Eure aggressive Lordschaft: Range Rover Sport SVR

Halt, stopp! Ich will sie gar nicht hören und erst recht nicht beantworten müssen, diese unvermeidbare Frage, wenn der 5,0-Liter Kompressor-V8 aus dem Jaguar F-Type R Coupé in den über 2,5 Tonnen schweren Range Rover Sport transplantiert wird: «Macht das überhaupt Sinn?» Entschuldigung, wie war das?! Viel mehr als ein wütendes Grummeln hätte der Range Rover Sport SVR wohl auch nicht dazu zu sagen. Entwickelt von der neuen Abteilung SVO (Special Vehicle Operation) von Jaguar Land Rover ist er dazu da, um den deutschen Kriegsschiffen Cayenne Turbo S, GL 63 AMG und X5M zu zeigen, wo der Hammer hängt. Also etwas mehr Respekt und Haltung bitte! Ein solch adliges Auto erfordert eine differenzierte Herangehensweise und somit lautet die Frage, die gestellt werden muss, eher: Wieviel Spass steckt denn im Über-Range?

1,85 Meter gross, von Natur aus eher breit gebaut und mit ein paar überflüssigen Kilos gesegnet gehöre ich wohl zu den optisch auffälligeren Personen. Oder anders ausgedrückt: Ich werde eher wahrgenommen als der Durchschnittstyp. Genau gleich verhält es sich beim Range Rover Sport SVR: 4,85 Meter lang, 2,01 Meter breit und 1,78 Meter hoch steht er auf massiven 22-Zöllern, hinter denen blaue Bremsklötze schimmern. In edlem Weiss mit Schwarz abgesetztem Dach steht eure Lordschaft vor mir und alleine der monumentale Anblick sorgt dafür, dass ich diesem Fahrzeug der High Society meinen Respekt zolle.

Range Rover Sport SVR
Was für ein Anblick. Seine enorme Kraft sieht man ihm gar nicht an.

Nur die Briten schaffen es, ein solch kolossales Auto dermassen stilvoll zu designen. Die elegante Seitenlinie und die entschlossene, aber nicht zu aggressive Front wirken viel harmonischer als die gigantischen Fratzen – auch Kühlerschlunde genannt – welche die deutsche Konkurrenz zieren. Das Heck würde sogar würdevoll zurückhaltend wirken, wären nicht die vier mächtigen Endrohre. Aber jedes einzelne dieser Rohre hat seine volle Daseinsberechtigung, das verspreche ich.

Range Rover Sport SVR
Klingen so brachial, wie sie aussehen.

Nachdem ich mich am imposanten Äusseren satt gesehen habe, erklimme ich den Fahrersitz und fühle mich augenblicklich, als wäre ich höchstpersönlich zum Ritter geschlagen worden. Das ist kein Fahrersitz mehr, das ist ein Thron. Perfekt ausgeformte und auf jede erdenkliche Art verstellbare Schalensitze schmiegen sich um mich. Rundherum feinstes Oxford-Leder, über mir weiches Alcantara, irgendwo hinter mir ein gefüllter 105 Liter Tank und vor mir ein V8-Reaktor, mit dessen Abwärme man wahrscheinlich ein britisches Herrenanwesen heizen könnte. Doch, ich denke, ich werde es die nächsten Tage ganz gut aushalten am Steuer des Range Rover Sport SVR.

Range Rover Sport SVR
Der Innenraum ist ein fahrendes Wohnzimmer.

Der Range sorgt sich sehr um das Wohl seiner Gäste. Während der Fahrer dem Klang der bombastischen Meridian Soundanlage lauscht, kann sich der Beifahrer dank Dual-View-Technik, Digital-TV Tuner und mitgelieferten Bluetooth Kopfhörern auf 3+ Die Bachelorette reinziehen. Ich selber bekomme davon (zum Glück) nichts mit, denn auf meiner Seite des Touchscreens läuft weiterhin das Navi. Damit auch Kleinwüchsige den Range Rover besteigen können, lässt er sich dank Luftfahrwerk um fünf Zentimeter absenken. Um die Lordschaft nicht zu sehr in Rage zu bringen, sei hier lediglich am Rande erwähnt, dass die Beinfreiheit im Fond angesichts der schieren Grösse gar nicht besonders grosszügig bemessen ist.

