Ein Blick hinter die ominöse Probezeit

Seit dem 1.12.2005 ist die 2-Phasen Ausbildung in Kraft, das heisst, nach bestandener Fahrprüfung ist man vorerst drei Jahre auf Probe unterwegs. Während diesen drei Jahren sollte man sich keine schweren Zuwiderhandlungen gegen das Strassenverkehrsgesetz erlauben (oder sich zumindest nicht dabei erwischen lassen). Doch was heisst das genau? Die Justiz behandelt die Neulenker bei punktuellen Vergehen nicht härter als alle anderen Lenker. Ob ich als Neulenker oder mein Grossvater als erfahrener Lenker mit 65 km/h innerorts erwischt werden, macht keinen Unterschied. Wir würden beide eine saftige Busse kriegen, aber mit der Bezahlung der Strafe wäre die Sache für uns beide erledigt. Auch bei Falschparkieren habe ich nichts zu befürchten, selbst wenn mir die Polizei wöchentlich ein Knöllchen unter die Scheibenwischer heften müsste.

Kritisch wird es erst, wenn das Vergehen so schwer ist, dass man mir den Führerschein entzieht, beispielsweise wegen Fahrens mit mehr als 0.8 Promille Alkohol intus oder 160 km/h auf der Autobahn. Je nach Schwere des Vergehens wird mir der Ausweis einige Monate entzogen. Wenn ich das Billett dann zurückbekomme, wird mir die Probezeit um ein Jahr verlängert. Hatte ich zum Zeitpunkt des Vergehen noch 1.5 Jahre Probezeit vor mir, so sind es ab dem Zeitpunkt, an dem ich meinen Führerschein zurückerhalte, 2.5 Jahre. In diesen 2.5 Jahren sollte ich nun höllisch aufpassen, denn wenn ich mir nochmals eine Dummheit erlaube und man mir den Führerausweis entzieht, wird er mir annulliert. Konkret bedeutet das, dass ich nun ein Jahr lang Zeit habe, um über meine Fehler nachzudenken. Möchte ich nach diesem Jahr wieder Auto fahren, muss ich zuerst zum Verkehrspsychologen, welcher bestätigen muss, dass ich fähig bin, zu fahren und ich aus meinen Fehlern gelernt habe. Anschliessend muss ich nochmals komplett von vorne beginnen, will heissen: Nothelferkurs absolvieren, die Theorieprüfung absolvieren, nochmals ein paar Fahrstunden nehmen und erneut die Autoprüfung bestehen. Und dann selbstverständlich nochmals die drei Jahre Probezeit auf mich nehmen.
Ihr seht also: korrekt fahren lohnt sich.

Doch korrekt fahren ist nur die halbe Miete. Zusätzlich müssen noch zwei Weiterbildungskurse besucht werden, die sogenannten WAB Kurse. Ich möchte nun erläutern, was während diesen Kurstagen auf dem Programm steht.

