Polestar 2 BST Edition 270: Spezielles Auto für spezielle Fahrer

Polestar festigt seinen Ruf als Hersteller von Performance-Autos und schärft den Polestar 2. Eine Leistungsspritze sowie diverse Modifikationen an Bereifung, Bremse und Fahrwerk heben die fahrdynamischen Fähigkeiten des schwedischen Stromers auf ein höheres Niveau. Leider belassen es die Schweden bei einer Kleinserie. Bleibt zu hoffen, dass dieses Auto den Weg zu echten Fahrenthusiasten findet, denn es braucht schon einen entsprechenden Fahrstil, um einen Mehrwert dieses Sondermodells zu spüren.

Optisch ist das Auto in erster Linie am schwarzen Mittelstreifen mit prominentem 2 auf der Motorhaube sowie der deutlich sichtbaren Tieferlegung von 2,5 Zentimetern zu erkennen. Die geschmiedeten 21″-Felgen sind ebenfalls exklusiv der BST Edition vorbehalten. Um das Erscheinungsbild zu komplettieren, wurde der vordere Stossfänger für eine sportlichere Optik verändert. Die goldenen Bremssättel sowie schwarze Polestar-Logos runden das Exterieur ab. Nebst dem Grau des Testwagens ist der BST Edition 270 noch in Weiss oder foliertem Mattgrau erhältlich, andere Farben stehen nicht zur Verfügung.

2023 Polestar 2 BST Edition 270
Die Front ist deutlich bissiger gestaltet. Der schwarze Streifen deutet unverkennbar auf die BST Edition hin.

Interieur wie bisher

Wie es aussieht, könnte Polestar bezüglich Sondermodellen noch ein paar Nachhilfestunden gebrauchen. Das Interieur ist nämlich absolut unverändert geblieben. Kein spezieller Schriftzug, kein exklusives Material, keine Plakette. Das ist schade und angesichts des doch happigen Aufpreises wären ein paar Bemühungen seitens Polestar ganz nett gewesen. Anyway, das Interieur punktet mit tiefer Sitzposition dank cleverer Positionierung des Akkus, sehr guter Verarbeitungsqualität sowie fantastischem Infotainmentsystem auf Android-Basis mit Google Maps, Google Assistant und Zugang zum Play Store mit auf das Auto zugeschnittenen Apps.

2023 Polestar 2 BST Edition 270
Unverändert minimalistisches Cockpit mit sensationellem Infotainmentsystem.

Als weniger zufriedenstellend erachte ich die Sitzbezüge sowie den Dachhimmel. Die bestehen zwar aus nachhaltigem Material, jedoch fühlt sich das Ganze auch zweitklassig an. Die Erfahrung zeigt aber, dass nachhaltig produzierte Textilien sich auch sehr hochwertig anfühlen können. Doch offensichtlich haben die Schweden da den Sparhebel angesetzt. Ebenfalls unbefriedigend – insbesondere für ein Performance-Modell – ist der mangelnde Seitenhalt der Sitze. Dafür begeistert der Kofferraum mit Befestigungsmöglichkeiten, doppeltem Boden sowie Raumteiler.

2023 Polestar 2 BST Edition 270
Der nachhaltige Bezug der Sitze wirkt nicht besonders hochwertig und ähnelt Neopren. Der Seitenhalt lässt zu wünschen übrig, dafür ist die Sitzposition schön tief.

Individuell einstellbares Fahrwerk

Highlight beim Polestar 2 Edition BST 270 sind zweifellos die Stossdämpfer des schwedischen Spezialisten Öhlins. Unter der Fronthaube sitzen zwei goldene Zylinder, an denen die Druck- und Zugstufe unabhängig voneinander in über 20 Stufen justiert werden kann. Darüber hinaus verfügt das Sondermodell über eine Federbeinbrücke aus Aluminium, massgeschneiderte Pirelli P Zero Pneus sowie eine exklusive Brembo-Bremsanlage mit noch mehr Biss gegenüber dem Performance-Paket des normalen Polestar 2. Zu guter Letzt ist im Sondermodell das Leistungs-Upgrade mit 350 kW und 680 Nm Drehmoment, welches optional auch für den normalen Polestar 2 verfügbar ist, ebenfalls inklusive.