Range Rover Sport SVR
Auch im Fond sind die Sitze sehr gut ausgeformt.

Der Range Rover Sport SVR verfügt zwar über eine Alu-Karosserie, aber der fetteste Motor und der überbordende Luxus an Bord fordern ihren Tribut: Rund 2,6 Tonnen bringt der SVR auf die Waage. Klingt nach sehr viel, aber dem Kompressortriebwerk scheint die ganze Masse ziemlich egal zu sein. Dank der endlosen Kraft von 680 Nm und der Leistung 405 kW marschiert der Range erstaunlich leichtfüssig los und lässt so manchen Mittelklasse-Sportwagen deutlich hinter sich. Während der Beschleunigungsorgie röhrt das Triebwerk freudig wie eine Herde brünstiger Hirsche und lässt beim Hochschalten einen Rülpser durch die vier Endrohre, der selbst italienische Supersportler neidisch werden lässt.

Range Rover Sport SVR
Liebe zum Detail.

Aber da Schweizer Tempolimits der übermässigen Kraft des SVR nicht besonders freundlich gesinnt sind, empfiehlt es sich, früher oder später vom Gas zu gehen. Damit findet der Spass aber noch lange kein Ende. Im Gegenteil! So manches Kind auf der Strasse dürfte Mama ganz verwundert gefragt haben, warum da ein Feuerwerk gezündet wird, es ist doch noch lange nicht der 1. August. Im Schubbetrieb ploppt, knallt und brodelt es nämlich aus dem Range, als würden ganze Raketen am Himmel explodieren. Um das volle Klangspektrum zu geniessen, muss man allerdings selber zu den Schaltpaddels greifen. Dann kann man es nämlich im zweiten Gang knallen, einen kurzen Gasstoss folgen lassen und unter einem obszönen Rülpser in den dritten Gang schalten. Das Spiel lässt sich beliebig oft wiederholen und vor allem enge Gassen erhöhen den Spassfaktor ungemein.

Range Rover Sport SVR
Die Entlüftungen sind ein Design-Fake und erfüllen keinen Zweck. Also wirklich…

Insbesondere Spätabends und in der Nacht ist es jedoch empfehlenswert, nicht zu lange am selben Ort zu verweilen. Die Lautäusserungen vom SVR stören nämlich durchaus die Nachtruhe und so mancher Bürger dürfte sich vom Power-SUV gestört fühlen und die Polizei benachrichtigen. Um dem gekonnt vorzubeugen empfiehlt es sich, die Location zu verlassen und den SVR an einem einsamen Ort ordentlich auszufahren. Das habe ich getan, sogar zwei mal. Die Strecke – wie könnte es anders sein – war mein Hausberg, der Klausenpass. 47 Kilometer herrlichste Passstrecke, garniert von zwei Tunnels und etlichen Felswänden, welche die Klänge vom SVR wunderbar zurückwerfen. Ein Sinfonie, die seinesgleichen sucht. Um das volle Potential vom Range Rover Sport auszuschöpfen, bietet sich der Dynamic Mode an, der Lenkung und Dämpfer versteift.

Range Rover Sport SVR
Feintuning by SVO – Special Vehicle Operations.

Die Beschleunigung, ich kann es nur noch einmal betonen, ist brachial. Unter übelstem Getöse stürmt der SVR den Berg hoch, so dass verängstigte Velofahrer freiwillig fast auf die Wiese fahren, um dem mächtigen Range Rover Platz zu machen. Im Tunnel drin hatte ich beinahe Angst, dass aufgrund des Schalldrucks akute Einsturzgefahr besteht. Wäre im Tunnel drin ein Velofahrer am Strampeln gewesen, er hätte aufgrund des akustischen Donnerwetters bestimmt einen Schockzustand erlitten. Nun besteht der Klausen ja nicht nur aus Tunnels und Felswänden, sondern vor allem aus Kurven, teilweise ziemlich scharfen und engen Kehren. Und da kommt die britische Majestät ganz schön ins Schwitzen. Das enorme Gewicht kann einfach nicht verdrängt werden, sodass bereits bei mässig schnellen Kurventempi die 295er 22-Zoll Reifen hilflos am Quietschen sind. Wer unbeirrt weiter Gas gibt, wird vom ESP kurz, aber bestimmt, eingebremst. Das ESP lässt sich zwar deaktivieren, aber ich möchte nicht wild gewordene 2,6 Tonnen wieder einfangen müssen. Trotzdem hätte ich etwas mehr Elan in den Kurven erwartet. Immerhin besteht der Name aus Range Rover SPORT und einem R am Schluss, da erwartet man schon etwas.

