Godzilla im Taschenformat: Renault Clio R.S. Trophy

Der arme Renault Clio R.S. hatte es während des Tests weiss Gott nicht einfach. Da steht er in voller Montur, leuchtend Gelb mit schwarzen Felgen und Akrapovic-Auspuffanlage für den passenden Soundtrack während dem Fahren. Und was steht nebenan…? Der Nissan GT-R. Da sehen die Argumente vom Clio plötzlich ziemlich schmalbrüstig aus, denn gegen die zweieinhalbfache Leistung von Godzilla hat der freche Clio nicht mal den Hauch einer Chance. Genau um solche Konflikte zu vermeiden, teste ich üblicherweise nie zwei Autos gleichzeitig, aber dieses Mal liess es sich nicht verhindern. Dumm gelaufen für den Clio? Nicht ganz! Denn wenn Renault Sport es geschafft hat, dass ich trotz GT-R Schlüssel in der Tasche gerne in den Clio R.S. einsteige, dann müssen die Franzosen etwas verdammt richtig gemacht haben!

Der Renault Clio R.S. 220 Trophy, wie er mit vollem Namen heisst, ist nämlich die letzte Eskalationsstufe im Segment der heissen Kleinwagen. Diese bitterböse Variante gibt es seit dem Facelift, welches die gesamte Clio Palette erfahren hat. Ich konzentriere mich hier aber ausschliesslich auf die R.S.-Variante und da haltet sich das Facelift optisch in sehr engen Grenzen. Neu sind die LED-Scheinwerfer und die LED-Zusatzlichter namens «RS Vision» im Zielflaggen-Design, die den Auftritt im Dunkeln dramatisieren. Leicht geänderte Stossfänger und neue Materialien im Innenraum – that’s it.

2017 Renault Clio R.S. Trophy
Im metallisierten Gelb kommt der Clio R.S. besonders gut zur Geltung.

Einfach damit es noch gesagt ist: Für den recht stolzen Preis von über 35’000 Franken für den Testwagen bekommt man nicht einen besonders edlen Kleinwagen. Der Clio R.S. ist innen in Ordnung, nicht mehr und nicht weniger. Der Platz auf der Rückbank ist für grosse Personen bestimmt kein Highlight, üppiges Platzangebot ist nicht die Stärke vom Clio R.S. (da gibt es schliesslich noch den Kombi). Er ist auch aus assistenztechnischer Sicht kein Leuchtturm. Während es bei anderen Herstellern schon fast die volle Bandbreite an Assistenzsystemen bei Kleinwagen gibt, steht der Clio R.S. leer da. In diesem Auto dreht sich alles ums eigentliche Fahren. Dafür bezahlt man den Preis und man bezahlt ihn gerne, denn Renault Sport ist beim schärfsten aller Clio keine Kompromisse eingegangen.

2017 Renault Clio R.S. Trophy
Schönes und vor allem markantes Lichtdesign.

Als einer der wenigen Kleinwagen ist der Clio R.S. Trophy mit seinem Setup einem Besuch der Rennstrecke nicht abgeneigt. Eine kräftige Bremse, eine angehobene Maximaldrehzahl von 6800 Umdrehungen, Hochleistungsreifen von Michelin und ein gnadenlos hartes Fahrwerk heben diesen Hot Hatch auf ein neues Niveau. Auf der Rennstrecke war ich nicht, dafür auf einem über 600 Kilometer langen Trip nach Italien!

2017 Renault Clio R.S. Trophy
Abermals eine Tieferlegung gegenüber dem normalen R.S. und die Michelin Pilot Super Sport Reifen sorgen für irre Performance.

Zweckentfremdung? Mitnichten! Man muss das Auto nur gut genug mögen und einigermassen was wegstecken können, dann kann man auch mit diesem Gummiball auf Rädern überall hinfahren. Ein Gummiball – genau das ist der Clio R.S., sobald die Autobahn nicht mehr ganz so eben ist wie hierzulande. Ich bin in Italien wie ein Kaninchen über die Autobahn gehoppelt und hätte mir ohne Sicherheitsgurt wohl mehrmals den Kopf am Dach gestossen. Jede Unebenheit, egal wie gross oder klein, wird einfach mal weitergegeben. In diesem Auto ist das Fahrwerk für die Stabilität da, nicht fürs federn. Die einzige Dämpfung in diesem Auto sind die gut gepolsterten und haltstarken Sitze, die auch nach vielen Stunden nicht zwicken. Aber hey, wer braucht schon einen Müdigkeitsassistenten, wenn das Auto einen nonstop wachrüttelt?

2017 Renault Clio R.S. Trophy
Es steht Renault Sport drauf und es steckt die geballte Ladung Renault Sport drin.

Wie extrem der Clio R.S. ist, zeigt sich beim langsamen Fahren. Das Doppelkupplungsgetriebe schaltet beim Bremsen schnell mal einen Gang runter, einfach, um bereit zu sein, falls ein Gasstoss folgen sollte. Bei langsamer Fahrt hält es die niedrigen Gänge zu lange und obwohl ein Gangwechsel bei niedriger Last eigentlich ein Klacks sein sollte, tut sich das Getriebe im Renault schwer damit, es ruckelt in seltenen Fällen sogar. Diese unrunde Gangwechsel und der für einen Kleinwagen recht grosse Wendekreis machen den Clio R.S nicht unbedingt zum Stadtflitzer.