2023 Polestar 2 BST Edition 270
Die justierbaren Stossdämpfer unter der Fronthaube.

Beim Polestar 2 gibt es keine Fahrmodi, der Umgang mit dem Gaspedal entscheidet darüber, ob das Auto gemütlich und geschmeidig oder wie gepickt losstürmt. Während des Testzeitraums hatte ich die Stossdämpfer in Zug- und Druckstufe identisch abgestimmt, jeweils bei ungefähr 70 % auf maximale Performance. Das ist mehr, als Polestar für die alltägliche Nutzung, jedoch weniger als für die Rennstrecke, empfiehlt. Damit ist das Auto ziemlich hart abgestimmt und mit einem Hot Hatch ohne adaptives Fahrwerk vergleichbar. Sicherlich nichts für Warmduscher, aber getreu eines Pfadfinders ist man somit allzeit bereit.

2023 Polestar 2 BST Edition 270
Die Tieferlegung um 25 Millimeter ist sehr gut sichtbar.

Der Elektro-Dynamiker

Der Tritt aufs Gaspedal haut heftig rein und besonders cool finde ich, wie der leistungsgesteigerte Polestar 2 die Leistung aufbaut und ähnlich wie ein Verbrenner immer kräftiger wird. Besonders intensiv ist der typische Elektro-Kick zwischen 60 und 80 km/h, da der Wagen dann sofort die maximale Power auf die Räder loslässt. Okay, ein gewisser Konkurrent aus Amerika hängt den Polestar 2 bei der Beschleunigung dennoch ab, aber das ist noch nicht die Paradedisziplin des Schweden.

2023 Polestar 2 BST Edition 270
Der Durchzug ist enorm und bei tiefen Geschwindigkeiten ist die Leistung aufbauend. Cool!

Spätestens in kurvigem Geläuf spürt man, dass dieses Auto von Polestar konsequent auf Fahrdynamik getrimmt wurde. Wird das ESP in den Sport-Modus gestellt, gibt es kein Halten mehr. Mit einem schier endlosen Grip durcheilt der Wagen Kurven, sodass es manchem Beifahrer übel wird. Das stattliche Gewicht von rund 2250 Kilo ist extrem gut kaschiert und selbst wer in Kurven noch kurz vor dem Scheitelpunkt voll aufs Gas tritt, wird mit einer unerschütterlichen Stabilität aus der Kurve katapultiert.

2023 Polestar 2 BST Edition 270
Die Brembo-Bremse zeigt keine Ermüdungserscheinungen. Das Bremsgefühl ist sensationell!

Zwei Aspekte rechne ich dem Polestar 2 hoch an: Einerseits ist das Auto überhaupt nicht zimperlich. Auch eine längere Phase unter harten Bedingungen mit permanent Vollgas aus der Kurve und hartem Abbremsen steckt der Wagen locker weg. Die Leistungsabgabe ist konstant auf dem Maximum und die kräftige Bremsanlage steckt auch das hohe Gewicht locker weg. Andererseits ist das Auto typisch schwedisch trotz sehr hoher Fahrperformance extrem sicher und einfach zu fahren. Egal wie sehr man das Gaspedal in der Kurve malträtiert, das Heck bleibt unantastbar stabil, auch dank der konstanten 50:50 Kraftverteilung. Im ESP-Sportmodus sind die Zügel bei rundem Fahrstil ausreichend locker, wer es jedoch übertreibt, wird gezielt wieder eingebremst. Komplett deaktivieren lässt sich das ESP nicht. Ein Radiergummi auf Rädern ist der Polestar 2 auch als performantes Sondermodell nicht.

2023 Polestar 2 BST Edition 270
Designmerkmal von Polestar: Die rahmenlosen Seitenspiegel.

Knappe Limitierung, Nachfolger kommt

Die BST Edition 270 richtet sich ausschliesslich an Enthusiasten, die den sportlichen Fahrstil suchen und lieben. Ohne jemandem zu nahe treten zu wollen: Der Durchschnittsfahrer spürt den fahrdynamischen Mehrwert gegenüber dem Polestar 2 nicht, da es einen ziemlich dynamischen Fahrstil erfordert, um die Grenze des bereits knackigen Polestar 2 mit Performance-Paket zu überschreiten. Der BST 270 ist restlos ausverkauft und nicht mehr bestellbar. Für alle, die leer ausgegangen sind, ist ein neues Modell im Anmarsch: Die BST Edition 230 mit noch weniger Einheiten, basierend auf dem Modelljahr 24 Facelift. Dieses unterscheidet sich optisch innen und aussen leicht vom hier gezeigten Testwagen, ist technisch jedoch identisch.

