Ein Auto, majestätisch gross, elegant, funktional und geländetauglich. Die Rede ist vom Facelift des Range Rover Sport. Doch die Neuerungen sind schnell abgehandelt: Zwei Displays in der Mittelkonsole à la Velar, Matrix-LED-Scheinwerfer mit Laserfernlicht als i-Tüpfchen sowie mehr Individualisierungsmöglichkeiten sind die Kernelemente der Modellpflege. Ganz neu ist ausserdem die Plug-in-Hybrid-Variante – und die stelle ich dem ebenfalls weiterentwickelten SVR gegenüber. Politische Korrektheit gegen «Scheissegal, uh!». Das wirft viele Fragen auf: Wie sparsam ist der PHEV im echten Leben? Ist der SVR puncto Verbrauch wirklich so schlimm? Hat der Plug-in-Hybrid fahrdynamische Vorteile gegenüber dem SVR? Und überhaupt: Muss es eines dieser beiden Extreme sein? Viele Fragen, die Antworten folgen!
In diesem Test treten der graue PHEV und der blaue SVR gegenüber. Generell fällt das Facelift aber kaum auf. Lediglich die neuen Scheinwerfer, die etwas sportlicher gestalteten Stossfänger sowie die neuen Auspuffblenden (kein Fake, ist heutzutage erwähnenswert) zeichnen das neue Modell aus. Der Plug-in-Hybrid ist ausserdem nur dank des Schriftzuges als solcher zu erkennen, denn die Ladebuchse ist geschickt im Kühlergrill integriert.
Erhabenes Gefühl
Auch König SVR hat ein paar optische Modifikationen erfahren. Da wären zum einen die Luftauslässe auf der Carbon-Motorhaube, damit sich aufgrund der enormen Abwärme des V8-Reaktors kein Hitzestau im Motorraum bildet. Die Front guckt noch grimmiger als früher und das Heck zieren nun recht klobige, silbrige Auspuffblenden. Mir gefielen die vier Rohre des Vorgängers besser, da wusste man auf Anhieb, was man zu erwarten hatte.
Egal, ob man nun das Cockpit des PHEV oder des SVR erntet: Das Gefühl ist toll. Majestätisch. Man blickt über eine riesige Haube auf alle anderen herab. Trotz der riesigen Mittelkonsole mit ihren beiden Displays bleibt jede Menge Platz für den persönlichen Freiraum. Ausserdem bietet der Range Rover Sport Ablagemöglichkeiten in Hülle und Fülle. Was dafür angesichts der gigantischen Abmessungen gar nicht so gigantisch ist, sind die Raumverhältnisse in der zweiten Reihe. Da gibt es SUVs, die eine ganze Nummer kleiner sind, aber dennoch mehr Platz bieten.
Doppelte Kraft, doppelte Wartezeit
Doch nun geht’s zum Wesentlichen. Rakete gegen träge Öko-Kiste? Oder Hightech-Gefährt gegen veraltete Benzinschleuder? Um die Vorurteile kümmere ich mich später, jetzt kümmere ich mich um den PHEV. Wie üblich startet auch der Range Rover rein elektrisch im Hybrid-Modus. Dieser Standard-Modus ist auch meine Empfehlung, obwohl ein rein elektrischer EV-Modus (Vmax 137 km/h) existiert.
Allerdings bringt der elektrifizierte Range Rover stolze 2662 Kilo auf die Waage und wenn sich der Elektromotor damit alleine abrackern muss, geht es erstens kaum Vorwärts und der Akku schmilzt zweitens nur so dahin. Von den versprochenen 47 Kilometern elektrischer Reichweite kann man gleich auf Abstand gehen. Wer ausserhalb der Stadt elektrisch fährt, kommt keine 20 Kilometer weit. Besser also, man lässt den Bordcomputer das Zusammenspiel von Benziner und Elektromotor im Sinne bestmöglichster Effizienz steuern.
Obwohl die Welt auf dem Papier mit den Leistungsdaten in Ordnung wirkt, so ist in der realen Welt auf der Strasse leider nicht alles in Ordnung. Weil es sich beim Benziner um einen kleinen Zweiliter-Vierzylinder handelt, fehlt dem Antrieb schlicht jene Souveränität, die man in dieser (Gewichts)-Klasse erwartet. Der Motor klingt angestrengt und benötigt hohe Drehzahlen, um dem Leistungswunsch nachzukommen.
Besonders übel weg kommt der Antriebsstrang bei Überholmanövern während des rein elektrischen Fahrens. Beim Kickdown vergehen mindestens zwei volle Sekunden, bis der Schub endlich einsetzt. Grund: Der Benziner muss erst gestartet werden, dann wird der passende Gang eingelegt und erst dann geht es vorwärts. Besonders mühsam ist, dass sich dieses Verhalten weder im Dynamic-Modus, noch im S-Modus des Getriebes ändert. Man kann, sofern es der Akkustand zulässt, das Zuschalten des Verbrenners nicht erzwingen – es sei denn, man ist im Hold-Modus unterwegs, in welchem der Akkustand quasi gespeichert wird. Da müsste es eigentlich eine einfachere Lösung geben.
