Der Porsche 911 GT2 RS ein fahrendes Machtwort, ein Superlativ auf Rädern. Das Konzept des 911ers mit Strassenzulassung wurde auf die Spitze getrieben und Porsche hat ein Biest erschaffen, dass auf sämtlichen Rennstrecken glänzt. Auf normalen Strassen kann das Potenzial nicht einmal ansatzweise ausgetestet werden. Für Passagiere wäre zudem ein Warnhinweis angebracht: Schwangere und herzkranke Personen bitte nicht einsteigen! Zu extrem sind die möglichen G-Kräfte. Eine Achterbahnfahrt ist der reinste Spaziergang im Vergleich zu diesem Supersportler.
Sein Design ist die pure Darstellung von «form follows function». Zwei Dinge zählen: Abtrieb und Kühlung und das sieht man dem Kraftprotz auch an. Der ästhetischste Elfer ist dabei jedenfalls nicht rausgekommen. Die Kühlerschlunde sind gigantisch, jede Menge Öffnungen entlang der Karosserie dienen der Aerodynamik oder der Kühlung. Wenn der monumentale Heckflügel mit dem Porsche-Schriftzug geschmückt ist, weiss man, dass das Auto mit dem optionalen Weissach-Paket ausgerüstet wurde.
Dieses bring eine Gewichtsersparnis von 30 Kilo, indem das Dach sowie diverse Fahrwerk- und Antriebskomponenten aus Carbon oder Titan gefertigt werden. Zudem drehen sich Magnesium-Räder in den Radhäusern, was zusammen mit der serienmässigen Keramik-Bremse für ultraleichte ungefederte Massen sorgt. Das Weissach-Paket kostet ungefähr soviel wie ein Kleinwagen, aber der GT2 RS sprengt nicht nur fahrdynamisch, sondern auch preislich alles, was man bisher von einem 911 so kannte.
Angesichts soviel Extremismus wirkt das Cockpit erstaunlich normal. Nebst dem Überrollkäfig aus Titan zeugen die Schalensitze aus Carbon vom Willen des Leichtbaus. Ansonsten ist der Testwagen aber mit sämtlichen Annehmlichkeiten ausgerüstet: Beledertes Armaturenbrett, Alcantara-Dachhimmel sowie volles Infotainment samt Bose-Audiosystem und Klimaanlage sorgen für ein behagliches Ambiente im Innenraum. Wahre Puristen können aber auf Infotainment und sogar die Klimaanlage verzichten. Die Bose-Anlage ist sowieso der grösste Witz, denn in diesem Auto kommt die Musik von überall her, nur nicht aus den Lautsprechern.
Mit einem Bollern, das fast den Putz von der Tiefgarage bröckeln lässt, startet der stärkste Serien-Boxermotor überhaupt. Auf den ersten Metern macht dieser Porsche klar, dass er nicht für den schnellen Einkauf zwischendurch gedacht ist. Im Innenraum ist es laut, sehr laut. Nicht nur der Motor, sondern alles an diesem Auto ist hör- und fast greifbar. Man hört die mechanischen Komponenten arbeiten, es klickt, es klackt, es schleift, es poltert – seine Komfortzone muss man im GT2 RS definitiv verlassen.
Man wird ziemlich durchgeschüttelt beim Fahren, denn Bodenunebenheiten wegzudämpfen fällt nicht in den Aufgabenbereich dieses Autos. Doch trotz der lauten (aber coolen) Geräuschkulisse und des harten Fahrwerks kann man den Über-Elfer ziemlich normal fahren. Bei moderater Gasannahme erkennt das Getriebe, das aktuell kein Rundenrekord in Angriff genommen wird und wählt sehr schnell hohe Gänge. Die serienmässige Allradlenkung erleichtert das Handling und das Rangieren ungemein. Sehr empfehlenswert ist ausserdem das optionale Liftsystem für die Vorderachse, ansonsten können Temposchwellen und Bahnübergänge aufgrund der minimen Bodenfreiheit gefährliche Hindernisse darstellen.
