Porsche hat klare Werte und bei jedem Auto ein klares Ziel: Puncto Fahrdynamik «best in class» zu sein. Der Taycan ist in jeder Hinsicht absolutes Neuland für Porsche und somit klärt dieser Test einige wichtige Fragen: Wie sportlich kann ein Elektroauto trotz des hohen Gewichts sein? Wie geht Porsche mit dem Konflikt Performance vs. Effizienz um? Darüber hinaus wird geklärt, ob der Basis-Taycan überzeugt, oder im Schatten seiner stärkeren Brüder steht. So viel sei verraten: Auch Porsche kocht nur mit Wasser. Aber die übrigen Zutaten sind verdammt gut.
Porsche spricht gerne über ein völlig neues Segment, welches mit dem Taycan erobert wird. Antriebstechnisch stimmt das natürlich, doch von der Karosserieform her ist eine Ähnlichkeit zum Panamera nicht von der Hand zu weisen. Dennoch baut der Taycan «filigraner», sofern man das bei einer Länge von fast fünf Metern so nennen kann. Der Stromer verfügt über eine flachere Dachlinie, eine kürzere Schnauze und schmiegt sich mehr an den Fahrer als ein Panamera. Ausserdem kauert der Taycan näher am Asphalt.
Eng geschnitten
Der Einstieg in die tief montierten Sportsitze über den breiten Seitenschweller ist etwas umständlich und sobald man hinter dem Lenkrad sitzt, bekommt man ein besseres Bild des Taycan vermittelt. Obwohl de facto ein grosses Auto, sitzt man wie in einem Sportwagen eingebettet, viel Bewegungsfreiheit hat man auf den vorderen Plätzen nicht. Auf den hinteren Plätzen wird es ab ca. 1,75 Meter Körpergrösse sogar ungemütlich eng, obwohl die Rückbank perfekt ausgeformt ist und einen gewissen Seitenhalt bietet.
Keine Knöpfe
Voll auf digital setzt Porsche bei der Bedienung. Der Fahrer blickt auf ein geschwungenes, personalisierbares Digital-Cockpit, wobei aber die äusseren Rände Porsche-typisch ungünstig vom Lenkrad verdeckt werden. Das Infotainmentsystem reagiert schnell und lässt sich flüssig und intuitiv bedienen, auch dank der im übertragenen Sinne schnell schaltenden Sprachsteuerung. Auf dem unteren Display ist hauptsächlich die Klimaanlage zu bedienen und ich könnte es wohl noch 100 Mal schreiben, dass kein Display der Welt für solche Dinge Knöpfe ersetzen kann, der Trend zu immer mehr Displays ist irgendwie unumkehrbar.
Optionaler Elektro-Sound
Sobald man einsteigt, startet der Taycan automatisch, hören tut man nichts. Die Brücke in die «Vergangenheit» schlägt im Taycan die analoge Sport-Chrono-Stoppuhr auf der Mittelkonsole, die einfach in jeden Porsche gehört. Über den Wählhebel rechts vom Lenkrad wird die Fahrstufe eingelegt und wer den optionalen Electric Sport Sound dazubestellt hat, bekommt ab sofort etwas zu hören.
Der Taycan gibt nämlich Science-Fiction ähnliche Raumschiff-Geräusche von sich, die auch aussen hörbar sind. Niederfrequentigere Geräusche bei geringerem Tempo und hochfrequentigere bei hohem Tempo. Das ist die ersten fünf Minuten unterhaltsam, aber danach absolut verzichtbar. Weniger verzichtbar ist das ebenfalls optionale Luftfahrwerk mit drei Kennlinien und adaptiver Dämpfung. Es trägt massgeblich zur Wandelbarkeit des Taycan bei.
Komfortabel, aber auf der Lauer
Im Normal-Modus im Alltagsbetrieb ist der Taycan gemütlich unterwegs, federt gelassen, rekuperiert automatisch mittels Radar und macht keine Sprünge nach vorne, wenn man das Gaspedal mal etwas heftiger antippt. Doch die Porsche-DNA ist unverkennbar, allem voran durch die Lenkung, die unabhängig vom Fahrmodus so harmonisch und präzise lenkt, als wäre die Vorderachse ein Körperteil geworden. Dazu liefert sie beständiges, messerscharfes Feedback.