2017 Renault Clio R.S. Trophy
In seinem Segment braucht sich diese Rennsemmel vor nichts und niemandem zu fürchten.

Es wird darum Zeit, die Sache selber in die Hand zu nehmen. Raus aus dem Normal-Modus, rein in den Race-Modus. Der wird aktiviert, wenn das Getriebe in die M-Stellung gerückt und die R.S.-Drive Taste zwei Sekunden gedrückt wird. Damit wird quasi der Sport-Modus, der auch ganz nett ist, übersprungen. Wirklich lustig wird es nämlich erst im Race-Modus. Dann gilt es ernst. Selber schalten ist Pflicht, automatisches Hochschalten ist genauso deaktiviert wie die Traktionskontrolle und das ESP.

2017 Renault Clio R.S. Trophy
Die Akrapovic Auspuffanlage sorgt für herrlich rauen und fiesen Sound inklusive Geknalle und Geschepper.

Jetzt ist der Clio R.S. nicht mehr zu stoppen und er entfaltet sein volles Klangpotenzial. Akrapovic sei Dank – unglaublich, wie das 1,6-Liter Motörchen röhrt, faucht, knallt und scheppert. Der Clio R.S. klingt nicht nur abartig böse, sondern auch abartig laut. Ein wahre Wohltat in Zeiten der unsäglichen Sound Symposer im Innenraum. Mehr Sound kann ein so kleiner Motor wahrhaftig nicht mehr produzieren, ohne dass es peinlich klingen würde.

2017 Renault Clio R.S. Trophy
Tolle Sitze mit roten Akzenten…

Das Getriebe kann nun das tun, worauf es schon die ganze Zeit Lust hat, nämlich die Gänge innert 150 Millisekunden unter wütenden Geknalle reinballern. Grosse, feststehende Alu-Paddels versüssen jeden Gangwechsel und ein Piepsen im Race-Modus weist auf den perfekten Schaltpunkt hin. So muss das sein! Auf einer Passstrecke kommt nun auch das Fahrwerk endlich zum Tragen. Ohne jegliche Wank- und Nickbewegungen lässt sich der Clio um die Kurven jagen und er verhält sich auch ohne ESP extrem gutmütig. Er untersteuert erst sehr spät, man muss eine Kurve schon grob unterschätzt haben, damit er vorne wegrutscht.

2017 Renault Clio R.S. Trophy
…das restliche Interieur ist eher zweckmässig.

Ansonsten folgt er der Spur, als sei er auf der Strasse angeleimt. Klar, bergauf kann man nie genug Leistung haben (der GT-R lässt grüssen), aber vom Handling her kann es der Clio locker mit den ganz Grossen aufnehmen. Vor allem spielt dem Clio seine Grösse in die Karten. Da er recht schmal und zumindest nach vorne hin übersichtlich ist, ist mit dem Rennzwerg auf schmalen Passstrecken manches Überholmanöver möglich, was mit einem breiten Sportwagen zu riskant wäre. Ebenfalls ein geniales Feature beim Anbremsen von Kurven oder vor einem Überholmanöver: Das Ziehen und halten des linken Paddels befehligt das Getriebe, den bestmöglichen Gang fürs Durchstarten zu wählen. Allerdings schaltet es nicht nacheinander, sondern blitzschnell direkt mehrere Gänge nach unten. So muss das sein!

2017 Renault Clio R.S. Trophy
Bis auf die grossen und edlen Schaltpaddels.

Es ist nicht lange her, da lobte ich Renault für die Strategie bei den Vans. Den Scenic als modisches Auto, den Grand Scenic mit mehr Platz und den Espace für besondere Ansprüche. So sollte für jeden was dabei sein. Beim Clio R.S. machen es die Franzosen ähnlich. Es gibt den «normalen» Clio R.S. 200, auch wenn ich sicher bin, dass auch diese Variante alles andere als ein Softie ist und gerne austeilt. Dennoch dürfte er im Alltag zimperlicher mit den Insassen umgehen. Für die ausgekochten Enthusiasten ist schliesslich der Clio R.S. 220 Trophy da. Der teilt zwar gehörig aus, kann aber auch massiv einstecken. Mit diesem Auto kann man voll ans Limit gehen, ohne dass es kapituliert. Genauso muss es sein. Kompromisse gibt es schliesslich im Leben mehr als genug und der Clio R.S. Trophy geht gerne auf alles ein – ausser auf Kompromisse.

2017 Renault Clio R.S. Trophy
Schön, dass es so etwas in diesem Segment gibt: Eine reine Fahrmaschine, keine Assistenzsysteme. Fehlt nur eine knackige Handschaltung…

Alltag 3.5 out of 5 stars

Die Platzverhältnisse für die Passagiere sind Kleinwagen-Durchschnitt. Der Kofferraum ist dafür recht gross. Mühsam sind die schlechte Übersicht nach hinten und der verhältnismässig grosse Wendekreis. Das bockige Fahrwerk muss man mögen.