Ansonsten kennt dieser Wagen keine Hindernisse. Nebst der Strassenverkehrsordnung gibt es einen weiteren, limitierenden Faktor und das wäre in diesem Falle ich selber. Ich wollte das brachiale Beschleunigungsvermögen testen, doch ich musste passen. Der GT2 RS legt so abartig schnell los und wird bei höheren Drehzahlen so ungestüm, dass ich die Übung abbrechen, mich sammeln, tief einatmen und das Ganze gefasster wiederholen musste.
Egal, ob es sich um eine Launch Control oder einen fliegenden «Start» aus rund 50 km/h handelt, die Traktion und der Schub sind nicht von dieser Welt. Es ist unglaublich, wie diese gewaltige Kraft, die sich an der Hinterachse entlädt, so wirkungsvoll genutzt werden kann. Zwar blinkt die ESP-Lambe bei Vollgas auf, aber man spürt keinerlei bremsenden Eingriffe. Hier gehört das ESP nur bedingt zur Sicherheitsausrüstung, sondern dient auch dazu, den Fahrer im Grenzbereich zu unterstützen und das Auto bei Vollgas stabil zu halten.
Doch in welcher Liga der GT2 RS tatsächlich spielt, wird beim Handling ersichtlich. Wie auf Schienen ist hier die Untertreibung schlechthin. Porsche hat es geschafft, das Auto so zu konstruieren, dass man über das Lenkrad die ganze Vorderachse förmlich in der Hand hält. Jeder hat seine «Hausstrecke», auf welcher er jede Kurve kennt. Dann kommt der GT2 RS ums Eck und die Tempi, die man bis anhin erlebt hat, sind plötzlich eine Sonntagsfahrt.
Wie der Supersportler einlenkt, raubt einem abermals den Atem. Extrem direkt, auch bei hohem Tempo, selbst wenn man noch am Anbremsen ist. Scheinbar nichts kann dieses perfekte Konstrukt aus der Spur bringen. In der Kurve scheint sich der Wagen förmlich abzustützen, baut so viel Grip auf, dass man ihn nur mit komplett verkehrtem Fahrmanöver ins Untersteuern bringt. Dieselbe Stabilität erfährt man abermals beim Herausbeschleunigen. Trotz des blitzartigen Ansprechens und der gewaltigen Drehmomentwelle beschleunigt, nein, schiesst das Auto aus der Kurve, als hätte er Allrad.
Man kann am Ende der Fahrt kaum fassen, wie abartig schnell man soeben unterwegs gewesen ist. Und dann geht einem durch den Kopf, dass man gerade mal an der Oberfläche gekratzt hat, denn auf abgesperrter Strecke und mit einem Profi am Lenkrad würde höchstens der Magen des Beifahrers instabil werden. Nicht nur die technische Überlegenheit, sondern auch die Art und Weise, wie der Mensch – trotz fehlender Handschaltung – ins Auto eingebettet wird, setzen Massstäbe.
Obwohl der GT2 RS vergleichsweise sehr fahrstabil ist, ist er keineswegs ein Spielzeug. Vor allem bei Regen oder kalten Reifen kann das Heck aufgrund der laschen ESP-Kennlinien sehr heimtückisch werden. Und obwohl mit warmen Reifen ein Gefühl der Unbesiegbarkeit aufkommt, so steht der Porsche nicht über den Gesetzen der Physik. Er surft zwar mit einer beispiellosen Perfektion am absoluten Limit, doch wenn diese Grenze überschritten wird, sind schnelle Reflexe gefragt.
