Range Rover Evoque: Lord Beauty

Wir schreiben das Jahr 2008. Das spektakuläre Concept Car Range Rover LRX erblickt das Licht der Welt. Noch nie war ein SUV so schön, muskulös und sexy gezeichnet – schon gar nicht als Dreitürer. Zeitsprung in die Gegenwart. Der Range Rover Evoque (engl. to evoke = hervorrufen) steht vor mir, bis auf die Rückspiegel und die Grafik der Rücklichter kaum von der Studie LRX zu unterscheiden. Wenn doch nur alle Concept Cars so konsequent umgesetzt werden würden…
Auf den ersten Blick wirkt der Evoque wie ein weichgespülter Lifestyle-SUV, aber tief im Inneren schlummern die echten Range Rover Qualitäten: Exzellente Verarbeitungsqualität und mit dem Terrain Response System (passende Reifen vorausgesetzt) bessere Geländegängigkeit als bei vielen anderen Mitbewerbern. Dank seinen kompakten Abmessungen ist er recht handlich und wer besonderen Wert auf Individualismus legt, ordert das dreitürige Coupé. Bleibt bei so vielen Stärken überhaupt noch Platz für Schwächen?

Dass es bei diesem Crossover auf die äusseren Werte ankommt, wird bei einem Blick in die Preisliste deutlich. Das sportlicher wirkende Coupé mit nur drei Türen kostet 1200 CHF mehr als der Fünftürer. Normalerweise kosten zusätzliche Türen extra, und nicht der Wegfall von Türen.
Aber egal ob als Drei- oder Fünftürer, der Evoque ist trotz extravagantem Design sehr stilsicher. Mit nur 4.37 Meter Länge ist er kürzer als die meisten Konkurrenten, wirkt aber durch die stattliche Breite von 1.90 Meter dennoch sehr wuchtig. Die aggressive Front mit den schlitzartigen BI-Xenon Leuchten und dem stylischen LED-Tagfahrlicht sieht beeindruckend aus. Von der Seite betrachtet fällt die abfallende Dachlinie auf und von hinten das hübsche LED-Licht, das knackige Heck und die winzige Scheibe. Fakt ist, dass dieses Design Blicke auf sich zieht. Ebenfalls auffallend sind die riesigen Aussenspiegel. Muss da etwas kaschiert werden? Jawohl, muss es, nämlich die schlechte Sicht nach hinten. Die Scheibe ist so klein und die C-Säule so massiv, dass man froh um die grossen Spiegel und Rückfahrkamera inkl. Parksensoren ist.
Bereits beim Entriegeln zieht der Evoque eine kleine Show ab. Die LED-Lichter blitzen drei mal auf und eine LED-Einheit unter den Spiegeln projiziert im Dunkeln die Evoque-Silhouette auf den Boden. Der Innenraum des Evoque ist ganz klar nichts geringeres als die First Class. Feinstes Leder, bequeme Sitze inkl. dreistufiger Sitzheizung, strukturiertes Aluminium, welches resistent gegen Fingerabdrücke ist, beheizbares Lenkrad, Zwei-Zonen Klimaautomatik inkl. Luftqualitätssensor und eine Verarbeitung, an der es nichts auszusetzen gibt. Selbst wenn man die sagenhafte 825 Watt Meridian Hi-Fi-Anlage mit nicht weniger als 17 Lautsprechern aufdreht oder durch grobe Schlaglöcher fährt, nichts knackt oder ruckelt im Interieur. Zudem sitzen auch hinten grosse Personen bequem, das Panoramadach streckt sich fast über das gesamte Dach und bietet den Fond-Passagieren eine schöne Aussicht. Der Kofferraum ist mit 575 Liter (550 beim Coupé) grosszügig bemessen und verfügt über Befestigungsschienen. Zusätzlich lässt sich die Ambientebeleuchtung in verschiedenen Farben und Helligkeitsstufen einstellen, die Instrumente funkeln wie kleine Kristalle, die Einstiegsschienen sind blau illuminiert und es wimmelt nur so von Ablagemöglichkeiten. Speziell ist der Dual-View Touchscreen, auf dem Fahrer und Beifahrer unterschiedliche Angaben sehen. Schade nur, dass das Mediasystem die Bluetooth-Anbindung des iPhones verweigert, wenn es gleichzeitig via USB (zum Laden) verbunden wird. Aussteigen aus dem Evoque? Nein, danke.

