Wer kennt das nicht? Nach ein paar Bier mit Kollegen mutiert man plötzlich zum Geschäftsmann schlechthin. Man hat eine geniale Idee, wie man mit simplen Mitteln das grosse Geld machen kann, weil es das so bis anhin noch nicht gibt. Ob das Evoque Cabrio am Anfang auch eine Bieridee von ein paar verrückt gewordenen Designern gewesen ist? Ich weiss es nicht. Ich kann mir aber sehr gut vorstellen, dass es eine ganze Menge Überzeugungsarbeit bedurfte, um dieses schräge Vehikel beim Vorstand durchzuboxen. Jetzt ist das aktuell unkonventionellste Auto da und ist ein fahrender Appell an alle, geile Ideen am nächsten Morgen nicht zu begraben.
Es gibt Autos, die fallen keinen Deut auf. Allerdings sind es genau jene Autos, die in der Regel den Profit bringen. Supersportler, die den Herstellern einen Egoboost verschaffen und nur in Kleinserie gefertigt werden, sind aus finanzieller Sicht meistens ein Verlust, aber sie haben dafür die Wirkung eines Leuchtturms. Tja, da Range Rover als Marke schlecht einen Supersportler bauen kann, haben sie sich etwas besonderes einfallen lassen und nichts geringeres als eine neue Rasse gezüchtet, um es so auszudrücken: Jene der SUV-Cabrios.
Um das Evoque Cabrio zu beurteilen, kommt es auf den eigenen Standpunkt darauf an. Für ein SUV ist es furchtbar unpraktisch, für ein Cabrio dagegen ist es ungewohnt vielseitig. Wobei auch vielseitig mit Vorsicht zu geniessen ist und damit vor allem die zweifellos vorhandenen Offroad-Qualitäten gemeint sind. Der Kofferraum ist ganz schön knapp bemessen und lässt sich nicht durch das Umklappen der Rücksitze erweitern. Ob das Dach offen oder geschlossen ist, hat keinen Einfluss auf den Platz, der Kofferraum ist so oder so klein. Dafür kann man es hinten ganz gut aushalten, sofern vorne kein Riese sitzt. Die Kopffreiheit ist dank gerader Dachlinie erstaunlich grosszügig, jedoch fehlt hinten auf der äusseren Seite jeweils eine Armlehne.
Ein Kurztrip zu viert lässt sich im Evoque Cabrio durchaus arrangieren, jedoch keine Ferienfahrt. Dafür ist nicht nur der Platz zu knapp, sondern auch die Zuladung, welche nicht einmal 250 Kilo beträgt, womit wir schon beim nächsten Problem wären: Das Cabrio ist massiv übergewichtig. 2150 Kilo Gewicht auf 4,36 Meter Länge sind – das behaupte ich jetzt einfach mal – ein Rekord im negativen Sinne. Mein Grossvater fand die passenden Worte dafür:«Das ist ja ein halber Lastwagen, mit dem Unterschied, dass er keinen Platz bietet.»
Nur gut, dass man von den Macken dieses speziellen Cabrios von aussen nichts sieht. Vor allem in der leuchtenden Farbe «Firesand» ist dieses Auto mit der martialischen Optik ein echtes Statement. Mit geschlossenem Dach sieht der Evoque aus wie ein Batman-Mobil, während er offen so massig und breitbeinig daherkommt, dass er mich an Obelix erinnert: Man sieht vor allem den Bauch, vom Kopf ist nicht viel zu sehen, so hoch ist die Gürtellinie vom Evoque. Trotzdem begeistert das Auto die Leute, es wird auf der Strasse neugierig betrachtet und manch einer zückt gar das Smartphone, um ein Foto zu machen.
Richtig böse gesagt kann das Evoque Cabrio nichts wirklich gut, ausser eines: Bella Figura machen. Dieses Auto kann man einfach nicht allzu ernst nehmen und diese Leichtigkeit überträgt sich auch auf das Fahren. Man cruist gemütlich dahin und bekommt angesichts der hohen Sitzposition dennoch erstaunlich viel Fahrtwind ab. Der Benziner schnurrt leise vor sich hin, beim starken Beschleunigen entweichen ihm dezente, aber durchaus kernige Klänge. Deshalb empfehle ich den Benziner, auch wenn er aus ökologischer Sicht kreuzfalsch ist. Das Fahren ist einfach schöner, zumal das Auto mit dem Dieselmotor noch schwerer ist.
