Renault Clio: Ergebnis der Schön­heits­chi­r­ur­gie

Das ist der neue Renault Clio? Kaum zu fassen, denn die drei Vorgänger der nunmehr vierten Generation waren an Unscheinbarkeit kaum zu überbieten. Doch jetzt haben die Designer den Clio einer Schönheitsoperation unterzogen, dessen Ergebnis sich durchaus sehen lassen kann. Passend zum modernen Auftritt spendiert Renault dem kleinen Racker zwei besonders sparsame Motoren. Wer es lieber rasant mag, kann sich vom Clio R.S bezirzen lassen. Die Bemühungen von Renault tragen offensichtlich Früchte, denn der Clio trägt die Auszeichnung Das Goldene Lenkrad.

Der neue Clio steckt in einem aufreizenden Blechkleid, zeigt hier und da frech seine Kurven. Renaults neue Designsprache kommt gut an, wie mein Umfeld bestätigt. Hinzu kommt, dass der Clio mit versteckten Türgriffen hinten und ansteigender Fensterlinie optisch einen auf Dreitürer macht, aber die praktischen Vorteile eines Fünftürers bietet. Trotz ansprechendem Design ist die Übersichtlichkeit nicht auf der Strecke geblieben.
Im Interieur findet man viel Kunststoff und Hartplastik, sowie Klavierlack um das Mediasystem und bei den Türgriffen. Auf den ersten Blick sieht es ganz hübsch aus, allerdings ist der Klavierlack extrem anfällig gegenüber Staub und Fingerabdrücken, zudem sind die Plastikabdeckungen im unteren Bereich der Mittelkonsole sowie an den Türen teilweise etwas klapprig. Interessant sind die Instrumente. Der Tacho ist ausschliesslich digital dargestellt und die Tankuhr die wohl grösste, die es in einem Serienfahrzeug gibt. Darüber hinaus ist der Bordcomputer in der Lage, die absolute Anzahl Liter von verbranntem Benzin anzuzeigen. Diese Zahl wird ganz anders wahrgenommen, als der Durchschnittsverbrauch. Um dem Clio seine persönliche Note zu verleihen, sind gewisse Details wie das Lenkrad individualisierbar. Die Sitze (Sitzheizung ist optional erhältlich) sind angenehm weich, fast schon flauschig und bieten dennoch genügend Seitenhalt.
Enttäuschend wiederum ist das serienmässige Mediasystem namens Media-Nav. Die Auflösung ist ziemlich gering und der Touchscreen reagiert nicht besonders feinfühlig. Darüber hinaus ist das ganze System eher lahm, dafür einfach zu bedienen. Bei der Musikwiedergabe via Bluetooth stockt das System immer wieder mal, was auf Dauer nervt. Mit dem Spotify-Player kommt das System ebenfalls nicht klar, aber immerhin kann das Smartphone via USB und Bluetooth gleichzeitig gekoppelt werden. Wahrscheinlich ist das 600 CHF teure, modernere System names R-Link die bessere Wahl, leider war der Testwagen nicht damit ausgestattet.