Der Stromer für Petrolheads
Mittels Sport- und Sport Plus Modus lässt sich der Taycan puncto Handling, Strassenlage und Ansprechverhalten schärfen. Wenn ich nicht im Normal-Modus unterwegs war, dann im Sport Plus und zwar zusätzlich mit ESP im Sport-Modus. Der Basis-Taycan ist nämlich der einzige mit Heckantrieb, was ein ganz neues Fahrerlebnis zu Tage bringt.
Mit 357 Nm Drehmoment ist der Taycan für einen Stromer auf den ersten Blick ein ziemlicher Schwachmat, aber aufgrund des Zwei-Gang-Getriebes an der Hinterachse ist die Realität eine ganz andere. Natürlich bleibt der heftige Kick beim starken Beschleunigen trotz blitzschnellem Ansprechverhalten aus, aber der Schub ist dennoch beachtlich und mehr als ausreichend. Wer allerdings voll auf Beschleunigung aus ist, wird mit dem Einstiegs-Taycan nicht glücklich.
Wer jedoch allgemein Freude am Fahren hat, für den ist der Taycan ein Volltreffer. Anstatt voll einzuschlagen und dann allmählich nachzulassen, so wie die meisten Elektroautos ihre Kraft entwickeln, baut der Porsche sie linear und stetig auf, wie ein Sauger! Bei ca. 120 km/h fährt bei Vollgas ausserdem ein Ruck durchs Auto, weil in den zweiten Gang geschaltet wird. Ein Detail, aber ein feines!
Abgesehen von der tollen Antriebscharakteristik begeistert der Taycan mit sämtlichen Eigenschaften, die man von Porsche erwartet. Die Lenkung lobte ich bereits, doch auch die Bremse bietet einen sauberen Druckpunkt und angenehmen Gegendruck, von der Rekuperation spürt man gar nichts. Aufgrund des tiefen Schwerpunktes und der ausgewogenen Balance des Autos beherrscht der Taycan Kurventempi, die nichts für schwache Mägen und Nerven sind. Die Stabilität beim starken Bremsen und schnell gefahrenen lang gezogenen Kurven ist ein neuer Benchmark bei Elektroautos.
Und weil der Taycan heckgetrieben ist, sind beim Abbiegen oder beim starken Beschleunigen aus engen Kurven gut kontrollierbare Slides möglich, weil sein Drehmoment nicht überbordernd ist. Abgesehen vom ersten Tesla Roadster ist der Taycan das erste, wirklich driftbare Elektroauto. Obwohl ich von der Querdynamik des Testwagens bereits hin und weg bin, würde noch etwas mehr gehen, denn die Option des Torque Vectorings an der Hinterachse war beim Testwagen nicht an Bord.
Alltag ja, weit weg naja
Damit beweist Porsche eindrücklich, dass der Basis-Taycan enormen Fahrspass bietet und puncto Fahrdynamik ganz klar «best in class» ist. Anders sieht es allerdings bei der Energieeffizienz aus. Im sportlich gefahrenen Test lag der Verbrauch bei 30,0 kWh/100 km, die reale Reichweite beträgt somit knapp über 300 Kilometer. Einverstanden, bei längeren Fahrten heizt man weniger in der Gegend umher, doch die WLTP-Reichweite von 407 Kilometern gibt ein Indiz, dass ein tiefer Stromverbrauch nicht die Stärke des Taycan ist. Ganz allgemein haben deutsche Elektroautos bislang nicht das Niveau der Energieeffizienz erreicht wie beispielsweise Hyundai oder Tesla.
Teurer Einstieg
Um dem Elektroauto Rechnung zu tragen, steht der Taycan ausserdem auf Pirelli Cinturato P7 Reifen, die einen geringen Rollwiderstand und hohen Komfort bieten. Er ist immer noch um Welten besser als die Eco-Reifen, auf welchen häufig kompakte Elektroautos sitzen. Nichtsdestotrotz könnte mit einem sportlicheren Reifen das Fahrfeeling des Taycan noch weiter intensiviert werden.
Bei der Preispolitk des Taycan bleibt sich Porsche wenig überraschend voll und ganz treu. Die Preise starten bei 102’800 Franken, doch die Aufpreisliste ist auch beim Einstiegsmodell lang und verlockend, sodass am Ende der Testwagen 140’300 Franken kostet. Doch während die schnelleren Taycan meiner Meinung durch den technisch ähnlichen Audi e-tron GT konkurrenziert werden, ist der heckgetriebe Einstiegs-Taycan einzigartig.
