Nicht nur auf der Strasse, sondern auch auf der Konsole bin ich ein leidenschaftlicher Autofahrer. Was grüble ich immer herum, wenn es in den Games darum geht, das Performance-Feintuning einzustellen. Regler nach links oder Regler nach rechts? Eine Eigenschaft leidet immer, das ganze Tuning ist ein einziger Kompromiss. Ein Kompromiss ist eigentlich auch der Porsche Panamera, nur: man spürt es nicht. Ob gelassenes Kilometerfressen auf der Autobahn oder volle Attacke am Berg, das Auto fährt sich, als sei es nur dazu gebaut worden, diese beiden Pole miteinander zu verbinden. Obwohl ich seitenweise schwärmen könnte, muss ich gewisse Kritikpunkte erwähnen. Einige sind ganz typisch für Porsche und man ahnt vielleicht schon, worauf ich anspiele. Andere wiederum hätte ich nicht erwartet. Es gibt sogar bei einem Auto wie dem Panamera noch Verbesserungspotenzial.
Ich weiss nicht, was die Panamera-Kunden der ersten Generation für einen Geschmack haben. Aber wäre ich im Besitz des alten Panamera und würde nun den Neuen zum ersten Mal sehen, dann wäre das meine Reaktion:
Wenn ein Auto die Transformation vom hässlichen Entlein zum schönen Schwan vollbracht hat, dann der Panamera. Während der Alte vor allem hinten irgendeine Kreuzung aus Buckelwal und Walross darstellte, ist die Neuauflage rundum eine Augenweide, ein richtig schönes Auto, welches die Blicke auf sich zieht. Obwohl sich an der Front gar nicht so viel geändert hat, wirkt der Neue athletischer, eleganter und filigraner, obwohl er mit über fünf Meter Länge ein riesiges Schiff ist. Vor allem das Heck ist dank der flacheren Dachlinie und den wunderschönen, durchgehenden Rücklichtern im Stil vom 911er ein Traum. Da fragt man sich doch ernsthaft, was sich die Designer beim ersten Panamera gedacht haben, denn der 911er sah schon immer schön aus…
Im Innenraum wurde fast alles auf den Kopf gestellt und der Panamera sieht auf den ersten Blick nicht nur schick, sondern futuristisch aus. Die ansteigende Mittelkonsole ist zwar geblieben, aber die Knöpfe sind fast komplett verschwunden. Stattdessen werden nicht nur das Multimediasystem, sondern auch Fahrparameter mittels Sensortasten bedient. Das Mediasystem mit dem riesigen Touchscreen ermöglicht nicht nur eine schöne und gestochen scharfe Darstellung, sondern ist auch intuitiv zu bedienen. Entweder man scrollt sich am Touchscreen am linken Rand durch die Menüs, oder man klickt eine Sensortaste. Die Bedienung am Touchscreen erscheint zudem via Annäherungssensorik, sodass sie nicht ständig im Blick ist.
Besonders toll ist die Navigations-Suche via Google. So findet die Navigation im Handumdrehen jedes Ziel, auch wenn man die Adresse nicht kennt. Die Kartendarstellung mittels Google Earth Satelittenbilder ist vor allem in Städten, wo das Kartenmaterial von Google besonders detailliert ist, erstklassig. Eine nette, aber überflüssige Spielerei sind die integrierten Apps wie Wetter, News oder Fahrplanauskunft. Die Usability erreicht nie und nimmer das Niveau des Smartphones, sodass garantiert keiner diese Apps im Auto nutzt. Völlig falsch von Porsche finde ich den Ansatz, dass nur Apple CarPlay als Smartphone-Integration unterstützt wird. Ich bin zwar Apple-User, doch offensichtlich ist man sich bei Porsche nicht im Klaren darüber, dass global gesehen Android den Löwenanteil an mobilen OS ausmacht. Und dass alle Porsche-Fahrer ein iPhone besitzen, muss mir niemand weismachen wollen.