WAB Kurs 1

Beim WAB Kurs 1 sollte man mit dem eigenen Fahrzeug aufkreuzen. Notfalls werden Fahrzeuge zur Verfügung gestellt, aber es geht darum, Erfahrungen mit dem eigenen Auto zu sammeln. Im Zentrum dieses Kurses stehen die Fahrphysik und die Unfallursachen. Es werden die häufigsten Unfallursachen analysiert sowie das Thema Alkohol und Drogen etwas eingehender betrachtet aus juristischer Sicht. Des weiteren gibt es noch kurze Theorieeinheiten zur Bereifung und Bremsen eines Fahrzeugs und den heutigen elektronischen Helferchen. Doch im Vordergrund stehen die praktischen Fahrerlebnisse. Es werden Vollbremsungen auf nasser Fahrbahn geübt und die verschiedenen Bremswege miteinander verglichen. Ausserdem wird die Reaktionszeit ermittelt, sprich, wie lange dauerst es, bis der Fahrer beim Aufleuchten des Rotlichts auf die Bremse tritt. Auch das Ausweichen während einer Vollbremsung mit ABS wird geübt.
Ebenfalls wird gezeigt, was für Folgen das Fahren mit zu geringem Abstand zum Vordermann hat, denn bei einer geschätzten Reaktionszeit von einer Sekunde legt man bei Tempo 50 rund 14 Meter zurück, bis man überhaupt reagiert. Ironischerweise sind 15 Meter in etwa der Abstand, welcher in der Praxis eingehalten wird. Was also passiert, wenn der Vordermann plötzlich eine Notbremsung durchführen muss, bedarf aus meiner Sicht keiner weiteren Worten.
In einer weiteren Übung muss man solange im Kreis fahren (auf nasser Fahrbahn) und immer schneller fahren, bis das Auto zu rutschen beginnt. So lernt man die Grenzen des eigenen Fahrzeugs kennen. Anschliessend muss auf nasser Fahrbahn eine Kurve so schnell wie möglich durchfahren aber so, dass das Auto nicht ins Schleudern gerät.
Zu guter Letzt wird noch das Slalomfahren geübt, aber nicht etwa alleine, sondern mit anderen Fahrzeugen zusammen. Die Teilnehmer müssen sich selber arrangieren, dass keiner stehen muss und man ohne Kollisionsgefahr aneinander vorbeikommt.
Alles in allem soll dieser Kurs dazu beitragen, dass man im Strassenverkehr weniger Unfälle verursacht.

WAB Kurs 2

Beim zweiten Kurs steht das ökologische und wirtschaftliche Fahren im Zentrum. Das Auto wird vom Kursorganisator zur Verfügung gestellt. Während diesem Kurs wird eine Strecke zweimal gefahren, einmal völlig frei ohne jegliche Vorschriften, allerdings trägt man die Verantwortung. Fängt man sich eine Busse ein, wird einem diese weitergeleitet. Anschliessend wird das eigene Fahrverhalten vom Instruktor und den Mitfahrenden reflektiert, man erhält ein Feedback, was andere vom eigenen Fahrstil denken.
Nach der Feedbackfahrt gibt es einen Theorieteil, in welchem man den Fahrstil Eco-Drive näher gebracht wird. Danach wird das erlernte praktisch umgesetzt und zwar auf derselben Strecke, die am Vormittag schon befahren wurde. Nach der Fahrt werden die Daten der zwei Fahrten verglichen. In der Regel wird mit Eco-Drive 0.5-1.0 Liter auf 100 km gespart, weniger CO2 ausgestossen, weniger Schaltvorgänge durchgeführt und eventuell sogar wenige Minuten Zeitgewinn erreicht bei einem entspannterem Fahren.
Ziel dieses Kurses ist, dass man versucht, die umweltfreundliche Fahrweise auch im Alltag einzusetzen und man von Fremdpersonen eingeschätzt wird, wie man sich am Lenkrad so macht.

Beide Kurse zusammen kosten je nach Veranstalter 750 – 800 CHF. Viel Geld für junge Personen, doch leider ist statistisch erwiesen, dass junge Lenker für die meisten Unfälle verantwortlich sind. Jedoch machen die Kurse wirklich Sinn, insbesondere der zweite wäre auch für die ältere Generation geeignet.
Kurz vor Ablauf der Probezeit muss man selber aktiv werden und dem Strassenverkehrsamt die Kursbestätigungen, welche gleichzeitig auch ein Gesuch für den unbefristeten Führerschein sind, zusenden. Nach diesem letzten Schritt hat man es durch die Probezeit geschafft, aber dennoch gilt: Fahrt immer vorsichtig! 🙂

2 thoughts on “Ein Blick hinter die ominöse Probezeit”

  1. Hallo danke für den lesenswerten Beitrag! Bin auf meiner Recherche zum wabkurs auf den Blog gestossen. Könntest du dazu mehr schreiben? Mit freundlichen Grüßen

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