Zugegeben, insbesondere die erste Generation Cayenne war nicht gerade der blechgewordene Sympathieträger. Doch das SUV zog die Zuffenhausener aus der Misere und heute ist global gesehen rund jeder zweite verkaufte Porsche ein SUV, also Cayenne oder Macan. Der Cayenne ist aber vielmehr als bloss Mittel zum Zweck – sprich Umsatz generieren – vielmehr steckt in dem Koloss das geballte Know-How der Marke. Dass ein Sportwagen fahrdynamisch brilliert, ist keine Überraschung. Dass jedoch ein SUV vom Format eines Cayenne derart grandios fährt, ist ganz grosses Kino.
Apropos Koloss: Obwohl der Cayenne nahezu ein 5×2 Meter Schiff ist, wirkt er optisch alles andere als schwerfällig. Die Front ist etwas gar einfallslos geraten, wer den Cayenne nicht gut kennt, dürfte ihn kaum als neu identifizieren. Dafür ist das Heck mit dem durchgehenden Leuchtband umso knackiger und ein würdiger, sportlicher Abgang. Die abfallende Fensterlinie sowie die schräg stehenden Säulen lassen das Auto kleiner wirken, als es tatsächlich ist.
Aktuell stehen der Basis-Cayenne, der S sowie der Turbo am Start. Meiner Meinung nach sind die Modelle am einfachsten durch die Auspuffanlage zu differenzieren: Die Basis hat zwei trapezförmige Rohre, der S vier runde und der Turbo vier eckige Rohre. An der Front sind einfach die Kühlschlunde umso grösser, je leistungsfähiger das Aggregat ist. Der Turbo unterstreicht seine Spitzenposition mit einem doppelten Lichtstrich links und rechts. Ausserdem verfügt das Topmodell über einen adaptiven Dachspoiler, dessen Winkel je nach Tempo und Fahrmodus variiert – das gab es bei einem SUV noch nie. Porsche geht sogar soweit und lässt den Spoiler bei einer starken Bremsung ab Tempo 170 als Airbrake fungieren!
Soviel zur optischen Hierarchie. Lustigerweise gefällt mir der S trotzdem besser und zwar aus zwei banalen Gründen: Die runden Endrohre passen besser zum eher kurvigen Heck. Ausserdem sind die Kühlschlunde vom Turbo so extrem, dass mir die dezentere Front vom S eher zusagt. Schliesslich ist die mittlere Version alles andere als ein Kind von Traurigkeit: Nach nur 4,9 Sekunden ist die 100er-Grenze durchbrochen. Doch auch wenn die Längsdynamik bemerkenswert ist, noch viel beeindruckender ist die Querdynamik dieses SUVs.
Was dieses Auto zu einem SUV macht, sind die Form, die Platzverhältnisse sowie die Offroad-Fähigkeiten – auch wenn diese bei einem Cayenne eher formeller Natur sind. Was hingegen in einem Widerspruch zu dieser erhöhten Sitzposition steht, ist das Handling. Wie es Porsche schafft, dass ein über zwei Tonnen schweres Auto sich so dermassen direkt, agil und vertrauenerweckend verhält, ist wahnsinnig!
Es sind vor allem zwei Dinge, die den Cayenne in seinem Segment zur sportlichen Messlatte machen: Bremsen und Lenkung. Bei Porsche wird ja bekanntlich nicht verzögert, sondern der Anker geworfen und da spielt es keine Rolle, ob 1400 oder 2100 Kilo abgebremst werden müssen. Das SUV bremst massiv und bleibt selbst dann noch stabil, wenn man es ein bisschen übertrieben hat und in die Kurve reinbremst.
Dass der Cayenne soviel vertrauen vermittelt, liegt an der astreinen Lenkung. Man scheint dank exzellenter Rückmeldung förmlich zu spüren, was die Vorderachse macht und wie weit man noch vom Grenzbereich entfernt ist. Ebenfalls faszinierend: Wer am Kurvenausgang etwas mehr Gas gibt, darf sich über einen hübschen Heckschwenker freuen, der vom ESP nicht gleich weg geregelt wird. Zur Erinnerung: Das ist ein SUV!
Andere Herstellern labern von Sportlichkeit, Porsche liefert Sportlichkeit. Selbst ein Maserati Levante verkommt im Vergleich zum Cayenne zum Spielzeug. Dass der Cayenne mit den Gesetzen der Physik zu spielen scheint, verdankt er einem enormen technischen Aufwand. Adaptives Fahrwerk, aktive Wankstabilisierung, Hinterachslenkung sowie Bremsen mit einer speziellen Wolframcarbid-Beschichtung (macht die Bremse widerstandsfähiger) verleihen dem SUV ein Sportwagen-ähnliches Handling. Serienmässig sind diese fahrdynamischen Gadgets allerdings nur für den Turbo, beim S kostet das alles ganz schön viel Geld.
Apropos Geld: Der 404 kW starke Turbo spielt mit einem Basispreis von 169’500 Franken nicht nur fahrdynamisch, sondern auch preislich in einer ganz anderen Liga als der 324 kW starke S. Der 112’200 Franken teure S scheint da schon «erschwinglicher» zu sein, obgleich die Serienausstattung magerer ausfällt. Wer einen schön ausgestatteten Cayenne S sein Eigen nennen will, sollte schon mit mindestens 130’000 Franken rechnen.
Dafür bekommt aber nicht nur ein SUV, welches den Geist eines Sportwagens inne hat, sondern eben auch voll und ganz SUV sein kann. Im Cayenne lässt es sich extrem gemütlich gleiten, er ist sehr leise, sehr komfortabel und sehr geräumig. Und man weiss, dass mit nur einer Drehbewegung am Fahrmodus-Schalter am Lenkrad ein ganz anderes Wesen des Cayenne hervorgerufen werden kann. Und wie es so schön heisst: Wissen ist Macht. Im Porsche Cayenne wortwörtlich.
Marke / Modell | Porsche Cayenne S |
---|---|
Preis ab | 112 200 CHF |
Antrieb | Benzin, Allradantrieb |
Hubraum / Zylinder | 2894 ccm / V6 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Biturbomotor |
Getriebe | 8-Gang Automatikgetriebe |
Max. Leistung | 324 kW bei 5700 - 6600 r/min |
Max. Drehmoment | 550 Nm bei 1800 - 5500 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 5,2 s (4,9 s mit Sport Chrono Paket) |
Vmax | 265 km/h |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 9,4 l/100 km / 213 g/km / D |
Länge / Breite / Höhe | 4,92 m / 1,98 m / 1,70 m |
Leergewicht | 2020 kg |
Kofferraumvolumen | 770 - 1710 l |
Bilder: Koray Adigüzel