Alltag
Trotz üppigen Ausmassen ist der Taycan innen eng geschnitten. Vorne sitzt man schön eingebettet, Sitze und Cockpit schmiegen sich um einen wie ein Massanzug. Doch hinten fehlt es für ein Auto dieser Klasse klar an Kopf- und Beinfreiheit. Auch der Kofferraum ist nicht ideal für die grosse Reise, aber dazu ist das Elektroauto per se ja nicht ideal.
Fahrdynamik
Wenn ein Elektroauto für Petrolheads in Frage kommt, dann der Taycan und zwar so wie er da steht, als Basismodell. Der Elektroantrieb mit sich aufbauendem Schub fühlt sich an wie ein Sauger. Dazu kommt ein traumhaftes Einlenkverhalten, fantastisches Feedback und ein gut kontrollierbares Heck, womit Powerslides schön möglich sind. Die Bremse brilliert ebenfalls mit klarem Druckpunkt, von der Rekuperation spürt man nichts. Das hohe Eigengewicht wird durch den tiefen Schwerpunkt und die ausgezeichnete Balance ebenfalls weitgehend kaschiert.
Umwelt
Ganz klar der Punkt, wo Porsche keine Pionierarbeit leistet. Der brutto 93 kWh fassende Akku verhilft dem Taycan zu einer WLTP-Reichweite von lediglich 407 km. Im häufig sportlich gefahrenen Test – und ein Porsche ist ja dazu da, um sportlich gefahren zu werden – standen am Ende 30,0 kWh/100 km auf dem Kombiinstrument. Das reicht für eine Reichweite von ungefähr 315 Kilometer. Tesla-Jäger ja, aber nicht puncto Energieeffizienz.
Ausstrahlung
Der flache Elektrosporler mit vielen Anleihen der Mission-E-Konzeptstudie fällt auf der Strasse auf. Vor allem die fancy Farbe «Frozenberry Metallic» sorgt für noch mehr Aufsehen.
Fazit
+ Flaches, sportliches Design
+ Ausgezeichnete Ergonomie
+ Exzellente Verarbeitungsqualität, edle Materialien
+ Haltstarke Sportsitze, sehr tiefe Sitzposition
+ Navigation berechnet Ladestopps auf der Route mit ein
+ Intuitives Infotainmentsystem mit weitreichenden Online-Services
+ Hoher Grad an Individualisierung
+ Hoher Fahrkomfort
+ Linearer Elektroantrieb, fühlt sich an wie ein Sauger
+ Zwei-Gang-Getriebe an der Hinterachse
+ Unangefochten präzise und direkte Lenkung
+ Drei verschiedene Fahrwerksstufen des Luftfahrwerks für variable Sportlichkeit plus optionales Torque Vectoring
+ Mit ESP Sport sind Powerslides möglich
+ Extrem hohe Ladeleistungen von bis zu 270 kW möglich
+ Nicht gewünschte Assistenzsysteme bleiben nach Neustart deaktiviert
+ Grosse Auswahl an Assistenzsystemen
– Hoher Stromverbrauch, reale Reichweite knapp
– Hoher Preis, viele und teure Optionen
– Knappes Platzangebot im Fond
– Enge Kofferraum-Öffnung
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Porsche Taycan mit Performance-Batterie Plus |
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Preis Basismodell / Testwagen | 102 800 CHF / 140 300 CHF |
Antrieb | Elektrisch, Heckantrieb |
Akkukapazität | 93,4 kWh (Brutto) / 83,7 kWh (netto) |
Max. Leistung | 280 kW (Overboost: 350 kW) |
Max. Drehmoment | 357 Nm (Overboost: 500 Nm) |
Beschleunigung 0–100 km/h | 5,4 s |
Vmax | 230 km/h (elektronisch abgeregelt) |
WLTP-Verbrauch / Energieeffizienz | 25,4 kWh/ 100 km / A |
Test-Verbrauch / Differenz | 30,0 kWh/100 km / +118% |
WLTP-Reichweite | 407 km |
Ø Test-Reichweite | 315 km |
Länge / Breite / Höhe | 4,96 m / 1,97 m / 1,31 m |
Leergewicht | 2205 kg |
Kofferraumvolumen | 407 l + 84 l Frunk |
Bilder: Porsche Schweiz
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