Am friedlichsten fährt man im Plug-in-Hybrid, wenn man es gemütlich angehen lässt. Die Ruhe an Bord sowie der Fahrkomfort sind formidabel. Zu loben sind ausserdem die Assistenzsysteme: Der Spurhalteassistent bleibt permanent deaktiviert, der Notbremsassistent reagiert nicht zu sensibel und die Matrix-LED-Scheinwerfer mit Laser-Fernlicht machen die Nacht zum Tag, ohne andere zu blenden. Selten habe ich eine gemütlichere Autobahn-Nachtfahrt erlebt als im Range Rover Sport. Weniger gemütlich wird es dafür in kurvigem Geläuf. Mit Sportlichkeit hat der PHEV nicht viel am Hut, dafür ist die Lenkung zu indirekt und die Fahrwerksabstimmung zu soft. Hohe Seitenneigung sowie ein früh regelndes ESP sorgen praktisch von alleine, dass sportliche Eskapaden im Keim erstickt werden.
Schlagen, bollern und wüten
Obwohl der SVR im Grunde dasselbe Auto ist, ist er es eben nicht. Lautstark meldet sich der V8-Kompressor zu Wort und bereits auf den ersten Metern wird klar, dass der SVR in allen Belangen eine Schippe drauf legt: Er ist härter abgestimmt, seine Lenkung bietet mehr Widerstand und trotz fehlendem Elektroboost macht das Auto bei jedem Tipp aufs Gaspedal einen mächtigen Satz nach vorne – Kompressor sei Dank.
Überhaupt, dieser Motor. Obwohl der SVR trotz fehlendem Hybridantriebsstrang mit 2647 Kilo nur unwesentlich leichter als der PHEV ist, wird das Schwergewicht von der unbändigen Kraft des V8-Triebwerks unter immensem Getöse vorwärts katapultiert. Klang, Druck und Ansprechverhalten suchen seinesgleichen. Wer im manuellen Schaltmodus voll aufs Gas steigt bekommt einen derart heftigen Tritt vom Auto verpasst, dass man beinahe um sein Rückgrat fürchtet – das pure Gegenteil vom Plug-in-Hybrid!
Von Souveränität kann hier keine Rede mehr sein, es ist einfach nur obszön und geil, das Gaspedal bei jeder Gelegenheit etwas mehr als nötig zu drücken und sich am Schub um vor allem am Sound zu erfreuen. Vor allem im Schubbetrieb bergab knallt und bollert es aus dem Auspuff, dass man sämtliche Klimaaktivisten im Umkreis von einem Kilometer auf sich aufmerksam macht! Gut zu wissen: Sollte sich einer von ihnen vor lauter Verzweiflung vors Auto werfen, kann man sich auf starke Bremsen verlassen.
Was man jedoch nicht sollte ist, die extreme Längsdynamik mit Sportlichkeit gleichzusetzen. Ja, der SVR müht sich insgesamt besser um Kurven als der PHEV. Aber es ist immer noch ein mühen, selbst als SVR ist ein Range Rover Sport nichts für Pässe, da versteht auch das ESP keinen Spass. Sind die Kurven dagegen nicht allzu eng, wirkt der SVR deutlich stabiler und neutraler als sein elektrifizierter Bruder.
Das Benzin fliesst
Zeit, Bilanz zu ziehen. Es dürfte keine grosse Überraschung sein, dass der SVR puncto Verbrauch den Hybrid bei weitem toppt. Selbst bei langsamer Autobahnfahrt sind einstellige Verbräuche nicht möglich, dafür über 20 Liter bei forcierter Fahrt. Am Ende des Tests waren es schliesslich 14,8 l/100 km. Von nichts kommt eben nichts und bei dem enormen Gewicht und dem ineffizienten Kompressor-Ungetüm ist dieser Wert nicht weiter verwunderlich.
Der Plug-in-Hybrid steht am Ende aber gar nicht so viel besser da. Auf sein Konto gehen 9,2 l/100 km zuzüglich vier volle Akkuladungen à 13 kWh. Auf rund 770 Kilometer ist der Anteil an (teil)-elektrischem Fahren relativ gering, da ich bei mir zu Hause nicht laden kann. Zur Verteidigung des Autos muss also gesagt werden, dass der Verbrauch bei regelmässigem Laden tiefer ist, was dann angesichts des Gewichts ein guter Wert ist.