2023 Polestar 2 BST Edition 270
Goldene Akzente sind das Markenzeichen der Performance-Sparte von Polestar.

In seiner Klasse ist der Polestar 2 aus sportlicher Sicht ohnehin kein Kind von Traurigkeit, als Sondermodell wird er definitiv zum Benchmark in seinem Segment. Leider leidet der Wagen unter demselben Problem, das alle performanten Elektroautos gleichermassen betrifft: Wer das Auto regelmässig so fährt, wozu es gebaut wird, erzielt einen deutlich höheren Stromverbrauch. Das resultiert in einer Praxis-Reichweite von deutlich weniger als 300 Kilometern, was nicht sehr zufriedenstellend ist. Wer darüber hinwegsehen kann und auch gewillt ist, den Preis ab 83’000 Franken für den kommenden BST Edition 230 zu bezahlen, sollte zugreifen. Sportlicher wird es für dieses Geld nicht.

2023 Polestar 2 BST Edition 270
Das Handling befriedigt auch hohe fahrdynamische Ansprüche. Das Gewicht wird extrem gut kaschiert.

Alltag 4 out of 5 stars

Überaus geräumig ist der Polestar 2 nicht, dafür bietet er einen gut nutzbaren Kofferraum sowie einen kleinen Frunk und zahlreiche kleine Ablageflächen im Innenraum. Ebenfalls nicht sehr alltagstauglich ist die eher knapp bemessene Praxis-Reichweite.

Fahrdynamik 5 out of 5 stars

Aus fahrdynamischer Sicht ist der Polestar 2 BST 270 in seiner Klasse Benchmark. Es gibt zwar schnellere Sprinter im Umfeld seiner Kontrahenten, aber wie der Schwede Lenkbefehle umsetzt und in Kurven irrsinnig hohen Grip aufbaut, das ist extrem beeindruckend.

Umwelt 3 out of 5 stars

Weniger beeindruckend ist dafür der Stromverbrauch. 27,7 kWh/100 km waren es im Schnitt. Nach oben geht noch deutlich mehr, wenn der Wagen ordentlich geprügelt wird. Aber auch wer ganz gelassen cruist, muss mit mindestens 22 kWh/100 km rechnen.

Ausstrahlung 5 out of 5 stars

Die geschärfte Optik hebt den BST 270 vom normalen Polestar 2 ab. Der Kenner sieht, dass hier ein extravaganteres Auto vorfährt – für Auto-Banausen ist es einfach eine elektrische Kompaktlimousine. Schwedisches Understatement at its best.

Fazit 4.5 out of 5 stars

+ Dezent-sportliches Design
+ Tiefe Sitzposition, sehr gute Ergonomie
+ Erstklassiges Infotainmentsystem auf Android-Basis mit Google Maps und Assistent
+ Sehr gute Verarbeitungsqualität
+ Gut nutzbarer Kofferraum
+ Einfache Handhabung ohne Startknopf und Fahrmodi
+ Stossdämpfer sehr fein manuell justierbar
+ Direkte Lenkung mit gutem Feedback
+ Brutales Ansprechverhalten, brachialer Durchzug
+ Extrem hoher Grip, neutrales Fahrverhalten
+ Bissige und sehr standfeste Bremse
+ Sehr sicheres Fahrverhalten
+ Umfangreiche und sehr zuverlässige Assistenzsysteme


– Sehr kleine Limitierung
– Sitze mit zu wenig Seitenhalt
– Geräuschisolierung dürfte besser sein
– Hoher Verbrauch, tiefe Praxis-Reichweite
– Innenraum für ein limitiertes Sondermodell unverändert belassen

Mängel am Testwagen

– Keine Mängel

Steckbrief

Marke / ModellPolestar 2 BST Edition 270
Preis Basismodell / TestwagenNicht mehr bestellbar Preis BST Edition 230: Ab 83'000 CHF
AntriebElektrisch, Allradantrieb
Akkukapazität 78 kWh (brutto) / 72,5 kWh (netto)
Max. Leistung350 kW
Max. Drehmoment680 Nm
Beschleu­nigung 0–100 km/h4,4 s
Vmax205 km/h (elektronisch abgeregelt)
WLTP-Verbrauch / Energieeffizienz20,9 kWh/100 km / B
Test-Verbrauch / Differenz27,7 kWh/100 km / +33%
WLTP-Reichweite455 km
Ø Test-Reichweite300 km
Max. Ladeleistung (DC)155 kW
Länge / Breite / Höhe4,61 m / 1,86 m / 1,45 m
Leergewicht2253 kg
Kofferraumvolumen405 - 1095 l + 35 l Frunk

Bilder: Koray Adigüzel

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