Fahrdynamik 5 out of 5 stars

Der Clio R.S. Trophy ist ein richtiger Draufgänger, der es nicht nur beim Hochschalten krachen lässt. Hier ist alles auf maximale Performance getrimmt. Drehfreudiger Motor, bissige Bremse, präzise Lenkung, Sperrdifferential und ein unnachgiebiges Fahrwerk bescheren diesem Kleinwagen ein Handling, wie es sich für einen reinrassigen Sportwagen gehört. Besser geht’s mit Frontantrieb und diesem kurzem Radstand nicht.

Umwelt 3.5 out of 5 stars

Wenn ich bedenke, wie unfair ich den Clio R.S. aus ökologischer Sicht bewegt habe, sind 8,5 Liter gar nicht mal so ein schlechter Wert. Ich denke, etwas zwischen meinem Verbrauch und dem Normverbrauch von 5,9 Liter dürfte sich im Alltag einpendeln – sofern man einigermassen normal fährt.

Ausstrahlung 5 out of 5 stars

Das Facelift ist zwar minim, doch es hat dem Clio R.S. dennoch gut getan. Vor allem die Front mit dem LED-Licht wirkt viel expressiver und das LED-Rücklicht gibt dem Auto auch von hinten Wiedererkennungswert. Die Tieferlegung und die grossen Räder lassen das Auto geduckt auf der Strasse stehen.

Fazit 4.5 out of 5 stars

+ Geschärftes Design
+ Bequeme Sportsitze
+ Geiler Motorsound
+ Drei Fahrmodi für unterschiedliche Ansprüche
+ Blitzschnelles Getriebe beim schnellen Fahren
+ Möglichkeit, Gänge zu Überspringen
+ ESP komplett deaktivierbar
+ Unerbittliches Fahrwerk für enorme Kurventempi
+ Kaum Untersteuertendenz
+ Präzises Handling
+ Kompromissloses Setup

– Schlechte Rundumsicht
– Mässig hochwertiges Interieur
– Übereifriges Getriebe bei gemütlicher Fahrt
– Navi hätte mal eine Auffrischung nötig
– Knappe Reichweite vom Abblendlicht

Mängel am Testwagen

– Keine Mängel

Steckbrief

Marke / ModellRenault Clio R.S. Trophy
Preis Basismodell / Testwagen31 900 CHF / 35 600 CHF
AntriebBenzin, Frontantrieb
Hubraum / Zylinder1618 ccm / R4
Motoranordnung / MotorkonzeptFrontmotor / Turbomotor
Getriebe6-Gang Doppelkupplungsgetriebe
Max. Leistung162 kW bei 6050 r/min
Max. Drehmoment260 Nm bei 2000 r/min
Beschleu­nigung 0–100 km/h6,6 s
Vmax235 km/h
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz5,9 l/100 km / 135 g/km / F
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz8,5 l/100 km / 194 g/km / +46%
Länge / Breite / Höhe4,09 m / 1,73 m / 1,43 m
Leergewicht1279 kg
Koffer­raum­volumen300 - 1146 l

Bilder: Koray Adigüzel

2 thoughts on “Godzilla im Taschenformat: Renault Clio R.S. Trophy”

  1. Ich bin gerade auf den Bericht gestoßen. Bravo. Die sportlichen Qualitäten des Trophy kommen gut zur Geltung. Der elegante Schreibstil trifft genau die richtige Balance zwischen Objektivität und Begeisterung.
    Ich schwanke zwischen Clio, Megane und M 140i – der Bericht liefert kein Argument gegen den Clio. Ich fahre jeden Morgen eine Bergstrecke mit 10 engen Kurven zur Arbeit…
    2014/2016 hatte ich den Clio III RS Cup: ebenfalls ein begeisternden Fahrzeug, trotz “nur” 200 PS…Oft klebten mir nach dem Ort all die GTI, Audis und BMW hinten dran – immer bis zur ersten Kurve, danach war i.d.R. von diesen “Dränglern” keiner mehr im Rückspiegel zu sehen 😉

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  2. Ich bin heute auf deinen tollen Bericht gestossen. Witziger weise habe ich genau das Problem, dass du anfangs beschreibst. Seit Anfang des Jahres steht nämlich auch ein Clio RS Trophy, ebenfalls in Gelb, (ein Micra wurde ersetzt) neben meinem Gozilla. So ganz vergleichen lassen sich die beiden Ja wirklich nicht. Aber der Clio macht in der Schweiz fast genau so viel spass. Ja zu gegeben, wenn man richtig drauf drückt ist der Unterschied doch immer noch gross. Der Clio legt sich ins Zeug und Bollert und macht, während der GT-R einfach nur wusch und weg ist. Auf akustischer Ebene ist der Clio ganz klar emotionaler. Aber auch der Clio reicht längst um GTI’s ärgern zu können. Das Fahrwerk finde ich super, es bietet einen super Komfort für ein so “hartes” Fahrwerk.

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