Wenn es ums Wesentliche geht, ist dafür wieder alles im Reinen. Porsche gehört definitiv zu den Meistern in Sachen Fahrer-Ergonomie. Die Sitzposition passt perfekt, alles ist in optimaler Reichweite und die straffen Sportsitze stützen dank schier unendlicher Verstellung den ganzen Körper bestmöglichst. Doch schon beim Beifahrer ist anscheinend nicht mehr ganz so viel Hirnschmalz verwendet worden, denn die Cupholder befinden sich genau dort, wo der Beifahrer den linken Ellbogen abstützt. Der Fond im Stil einer Lounge sieht nicht nur toll aus, sondern bietet den Passagieren dank den sportlichen Einzelsitzen einen optimalen Sitzkomfort. Angesichts der üppigen Ausmasse ist der Platz jedoch nicht überragend. Er ist zwar ausreichend, doch das Raumgefühl ist aufgrund der flachen Dachlinie und der massiven Mittelkonsole inklusive Touchscreen beschränkt. Gross ist dafür der Kofferraum, der zwar ziemlich flach, dafür sehr weit nach hinten reicht, was meiner Meinung nach praktischer ist. Die zwei Einzelsitze können zudem umgeklappt werden.
Ich bin zwar kein Fan von fast schon werberischen Ausdrücken, aber der Panamera ist wohl der beste viertürige Sportwagen. Obwohl über fünf Meter lang und fast zwei Tonnen schwer fährt er sich so handlich, agil und direkt wie ein «echter» Sportwagen. Gibt es eigentlich das Adjektiv “porschig”? Wenn nein, führe ich dieses Wort hiermit ein und beschreibe sowohl Lenkung, als auch Getriebe als porschig. Die Lenkung vermittelt nicht nur ein ultimatives Gefühl für die Strasse, sondern reagiert mit einer Direktheit und Präzision, dass man nie wieder etwas anderes als einen Porsche steuern möchte. Die Lenkung reagiert wunderbar feinfühlig beim sportlichen Fahren und vermittelt dennoch eine grosse Ruhe beim Geradeausfahren. Die Geschmäcker bei der Lenkung mögen vielleicht verschieden sein, doch für mich ist dies das Nonplusultra.
Mit dieser Lenkung und der Hinterachslenkung ausgerüstet, ist der Panamera bereit für jede Kurve. Sport Plus Modus reingehauen und los geht’s. Innert Sekundenbruchteilen schaltet das Getriebe mehrere Gänge zurück und erteilt dem Wagen den Marschbefehl. Der V6 Biturbomotor röhrt nicht gleich den Hintermann in Grund und Boden, sondern gefällt mit einem sonoren, hellen Klang, garniert von dezentem Blubbern. Der Motor entwickelt keine Urgewalt, sondern schiebt dank seiner Drehfreude schön linear vorwärts. Beim Anbremsen der nächsten Kurve zeigt sich, dass Porsche, wie immer, extrem kraftvolle, eigentlich fast schon überdimensionierte Bremsen verbaut. Zudem reagiert das Getriebe genauso, wie ich es will. Es schaltet blitzartig runter beim Bremsen, hält in der Kurve den tiefstmöglichen Gang, damit ich beim Scheitelpunkt wieder losflitzen kann. Aber, oh, irgendwie kommt da nicht der Schub, den ich erwartet habe?
Kein Wunder, denn das ESP-Lämpchen flackert. Für Porsche-Verhältnisse ist das ESP im Normal-Modus recht strengt, es regelt nicht nur frühzeitig, sondern auch spürbar. Deshalb ist von diesem Moment an beim sportlichen Fahren auch das ESP in den Sportmodus geschaltet worden (nicht zu verwechseln mit dem Fahrmodus Sport). Im Sport-Modus regelt es nämlich wirklich erst dann, wenn es muss und nicht schon präventiv. Ausserdem werden die Eingriffe so gezielt, dass man mit dem ESP nicht mehr eingebremst wird, sondern tatsächlich schneller ist als ohne. Aber trotzdem! An der Kurve bleibt aus mir bis anhin unerklärlichen Gründen der unmittelbare Schub aus, was wirklich schade ist, denn Lenkung, das dreistufige Fahrwerk und das perfekte Getriebe machen aus dem grossen Panamera eine Fahrmaschine erster Güte.