Range Rover Sport SVR
Nein, mit dem SVR legt man sich besser nicht an.

Ausserdem hatte ich mal das Vergnügen, einen Jeep Grand Cherokee SRT über den Klausen zu prügeln. Der war mit 2450 Kilo nur unwesentlich leichter, blieb in Kurven aber länger stabil und neigte sich auch weniger. Die überlegene Kurvendynamik geht einerseits sicher aufs Konto der Reifen. Der Jeep fuhr nämlich mit erstklassigen Pirelli P Zeros durchs Land, der Range steht auf Continental Sportscontact. Andererseits ist die Philosophie eine ganz andere. SRT verzichtet beim Jeep auf jegliche Offroadtauglichkeit, er ist ein rein auf die Strasse getrimmtes Extrem-SUV mit entsprechenden Reifen und härterem Fahrwerk. Der Range Rover Sport SVR bleibt trotz überlegener Leistung ein waschechter Range Rover mit maximaler Geländefähigkeit. Terrain Response 2, ein dreistufig einstellbares Luftfahrwerk und eine maximale Wattiefe von 85 cm muss ihm erst einmal einer nachmachen.

Range Rover Sport SVR
260 km/h Spitze und ein so fortgeschrittenes Offroad-Talent findet man sonst nirgendwo.

Der SVR wird zwar nie in seinem Leben Gelände unter seinen Reifen haben, aber da er auch fürs Gelände ausgerichtet ist, muss er Abstriche bei der Kurvendynamik hinnehmen. Das ist aber nicht besonders schlimm, denn die nächste Gerade, wo der Range aus Herzenslust brüllen kann, wartet bereits am Kurvenausgang. Ah ja, da gibt es noch so eine obsolete Frage zum Power-Range… Was verbraucht das Schiff denn so? Also, das Papier sagt 12,8 l/100 km. Beim gemütlichen Cruisen ohne provoziertes Böllern meldet der Bordcomputer zwischen 10 und 11 Liter Verbrauch. Da ich aber ein wahrer Dezibel-Exhibitionist bin und keine Gelegenheit ausliess, den SVR zum brüllen und knallen zu bringen, waren es im Schnitt halt 18,7 l/100 km. Oder anders ausgedrückt: Fast ein halbes Kilo CO2 pro Kilometer. Irgendwelche Einwände diesbezüglich?

Range Rover Sport SVR
Dem Verbrauch des V8 sind nach oben keine Grenzen gesetzt.

Ich fragte mich während den Testfahrten, was die Passanten so denken, wenn sie den SVR gesehen und vor allem gehört haben. Gehört das Auto verboten, ist der Fahrer ein Vollpfosten, oder gar beides? Ich weiss es nicht. Aber man hat mir bei Land Rover gesagt, dass der SVR offensichtlich sehr begehrt sei und dass aufgrund der beschränkten Fertigungskapazität die Wartezeit derzeit ein Jahr beträgt. Das beweist wieder einmal mehr, dass SUVs, insbesondere Power-SUVs, nach wie vor sehr begehrt sind, vor allem in der solventen Schweiz. Wie dem auch sei, der Range Rover Sport SVR ist für mich persönlich hauptsächlich vom Klang her ein absoluter Kaufgrund. Kein anderes SUV klingt so brachial wie der Brite, da haben sie jegliche Zurückhaltung fallen gelassen. Auch das Design wirkt in sich stimmiger und erstklassiger als bei der Konkurrenz. Zudem verwöhnt der Range mit einem erhabenen und luxuriösen Innenraum. Ok, das kann die Konkurrenz (Jeep SRT ausgenommen) auch, aber der Range ist der einzige mit maximaler Geländefähigkeit.

