich wieder verschwinden.
Immerhin kann man im Sport-Modus durchaus von einem sportlichen Fahrverhalten sprechen, obwohl ein 134 kW-Diesel natürlich keine Bäume ausreisst. Für eine zügige Fahrt und das eine oder andere Grinsen im Gesicht reicht es allemal. Es muss allerdings auch klar gesagt sein, dass die Kurvendynamik nicht das Niveau des eingangs erwähnten Audi A5 Sportback erreicht – vom 3er BMW oder der Alfa Giulia ganz zu schweigen.
Sparsamer Antrieb
Was der Peugeot 508 dafür perfekt beherrscht, ist das Kilometerfressen auf der Autobahn. Der geschmeidige Abrollkomfort sowie der sehr kultivierte und leise Diesel sind beides Dinge, die man in Deutschen Autos häufig vermisst. Sehr empfehlenswert ist das Audio-Paket, welches das Focal-Soundsystem mit der Akustik-Verglasung kombiniert. Für mehr Sound-Genuss und mehr Ruhe im Auto. Apropos Genuss: Einmal mehr beweisen die Franzosen ihr Händchen für tolle Massageprogramme. Nach einem langen Arbeitstag fühlt sich so eine Katzenpfoten-Massage eben schon toll an!
Ebenfalls toll ist das umfangreiche Assistenz-Angebot. Vom Parkassistent über eine Nachtsicht via Infrarot-Kamera bis hin zum semi-autonomen Fahrassistenten ist auf Wunsch alles an Bord. Lediglich Matrix-Licht wird nicht angeboten. Dafür ist der Diesel des 508 erfreulich knausrig. Im hin und wieder sportlich gefahrenen Test flossen 6,0 l/100 km. Im Sommer bei ruhiger Fahrweise dürften es locker 5,5 l/100 km oder sogar noch weniger sein.
Der Wunsch nach mehr
Für den sehr gut, aber nicht komplett ausgestatteten Testwagen sind 55’600 Franken fällig. Erneut kommt es auf die Sichtweise an. Im Gegensatz zum Vorgänger mögen die Preise gestiegen sein, aber der Sprung an Technik und Qualität ist enorm, vom todschicken Design ganz zu schweigen. Letzteres erfordert zwar ein wenig Kompromisse, vor allem sehr grosse Personen ab 1,90 Meter sitzen weder hinter dem Steuer, noch im Fond anständig.
Darüber hinaus weckt das Coupé-Design die Lust nach mehr Power und Sportlichkeit. Die Chancen sind wahrscheinlich sehr gering, aber ein besonders scharfer 508 könnte manchem Konkurrenten das Fürchten lehren. Schliesslich wüssten die Franzosen theoretisch schon, wie das geht. Der nötige Plug-in-Hybrid, der als CO2-Kompensator hinhalten muss, steht sogar schon in den Startlöchern. Spricht also nicht dagegen, dass sich Peugeot Sport den 508 vorknöpft!
Alltag
Dank der grossen, weit öffnenden Heckklappe lässt sich in den schicken 508 auch sperrigeres Material einladen. Dass das Design Vorrang hatte, lässt sich aber nicht abstreiten: Die Platzverhältnisse sind nur mässig.
Fahrdynamik
Eine direkt ansprechende Lenkung und ein ausgewogenens Fahrwerk ebnen den Weg für sportliche Passagen. Im Vergleich zum Vorgänger um Welten besser, aber ein Dynamiker ist der 508 nicht.
Umwelt
6,0 Liter Testverbrauch unter erschwerten Bedingungen sind ein toller Wert! Dazu kommt, dass der Dieselmotor sehr kultiviert und geschmeidig arbeitet.
Ausstrahlung
Mit der entschlossenen Front und der sportlichen Linienführung haben die Franzosen einen echten Eyecatcher auf die Räder gestellt. Weiter so!
Fazit
+ Materialgüte und Verarbeitungsqualität auf Premium-Niveau
+ Sehr bequeme Sitze mit Heizung rundum sowie Lüftung vorne, top Massagefunktion
+ Sportliche Sitzposition
+ Sehr schickes und sportliches Design
+ Effektive Geräuschdämmung
+ Laufruhiger Diesel
+ Toller Fahrkomfort
+ Ausgewogenes Setup, sportliche Fahrweise möglich
+ Sanft und schnelles Automatikgetriebe
+ Sehr viele Assistenzsysteme erhältlich
+ Tiefer Verbrauch
– Ergonomie bei grossen Personen unter Umständen schwierig
– Beengendes Raumgefühl, mässige Platzverhältnisse
– Sehr schlechter künstlicher Sound im Sport-Modus
– Teilweise träge reagierendes Infotainmentsystem
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Peugeot 508 GT Line |
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Preis Basismodell / Motorisierung / Testwagen | 36 900 CHF / 46 700 CHF / 55 600 CHF |
Antrieb | Diesel, Frontantrieb |
Hubraum / Zylinder | 1997 ccm / R4 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor |
Getriebe | 8-Gang Automatikgetriebe |
Max. Leistung | 130 kW bei 3750 r/min |
Max. Drehmoment | 400 Nm bei 2000 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 8,3 s |
Vmax | 235 km/h |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 4,7 l/100 km / 124 g/km / C |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 6,0 l/100 km / 158 g/km / +28% |
Länge / Breite / Höhe | 4,75 m / 1,86 m / 1,40 m |
Leergewicht | 1680 kg |
Kofferraumvolumen | 487 - 1535 l |
Text: Koray Adigüzel
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