Später, auf der Autobahn, möchte ich eigentlich nur mal kurz überprüfen, bis wohin der zweite Gang reicht, weshalb ich zu den Schaltpaddels greife und auf gut Deutsch ein bisschen herumspiele. Vollgas geben, bremsen, und wieder Vollgas gebe. Und da fällt es mir auf! Der Panamera leidet, trotz Biturbo, unter einem verzögerten Ansprechverhalten und zwar für Porsche-Verhältnisse unter einer ziemlich groben Verzögerung. Ich befinde mich im dritten Gang, manueller Modus, 4000 Umdrehungen liegen an. Ich gebe Vollgas und kann in Gedanken «21, 22» aussprechen und erst bei 22 setzt der Schub ein. Und das ist definitiv nicht Porsche-like. Geht gar nicht. Kein Wunder, warte ich am Kurvenausgang auf den Schub. Da muss erst Ladedruck aufgebaut werden!
Bei der zweiten Disziplin, dem Cruisen, leistet sich der Panamera zwar keine derartigen Patzer mehr, aber es zeigt, dass auch ein Porsche nicht perfekt ist. Er ist leise und er ist komfortabel, keine Frage. Lässiges Dahingleiten macht genauso viel Freude wie das sportliche Fahren. Bei den Assistenzsystemen geht Porsche jedoch zu weit. Der aktive Lenkassistent lenkt viel zu rüde mit. Kaum befindet man sich nicht mehr genau in der Mitte der Spur, zerrt es fast schon am Lenkrad. Auch die Kollisionswarnung für Fussgänger meint es zu gut. Viel zu oft piepst mich das Auto an, nur weil jemand auf dem Trottoir nahe der Strasse läuft, jedoch keine Anstalten macht, die Strasse überqueren zu wollen. Beide Systeme sind gut gemeint, aber sie nerven, was zur Folge hat, dass sie deaktiviert werden. Schade.
Vielleicht sollte Porsche etwas Nachhilfe bei Nachbar Mercedes in Anspruch nehmen. Die haben ihre Systeme nämlich perfekt im Griff. Lob habe ich aber auch noch auf Lager. Der Abstandstempomat funktioniert fehlerfrei und ist mit der Erweiterung «InnoDrive» erhältlich, womit der Panamera mit programmiertem Navi teilautonom fahren kann, weil er sowohl Tempolimits, als auch den Streckenverlauf kennt. Der Nachtsichtassistent, der mittels einer Wärmebildkamera im Dunkeln Fussgänger erkennt und visuell darstellt, ist echt cool. Jetzt müsste Porsche nur noch ein Head-up-Display anbieten, damit diese wertvolle Information auch dort eingeblendet werden kann…
Der Panamera ist ein richtiger Blender geworden. Er sieht nicht nur fantastisch aus, sondern vereint tatsächlich Komfort und Sportlichkeit, wie von Porsche versprochen. Doch so ganz ohne Kompromiss geht es eben doch nicht. Obwohl wenn der Panamera definitiv langstreckentauglich ist, wird er nie die Sanftmütigkeit einer grossen Limousine erreichen. Auch bei der Sportlichkeit ist der Panamera ein Panamera und kein 911er. Das vorsichtige ESP zeigt deutlich, dass Sicherheit vor Sportlichkeit geht. Immerhin ist es zweistufig deaktivierbar. Lenkung und Getriebe sind hingegen einfach nur fantastisch und da spürt man, dass jahrzehntelange Erfahrung sich auszahlt. Da ist Porsche Benchmark. Beim Lenkassisistent spürt man dagegen, dass da noch weniger Forschung betrieben wurde als bei manch anderem Hersteller. Das verzögerte Ansprechverhalten ist ganz klar mein grösster Kritikpunkt. Fahrdynamik ist die Kernessenz bei Porsche, da erwarte ich diesbezüglich absolute Perfektion ohne wenn und aber.