Renault ist für mich die erste Marke, dessen Keyless-Go System die Türen automatisch verriegelt, sobald man sich ein paar Meter vom Auto entfernt. Zur Bestätigung piepst das Auto beim Verriegeln einmal kurz. Coole Sache! Allerdings finde ich es merkwürdig, dass sich das Auto nicht mit dem Knopf am Türgriff öffnen lässt, wenn man es zuvor mit der Fernbedienung, anstatt mit Weglaufen verriegelt hat. Beim Start des 0.9 Liter Dreizylinder rattert es ziemlich unter der Haube, ähnlich wie bei einem Diesel. Wenn sich das Aggregat aber erst mal aufgewärmt hat, muss man ihm schon ordentlich die Sporen geben, dass man ihn als knurrigen Dreizylinder erkennt. Die Leistungsdaten von 135 Nm und 90 PS klingen eher wenig, allerdings bringt der Clio auch nur knapp 1100 Kilo auf die Waage. Klar, bei einem Überholmanöver ausserorts wird spürbar, dass die Leistungsreserven eher knapp sind. Aber ansonsten ist auch zügiges Vorwärtskommen möglich, bei Steigungen muss man einfach einen Gang im etwas hakeligen 5-Gang Getriebe zurückschalten, damit dem munteren Dreizylinder nicht die Puste ausgeht. Um besonders sparsam unterwegs zu sein, bietet der Clio einen Eco Mode, welcher die Leistung vom Motor und der Klimaanlage drosselt. Allerdings schwindet dann das muntere Wesen des Clio und er wird recht träge, zusätzlich kommt die Klimaanlage bei Temperaturen um 30 Grad nicht mehr mit Kühlen nach, daher habe ich die Finger davon gelassen. Das manuelle 5-Gang Getriebe ist leider ein bisschen hakelig. Obwohl der Clio auf der Autobahn mit rund 3300 Umdrehungen dreht, bleibt der Motor akustisch angenehm zurückhaltend. Laut Werk soll sich der Clio mit 4.5 l/100 km begnügen, laut Bordcomputer waren es dann 5.2 l/100 km und nachgerechnet 6.1 l/100 km, ein happiger Zuschlag gegenüber dem Bordcomputer und erst recht gegenüber der Werksangabe.
Der Clio ist erstaunlich agil, was er hauptsächlich der präzisen Lenkung und dem straffen Fahrwerk zu verdanken hat. Letzteres wiederum ist fast schon zu hart, denn bei Unebenheiten schüttelt es die Insassen ziemlich durch. Ebenfalls nicht befriedigend ist das Bremsgefühl, es scheint, als würde man in ein Gummiband treten, die optimale Bremsdosierung ist somit recht schwierig. Neben den gängigen Sicherheitssystemen wie ESP, ABS, ASR und Berganfahrhilfe sind keine Assistenzsysteme an Bord.

Die Preise für den neuen Clio starten bei 15’900 CHF, Konkurrenten wie Hyundai i20, Seat Ibiza und sogar VW Polo starten tiefer. Der Testwagen in der höchsten Ausstattungslinie, aber ohne besonders viele Sonderausstattungen, kostet 22’500 CHF. Das ist nicht sonderlich viel, aber auch kein Kampfpreis in der ohnehin preissensiblen Kleinwagen-Klasse.
Der Dreizylinder Clio ist dafür – zumindest laut Werksangabe –  sparsamer als viele seiner Konkurrenten, ohne dass er das Gefühl vermittelt, ein Verkehrshindernis zu sein. Es ist durchaus eine gute Erfahrung, wie flott man mit weniger als einem Liter Hubraum vorankommen kann.

Alltag ★★★★☆

Der Clio meistert den Kleinwagenalltag zufriedenstellend. Mit 300 Litern ist der Kofferraum schön geräumig, der Sitzkomfort ist auf allen Plätzen gut, auch hinten, sofern vorne jemand mit Durchschnittsgrösse sitzt. Andererseits sind da ein nicht ganz so niedriger Verbrauch und ein zu hartes Fahrwerk.

Fahrdynamik ★★★☆☆

Man kann es drehen und wenden wie man will, aber ein 0.9 Liter Dreizylinder ist ein Sparmotor und keine Rennmaschine. Agil ist der Clio, die Lenkung ist ziemlich direkt und das Gewicht mit weniger als 1100 Kilo sehr gering. Für echte Fahrdynamik ist aber der R.S. zuständig und nicht der Dreizylinder.

 Umwelt ★★★★★

Der Clio verfügt über sparsame Aggregate auf dem aktuellen Stand der Technik mit Schaltempfehlung und Start-Stopp-Automatik. Die Energieeffizienzkategorie B für den getesteten Benziner, resp. A für den Spardiesel, sind ein klares Argument. Leider erfüllte der Testverbrauch meine Erwartungen und Vorstellungen nicht.

Ausstrahlung ★★★★☆

Dieser Kleinwagen ist kein Biedermann, sondern ein charmanter Begleiter mit feschen Linien und frechen Kurven.

Fazit ★★★★☆

+ Übersichtliche Karosserie
+ Progressives, anziehendes Design
+ Sparsame Motoren zur Auswahl
+ Agiles Fahrverhalten
+ Weiche und bequeme Sitze
+ Individualisierungsmöglichkeiten

– Teilweise klappriges Hartplastik im Interieur
– Unbefriedigendes Mediasystem Media-Nav
– Matschiges Bremsgefühl, kaum Gegendruck vorhanden
– Testverbrauch recht hoch

(Bilder: Renault)

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