Ein letztes Mal für einen Schlag in die Magengrube sorgt der Blick in die Preisliste. Mindestens 370’900 Franken sind fällig, der Testwagen mit Weissach-Paket und einigen weiteren Extras trägt voller Stolz sein Preisschild von 422’300 Franken. Hier geht es nicht mehr um ein vernünftiges Preis-Leistungs-Verhältnis oder die eindeutige Antwort auf die Frage, ob es denn nicht für viel weniger Geld tollen Fahrspass gibt. Natürlich gibt es das. Aber diese extreme Performance, gepaart mit bester Präzision und perfekter Fahrereinbindung gibt es sonst nirgends. Das hier ist Weltklasse und leicht bezahlbar war das noch nie.
Alltag
Das wahrhaftig einzige, was den Alltag in diesem Auto erleichtert, ist das optionale Liftsystem für die Vorderachse. Immerhin ist zudem dank der Allradlenkung der Wendekreis erträglich. Ansonsten: Schlechte Übersicht, null Ablagen, winziger Kofferraum. Aber wer sich einen GT2 RS leisten kann, kann sich nebenbei auch noch einen Cayenne leisten.
Fahrdynamik
Ich weiss nicht, was sagen. Kein anderer Turbomotor spricht besser an, der Schub ist so krass, dass man kaum mehr atmen kann. Die Bremsen hauen einen um, die Lenkung ist so messerscharf und präzise, wie man sie bislang nur erträumt hat. Das Fahrwerk ist Motorsport-Technik pur und lässt bislang scharfe Kurven plötzlich zur leichten Biegung werden. Das Einzige, was andere Supersportler besser können, ist, schöneren Sound zu produzieren. Der wirkt im GT2 RS nämlich manchmal künstlich laut und unharmonisch.
Umwelt
In diesem Auto ist alles auf maximale Performance gebürstet, der Verbrauch ist absolut zweitrangig. Wer tatsächlich nur normal fährt, unterbietet den Normverbrauch von 11,8 l/100 km zwar, doch sobald der Wagen gefordert wird, schellt der Verbrauch extrem in die Höhe. Letztendlich waren es im Test 13,7 l/100 km.
Ausstrahlung
Wie bereits erwähnt, geht der GT2 RS nicht als Design-Ikone in die Geschichte ein. Seine abartige Performance macht das aber mehr als nur wett. Das Auto hat im Test reihenweise Köpfe verdreht.
Fazit
+ Unverkennbares Design
+ Extreme Schalensitze mit bombastischem Halt, dennoch langstecken-tauglich
+ Top Verarbeitungsqualität, hochwertige Materialien
+ Perfekte Ergonomie und Fahrereinbindung
+ Trotz extremer Leistung einfache Fahrbarkeit
+ Biturbomotor mit dem besten Ansprechverhalten
+ Buchstäblich atemberaubende Beschleunigung
+ Perfekt agierendes Getriebe
+ Brillantes Einlenkverhalten
+ Schier unendlicher Grip mit warmen Reifen (Semislicks)
+ Stoische Stabilität, selbst bei extremen Fahrmanövern
+ Absolut kein Untersteuern
+ Brutale Bremsen
+ ESP dreistufig deaktivierbar, selbst eingeschaltet sehr zurückhaltend
– Unglaublich hoher Preis
– Teilweise synthetischer Motorsound
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Porsche 911 (991.2) GT2 RS |
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Preis Basismodell / Testwagen | 370 900 CHF / 422 300 CHF |
Antrieb | Benzin, Heckantrieb |
Hubraum / Zylinder | 3800 ccm / B6 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Heckmotor / Biturbomotor |
Getriebe | 7-Gang Doppelkupplungsgetriebe |
Max. Leistung | 515 kW bei 7000 r/min |
Max. Drehmoment | 750 Nm bei 2500 - 4500 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 2,8 s |
Vmax | 340 km/h |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 11,8 l/100 km / 291 g/km / G |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 13,7 l/100 km / 338 g/km / +16% |
Länge / Breite / Höhe | 4,55 m / 1,88 m / 1,30 m |
Leergewicht | 1540 kg |
Kofferraumvolumen | 115 l |
Bilder: Marcus Werner (10), auto-illustrierte (7)