Bleibt am Ende die Frage: Welchen nehmen? Die Antwort: Eigentlich keiner von beiden. Obwohl der Plug-in-Hybrid bei häufigem Laden gute Verbrauchswerte erzielen kann, leidet die Souveränität und das Fahrgefühl unter dem Zweiliter-Motor. Ausserdem ist die Reaktionszeit bei ausgeschaltetem Benziner katastrophal. Solche Sorgen kennt der SVR natürlich nicht, aber was der PHEV zu wenig ist, ist dieses Monstrum schlicht zu viel. So beeindruckend Sound und Spurtvermögen auch sind, solange der SVR nicht auch mit einem knackigen Handling aufwarten kann, braucht man diese enorme Kraft nicht. Am vernüftigsten fährt man daher mit einem Diesel. Dieser liegt dann preislich auch näher an den 114’000 Franken des PHEV-Testwagens als an den 178’000 Franken, die der SVR kostet.
Alltag
Zahlreiche Ablageflächen sowie ein riesiger Kofferraum (mit kleinem Abstrich beim PHEV) sprechen für den Range Rover Sport. Des Weiteren punktet der Brite mit Geländegängigkeit und hoher Zugkraft. Weniger toll sind das im Verhältnis zur Grösse mässige Raumangebot im Fond sowie das sperrige Handling: Enge Parkhäuser werden zum Grauen.
Fahrdynamik
Mit dem PHEV haltet man sich am besten ganz fern von engen Kurven. Mit dem SVR ist die Strassenlage bereits deutlich besser, aber immer noch nicht auf einem richtig sportlichen Niveau. Immerhin stimmen dank des V8-Dampfhammers der Schub sowie das Ansprechverhalten. Beim Plug-in-Hybrid müssten die Entwickler meiner Meinung nach nochmals über die Bücher.
Umwelt
Nur wenn sehr regelmässig geladen wird, stimmt die Energiebilanz des Plug-in-Hybrids. Bei leerem Akku muss sich der Zweiliter mehr anstrengen, was sich dann im Verbrauch niederschlägt. Und der SVR? Bei dem würde man das Rauschen der Benzinleitung hören, wenn der Motor nicht schon so einen Radau verursachen würde.
Ausstrahlung
Mit dem kantigen, hohen Design hat Range Rover nach wie vor ein Alleinstellungsmerkmal unter all den rundgelutschten SUVs rundherum. Elegantes und stilvolles auftreten ist garantiert.
Fazit
+ Elegantes Design
+ Top Qualität und Ergonomie im Innenraum
+ Zahlreiche Personalisierungsmöglichkeiten
+ Exzellente Sitze sowie sehr hohe Sitzposition
+ Sehr effektives Matrix-LED-Lichtsystem
+ Abartiger Motorsound (SVR)
+ Blitzartiges Ansprechverhalten (SVR)
+ Ausgesprochen leises und komfortables Fahrverhalten
+ Treffsicheres und flinkes Automatikgetriebe
+ Vierstufiges Luftfahrwerk
+ Im Segment unübertroffene Geländefähigkeiten, unabhängig vom Antrieb
– Teilweise träge reagierendes Infotainmentsystem
– Sehr hohes Gewicht
– Grosser Wendekreis
– Im Verhältnis zur Grösse mässige Beinfreiheit im Fond
– Riesige Verzögerung beim Kickdown (PHEV)
Mängel am Testwagen
– Kleiner Lackfehler beim SVR. Wird auf Garantie behoben.
Steckbrief
Marke / Modell | Range Rover Sport PHEV | Range Rover Sport SVR |
---|---|---|
Preis Basismodell / Motorisierung / Testwagen | 78 900 CHF / 100 900 CHF / 114 020 CHF | 78 900 CHF / 153 200 / 177 780 CHF |
Antrieb | Benzin Plug-in-Hybrid, Allradantrieb | Benzin, Allradantrieb |
Hubraum / Zylinder | 1997 ccm / R4 | 5000 ccm / V8 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor +Elektromotor | Frontmotor / Kompressormotor |
Getriebe | 8-Gang Automatikgetriebe | 8-Gang Automatikgetriebe |
Max. Leistung | 297 kW bei 5500 r/min | 423 kW bei 6000 - 6500 r/min |
Max. Drehmoment | 640 Nm bei 1500 - 2500 r/min | 700 Nm bei 3500 - 5000 r/min |
Beschleunigung 0 - 100 km/h | 6,7 s | 4,5 s |
Vmax | 220 km/h (137 km/h im EV-Modus) | 280 km/h |
Elektrische Reichweite nach NEFZ | 48 km | - |
Batteriekapazität | 13 kWh | - |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 3,3 l/100 km / 76 g/km / A | 12,7 l/100 km / 292 g/km / G |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 9,2 l/100 km / 212 g/km / +179% | 14,8 l/100 km / 340 g/km / +15% |
Länge / Breite / Höhe | 4,88 m / 1,99 m / 1,80 m | 4,88 m / 1,99 m / 1,80 m |
Leergewicht | 2662 kg | 2647 kg |
Kofferraumvolumen | 701 - 1607 l | 780 - 1686 l |
Bilder: Koray Adigüzel