Das Range Rover Evoque Cabrio verspricht im Prospekt reihenweise tolle Erlebnisse, indem man oben ohne durch den Schlamm, am Strand oder auf der Schneepiste cruist. Das sieht super aus, denn es ist das einzige Cabrio, mit welchem so etwas möglich ist. Nur: Wann hat man im echten Leben die Gelegenheit, eine Schneepiste oder einen Strand zu befahren? Eben. Deshalb beschränken sich die tollen Erlebnisse mit dem Evoque Cabrio auf die Strasse. Dort fährt es sich gechillt, aber weder aufregender, noch gemütlicher als mit anderen Autos.
Wer mit dem Evoque Cabrio vorfährt, beweist, dass er gerne gegen Konventionen verstösst. Seht her, ich gehe leichten Schrittes durchs Leben und dieses Schubladen-Denken kann mich mal. So ein offener Evoque kann einem deutlich teuren Auto ohne Weiteres die Show stehlen, einfach, weil er (noch) etwas Einzigartiges ist. Diese Einzigartigkeit lässt sich Range Rover hübsch bezahlen, denn der Aufpreis fürs Cabrio beträgt happige 4300 Franken, der Testwagen kostet stolze 79’960 Franken, obwohl das eine oder andere angenehme Extra noch fehlte. Dieses Auto lebt davon, dass es sich selber nicht ganz ernst nimmt. Wahrscheinlich sinnieren alle Käufer erstmals nach ein paar Bier davon, sich ein Evoque Cabrio zuzulegen. Und alle, die nach dem Ausschlafen des Rausches immer noch von diesem skurrilen Cabrio überzogen sind, sind jene, welche vom Charakter her zu diesem kontroversen Auto passen.
Alltag
Es kommt auf den Standpunkt drauf an: Für ein Cabrio ist der Evoque ziemlich vielseitig und geräumig, für ein SUV ist er alles andere als praktisch. Die Platzverhältnisse gehen gerade noch in Ordnung, jedoch ist der Kofferraum ziemlich knapp. Besonders gering ist die Zuladung.
Fahrdynamik
Dafür, dass es die Top-Motorisierung ist, hat der Evoque nicht extrem viel Kraft. Er ist ein gemütlicher Cruiser, der sich zwar ausreichend präzise fahren lässt, jedoch aufgrund seines hohen Gewichts bald an die Grenzen kommt.
Umwelt
Der Benziner ist zwar aufgrund des ruhigen Laufs und des angenehmen Klangs definitiv schöner zu fahren als ein Diesel. Aber der Verbrauch von 10,7 l/100 km ist für ein Auto mit 4,36 Meter Länge definitiv kein Ruhmesblatt.
Ausstrahlung
Man kann ihn geil, schräg oder scheusslich finden – oder von allem ein wenig. Jedoch polarisiert sein Design extrem und man muss sich durchaus darauf einstellen, dass das Evoque Cabrio ab und zu fotografiert wird.
Fazit
+ Cooles Design, der Erste seiner Art
+ Laufruhiger Motor mit kernigem Klang
+ Cabrio mit Offroad-Talenten
+ Diverse Assistenzsysteme verfügbar
+ Sehr gut isolierendes Stoffdach
+ Gemütliches Fahrverhalten
+ Für ein SUV ausreichend präzises Handling
+ Edles Interieur
+ Bequeme Sitze
+ Perfekt schaltende 9-Gang Automatik
– Zu hohes Gewicht
– Hoher Verbrauch
– Teurer Preis
– Geringe Zuladung
– Wenig intuitives Mediasystem, keine Smartphone-Integration
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Range Rover Evoque Convertible |
---|---|
Preis Basismodell / Testwagen | 62 100 CHF / 79 960 CHF |
Antrieb | Benzin, Allradantrieb |
Hubraum / Zylinder | 1998 ccm / R4 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor |
Getriebe | 9-Gang Automatikgetriebe |
Max. Leistung | 177 kW bei 5800 r/min |
Max. Drehmoment | 340 Nm bei 1750 r/min |
Beschleunigung 0 - 100 km/h | 8,6 s |
Vmax | 201 km/h |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 8,6 l/100 km / 201 g/km / G |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 10,7 l/100 km / 250 g/km / +24% |
Länge / Breite / Höhe | 4,36 m / 1,98 m / 1,61 m |
Leergewicht | 2143 kg |
Kofferraumvolumen | 251 l |
(Bilder: Koray Adigüzel)
1 thought on “Range Rover Evoque Cabrio: Die wahr gewordene Bieridee”