Zu guter Letzt kommt natürlich noch der Preis ins Spiel. 179’280 Franken kostet der Testwagen, aber das ist bei Weitem noch nicht volle Hütte. Die Preispolitik, die Porsche für Sonderausstattungen betreibt, grenzt schon fast an Unverschämtheit. Aber es ist wie bei Apple. Die Kunden blechen, warum also etwas daran ändern? Ich besitze Apple Produkte. Und ich würde mir auch den Panamera kaufen, wenn mein bescheidener Kontostand verzehnfacht würde. Ich würde seine wenigen Fehler genauso akzeptieren, wie ich die wenigen Fehler meiner Apple-Produkte akzeptiere – in der Hoffnung, dass der Hersteller dies bei der nächsten Generation verbessert. Denn ich bin überzeugt davon, dass Porsche lernfähig ist.
Alltag
Dank der Hinterachslenkung ist der grosse Panamera nun handlicher, die 360-Grad-Kamera kompensiert die Unübersichtlichkeit – doch beides kostet halt Aufpreis. Ein Raumwunder ist er für seine Grösse nicht, da dringt der Sportwagen in ihm durch. Aber es gibt ja noch die Executive Variante mit längerem Radstand und bald auch den Kombi.
Fahrdynamik
Perfekte Lenkung, tolles Fahrwerk, bissige Bremsen, drehfreudiger Motor. Was will man mehr? Zum Beispiel ein weniger rigoroses ESP, aber das lässt sich immerhin zweistufig deaktivieren. Das verzögerte Ansprechverhalten sollte aber wirklich nicht sein.
Umwelt
Der Normverbrauch ist mit 8,2 l/100 km für ein so grosses und sportliches Auto sehr gut. Doch auch der Testverbrauch von 10,9 Liter mit einigen sportlichen Ausfahrten geht in Ordnung. Bei normaler Fahrt sind locker unter 10 Liter drin.
Ausstrahlung
Endlich ist der Panamera so schön, wie man es von einem Porsche erwarten kann. Rundum eine wahre Augenweide. Gut gemacht!
Fazit
+ Schönes Design
+ Drehfreudiger Motor mit schönem Sound
+ Perfekt schaltendes Getriebe
+ Ultradirekte Lenkung, sensationelles Handling
+ Extrem bissige Bremsen
+ Tolles adaptives Fahrwerk mit drei Stufen
+ Nachtsichtassistent
+ Sehr bequeme Sitze mit ordentlichem Seitenhalt
+ Exzellentes Ergonomie
+ Intuitive Bedienung, Online-Navigation
+ Akzeptabler Verbrauch
– Verzögertes Ansprechverhalten
– Strenges ESP
– Unverschämte Preisgestaltung
– Kein Head-up-Display erhältlich
– Übereifrige Assistenzsysteme (Lenkassistent und Kollisionswarnung)
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Porsche Panamera 4S |
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Preis Basismodell / Testwagen | 138 000 CHF / 179 280 CHF |
Antrieb | Benzin, Allradantrieb |
Hubraum / Zylinder | 2894 ccm / V6 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Biturbomotor |
Getriebe | 8-Gang Doppelkupplungsgetriebe |
Max. Leistung | 324 kW bei 5650 - 6600 r/min |
Max. Drehmoment | 550 Nm bei 1750 - 5500 r/min |
Beschleunigung 0 - 100 km/h | 4,2 s |
Vmax | 289 km/h |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 8,2 l/100 km / 186 g/km / C |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 10,9 l/100 km / 247 g/km / +33% |
Länge / Breite / Höhe | 5,05 m / 1,94 m / 1,42 m |
Leergewicht | 1945 kg |
Kofferraumvolumen | 495 - 1304 l |
Bilder: auto-illustrierte
Hey Koray! Finds ziemli geil dini Bricht chenne zlese! – Und find bisch au immer wieder am Züg verbessere. Zum Biispiel findi super, dass d Bilder ezt im Text ibindisch und chli meh Absätz machsch. Di eltere Text (porsche-panamera-4s) – hend ein amigs schier erschlage. – Wasi mal interessant fändi isch zum Wüsse wie zu dene Wäge chunsch und wie alles agfange hät. – So es chlises Story-Telling im “About me” ine.
Uf jedefall – Keep going!
N Liebe Gruess us Züri
Hey merci vielmal fürs Lob, freut mi! Ds About me hani eh scho lang mal vor, zums umstelle, denn werde en Teil «wie alles begann» ineneh. 😉
Gruess usem Glarnerland!