Range Rover Sport SVR
Das Design ist verhältnismässig zurückhaltend, der Klang ist dafür jenseits von gut und böse.

Sein Offroad- sowie sein Gesangs-Talent machen den Range Rover Sport SVR in meinen Augen besonders begehrenswert. Und das wird er wohl immer bleiben, denn bei einem Basispreis von 154’900 Franken und einem Testwagenpreis von 185’870 Franken kann ich nur sagen: Wohl dem, der es sich leisten kann. Sollte der erhabene SVR-Fahrer mich auf der Strasse erblicken, so möge er dem Range doch bitte ein Böllern und Knallen entlocken. Ich werde ihm dankbar sein und selber in herrlichen Erinnerungen schwelgen.

Alltag 4.5 out of 5 stars

Man kann mit dem Range Rover Sport SVR sowohl auf der Autobahn, als auch im Gelände bis ans Ende der Welt fahren. Dieser Raum, dieser Komfort – einfach unschlagbar. Viele Assistenzsysteme erleichtern die Fahrt oder machen sie umso gemütlicher. Einzig gewisse Parkhäuser sollte man aufgrund der gewaltigen Ausmasse besser meiden.

Fahrdynamik 3.5 out of 5 stars

Geradeaus geht der Range ab wie ein Jet, aber in Kurven drückt das hohe Gewicht stark nach aussen. Da der Range geländetauglich ist, müssen bei der Kurvendynamik Abstriche in Kauf genommen werden. Auch die Lenkung ist nicht ganz so direkt, wie man es sich von einem Sportgerät wünscht. Die gewaltige Brembo Bremse ist der Masse und Leistung vom SVR zwar gewachsen, das Bremspedal selber dürfte aber mehr Gegendruck bieten.

Umwelt 1 out of 5 stars

Ich bin zwar mitschuldig, aber bei 18,7 Liter Testverbrauch empfiehlt es sich, vor der Anschaffung des SVR eigenmächtig nach einer Ölquelle zu suchen.

Ausstrahlung 5 out of 5 stars

Das Design ist rundum gelungen. Der Range Rover Sport SVR wirkt kräftig und bestimmt aber gleichzeitig zeitlos elegant und majestätisch.

Fazit 4.5 out of 5 stars

+ Sehr schönes Design
+ Komfortables Fahrwerk
+ Maximale Geländetauglichkeit
+ Feinste Materialien und erstklassige Verarbeitung
+ Viele Assistenzsysteme verfügbar
+ Gewaltiges Klangspektrum
+ Schiebt an wie ein Jet
+ Perfekt abgestimmtes 8-Gang Automatikgetriebe
+ Sehr starke Bremse
+ Perfekte Ergonomie und Sitze
+ Sehr effektive Geräuschdämmung
+ Gute Rundumsicht

– Hoher Grundpreis, teure Optionen
– Hoher Standardverbrauch, sehr hoher Verbrauch möglich 😀
– Verhältnismässig geringe Zuladung (398 kg)
– Infotainmentsystem nicht mehr ganz taufrisch

Steckbrief

Marke / ModellRange Rover Sport SVR
Preis Basis­modell / Testwagen154'900 CHF / 185'870 CHF
AntriebBenzin, Allradantrieb
Hubraum / Zylinder4999 ccm / V8
Motoranordnung / MotorkonzeptFrontmotor / Kompressormotor
Getriebe8-Gang Automatikgetriebe
Max. Leistung405 kW bei 6500 r/min
Max. Drehmoment680 Nm bei 3500 r/min
Beschleu­nigung 0–100 km/h4,7 s
Vmax260 km/h
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz12,8 l/100 km / 298 g/km / G
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz18,7 l/100 km / 435 g/km / +46%
Länge / Breite / Höhe4,85 m / 2,01 m / 1,78 m
Leergewicht2602 kg
Koffer­raum­volumen784 - 1761 l

(Bilder: Koray Adigüzel)

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