Lieber drücke ich den Startknopf, sehe zu, wie das Automatikwählrad sanft aus der Mittelkonsole ausfährt und der 2.2 Liter Diesel stark gedämmt zum Leben erwacht. Nach dem Kaltstart noch akustisch präsent, arbeitet das 190 PS / 420 Nm starke Aggregat kaum hörbar, sobald es auf Betriebstemperatur gekommen ist. Der Wagen ist so gut schallgedämpft, dass sogar Reifen- und Windgeräusche bei Autobahntempo, weit weg scheinen. In der Folge gleitet man wie auf Wolken über die Strassen, denn das Fahrwerk ist eher kommod abgestimmt und der Evoque neigt sich stark in schnell gefahrenen Kurven. Optional ist ein adaptives Fahrwerk erhältlich, welches die Härte dem Strassen- und Fahrstil entsprechend anpasst, dem Testwagen war dieses Extra aber vorenthalten.
Obwohl der Evoque, insbesondere das Coupé, durchaus sportlich wirkt, darf man sich davon nicht täuschen lassen. Der Motor geht zwar beherzt zur Sache, aber weder Fahrwerk noch Getriebe können sich mit einer zackigen Gangart so richtig anfreunden. Während die Sechsstufen-Automatik bei gemütlichem Gleiten sanft und beinahe unmerklich die Gänge wechselt, hat sie selbst im S-Modus bei einem sportlichen Fahrstil Mühe, ihre Gänge zu sortieren, der gewünschte Schub kommt somit erst verzögert. Dasselbe gilt, wer von einer Kreuzung aus flott in eine Lücke hineinfahren will. Wer aus dem Stand viel Gas gibt wundert sich, warum einen Augenblick lang nichts passiert und erschrickt dann fast, wenn der Motor plötzlich den Marschbefehl von der Automatik erhält.
Im Gegensatz zu anderen SUVs kann der Evoque offroad richtig punkten, denn mit Hilfe vom Land Rover Terrain Response System, mit welchem man zwischen den Modi Asphalt, Schotter/Schnee, Schlamm und Sand wechseln kann, pflügt sich der Evoque beinahe überall durch. Natürlich mit Videobeweis. Der Testverbrauch ist im Rahmen des akzeptablen. Die Werksangabe von 6.5 l/100 km wurde laut Bordcomputer mit 7.4 l/100 km und in real mit 7.7 l/100 km überschritten.

Obwohl der Evoque liebevoll Baby-Range genannt wird, hat er es faustdick hinter den Ohren und ist durch und durch ein ausgewachsener Range Rover. Die Preise starten bei 44’700 CHF für den 150 PS Diesel und Frontantrieb in der Pure-Line. Die anderen Motorisierungen, ein zweiter 150 PS Diesel, ein 190 PS Diesel und ein 240 PS Benziner, fahren mit permanentem Allradantrieb. Basierend auf der Pure-Line gibt es die Edel-Line Prestige und die Sport-Line Dynamique. Der Testwagen mit dem 190 PS Diesel, Prestige-Line und sonstigen Extras schlägt mit 75’880 CHF zu Buche, aber selbst in diesem Preis sind noch nicht alle möglichen Annehmlichkeiten an Bord. Die Preise sind also ebenso selbstbewusst wie die Selbstinszenierung des britischen Beau.

Alltag ★★★★★

Der Evoque bietet vier, notfalls auch fünf Personen in seinem erstklassigen Innenraum perfekt Platz. Ebenfalls grosszügig bemessen ist der Kofferraum. Die miserable Sicht nach hinten versucht er, mit grossen Spiegeln und Rückfahrkamera zu kompensieren. Sehr komfortable Fahrweise, aber hoher Verbrauch.

Fahrdynamik ★★★☆☆

Der Evoque ist eher aufs gemütliche Fahren abgestimmt. Der Diesel ist zwar kräftig und beschleunigt gut, aber Fahrwerk und Getriebe mögen da nicht ganz mit.

Umwelt ★★★☆☆

Der schwächste Diesel mit Frontantrieb und Handschaltung besitzt die Energieeffizienz A. Auch der 190 PS Diesel steht auf dem Datenblatt mit 6.5 l/100 km nicht schlecht da, der Testverbrauch war passabel. Vom 240 PS Benziner mit 8.7 l/100 km Werksangabe kann ich in puncto Umweltbilanz nur abraten.
Schade, dass die Start-Stopp-Automatik nur in Verbindung mit dem Schaltgetriebe angeboten wird.

Ausstrahlung ★★★★★

Ganz klar, der Evoque fällt mit seinem extrovertierten Blechkleid auf. Liebevolle Details wie die unsichtbare Antenne, der versteckte Heckscheibenwischer, sowie die aufwendigen LED-Leuchtgrafiken bilden das Pünktchen auf dem i. Der Evoque ist der erste dreitürige Lifestyle-SUV, andere Hersteller ziehen angesichts des Erfolgs nach.

Fazit ★★★★★

+ Erstklassige Verarbeitung und edle Materialien
+ Gutes Raumgefühl, viel Platz vorhanden
+ Mutiges, extrovertiertes Design
+ Wahre Geländetauglichkeit
+ Komfortables Standardfahrwerk
+ Sanfte, gut abgestufte Automatik
+ Zahlreiche Assistenzsysteme erhältlich
+ Oberklasse Features wie Surround Kamera System und Hybrid-TV erhältlich

– Keine Start-Stopp-Automatik mit Automatikgetriebe
– Mässige Rundumsicht
– Das sportive Aussendesign täuscht, der Wagen ist nicht so sportlich
– Stolze Preise

(Bilder: Land Rover)

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