Renault ist einer der Pioniere der Elektromobilität. Jetzt geht das Unternehmen den nächsten Schritt und bietet mit dem Megane E-Tech ein Elektroauto an, welches preislich keine Hürde darstellt. Der neue Stromer präsentiert sich smart und mit einen tollen Infotainmentsystem. Allerdings gilt es beim Megane E-Tech einige Schwächen hinzunehmen, die man bei Renault und seiner Erfahrung nicht erwarten würde.
Dass das Auto eine komplette Neuentwicklung ist und mit dem bisherigen Megane – der vorläufig weiter gebaut wird – nichts zu tun hat, macht der E-Tech auch optisch deutlich. Er setzt auf ein cleanes Design ohne Kühlergrill, bündigen Türgriffen, schmaler Fensterlinie und aufwendig designten Scheinwerfern. Der Testwagen macht in der Konfiguration einen eher feurig sportlichen Eindruck. Es gäbe aber auch die Möglichkeit, das Auto schwarz oder weiss mit goldenen Akzenten zu konfigurieren, was eher ein edel-elegantes Statement abgeben würde.
Wo bleiben die Tugenden?
Vom Interieur bin ich zwiegespalten. Doch beginnen wir mit dem positiven und was einem zuerst auffällt. Das wäre nämlich der vertikale 9-Zoll-Touchscreen, der das Android-basierte Infotainmentsystem steuert. Damit spielt der elektrische Megane puncto Konnektivität ganz vorne mit. Flüssige Bedienung, super Sprachsteuerung, top Online-Navigation – hier haben die Franzosen den Schwerpunkt genau richtig gesetzt. Abgerundet wird das ganze durch eine hübsch dargestellte Smartphone-Integration sowie ein druckvolles Soundsystem.
Doch so wichtig ein modernes Infotainment heutzutage ist, hoher Sitzkomfort ist noch wichtiger. Und da enttäuschen die Franzosen. Die Sitze bieten viel zu wenig Seitenhalt, die Kopftstüze ist zu hart und die Sitzfläche viel zu flach und nicht verstellbar. Da der Fahrzeugboden durch die Batterie ausserdem erhöht ist, findet man als grosse Person einfach keine optimale Sitzposition. Der Getriebewählhebel oberhalb des rechten Lenkradhebels wirkt ausserdem, als wäre er vergessen gegangen und als hätte Renault kurz vor Produktionsstart gemerkt, dass der ja noch irgendwo hin muss.
Mit nur 4,20 Metern Länge ist der Megane E-Tech sehr kompakt, verfügt aber nicht über eine kürzere Motorhaube als vergleichbare Verbrenner-Modelle. So ist der Franzose kein Raumwunder und hinten ist es ziemlich eng. Aber immerhin: Trotz des konkurrenzfähigen Preises ist Renault sehr bemüht, was Verarbeitung und Materialen angeht. Trotzdem ist das Cockpit eher funktional als besonders chic designt.
Dem Komfort verschrieben
Fahrerisch versucht der Megane E-Tech gar nicht erst, die Sportskanone rauszuhauen. Selbst im Sportmodus wirkt die Leistungsentfaltung eher harmonisch als explosiv. Das weiche Fahrwerk und die erst spitz ansprechende Lenkung, die anschliessend aber zunehmend diffuser wird, sind für die zügige Bergfahrt ebenfalls nicht sehr hilfreich. Darum wird der Sport-Modus schnell abgehakt, besser fährt man ohnehin im standardmässigen Comfort-Modus.
Wenn man den eigenen Fahrstil in den Comfort-Modus wechselt, harmoniert man prima mit dem Auto. Alles ist weich, alles ist gemütlich, alles ist leise. Lahm ist der Renault nicht, für den Zwischenspurt steht ausreichend Schub zur Verfügung. Bemerkenswert finde ich, wie Renault es trotz den riesigen Felgen schafft, einen so geschmeidigen Abrollkomfort zu erzielen.
Es hapert an der Ausdauer
Durch den eher kleinen 60 kWh-Akku wiegt der Megane E-Tech mit 1783 kg nicht überbordend viel, zumindest für Elektroauto-Massstäbe. Für Kompaktwagen-Verhältnisse sind es verdammt viele Kilos. Aber der Gedanke ist trotzdem clever: Nicht zu viel Gewicht durch einen moderaten Akku sorgt für niedrigere Anschaffungskosten und ein Single-Motor-Antrieb obendrein für einen tieferen Verbrauch.
Doch gerade letzteres funktioniert in der Praxis leider nicht. Obwohl ich das Auto mangels Sportlichkeit nicht gross herumgescheucht habe, pendelte sich mein Verbrauch bei rund 21 kWh/100 km ein, wohl auch aufgrund vieler Autobahn-Kilometer. Trotzdem: Das Auto ist zu anfällig für höhere Geschwindigkeiten und verbraucht dann über einen Fünftel mehr als der Normverbauch angibt. Von den versprochenen 450 WLTP-Kilometern bleiben dann noch 250 Kilometer. Und aufgeladen wird mit maximal 130 kW. Sorry, aber hier sind fast zehn Jahre Erfahrung im Bauen von Elektroautos nicht wirklich spürbar.
Der Preis diktiert
Einiges erklärt sich durch den Preis: Der voll ausgestattete Testwagen kostet 49’350 Franken. Damit ist der Renault definitiv einer der günstigsten Stromer im Segment. An feiner Ausstattung oder an guten Assistenzsystemen fehlt es ihm nicht, das Infotainmentsystem ist sogar eines der Besten überhaupt. Aber an der eigentlichen Technik, dem Antrieb, merkt man, dass man versucht hat, einen kompetitiven Preis zu erzielen. Damit wirkt er Megane E-Tech in der schnelllebigen Welt der Elektromobilität dann brandneu schon plötzlich wie im Hintertreffen. Für eine urbane Zielgruppe, die ein preiswertes Elektroautos sucht, ist der Renault wahrscheinlich genau das Richtige. Für Vielfahrer und grosse Personen ist dieses Auto aber leider nichts.
Alltag
Der Megane E-Tech bietet abgesehen vom luftigen Ambiente in der ersten Reihe keine E-typischen Platzvorteile. Entsprechend seiner Grösse sind denn auch die Platzverhältnisse in der zweiten Reihe eher knapp. Dafür bietet er zahlreiche Ablagemöglichkeiten und ist sehr handlich. Und um die extrem schmale Heckscheibe zu entschuldigen, spendiert Renault einen digitalen Innenspiegel.
Fahrdynamik
Der kompakte Stromer bewegt sich typisch französisch auf der komfortablen Seite. Insofern darf man selbst im Sport-Modus keine grossen Sprünge erwarten, da Lenkung und Fahrwerk disbezüglich zu sehr darauf bedacht sind, den Fahrer eher abzukapseln als ins Geschehen einzubinden. Schlecht ist der deutlich spürbare Übergang von Rekuperation zur mechanischen Bremse.
Umwelt
Es ist langsam an der Zeit, Elektroautos nicht gleich als super umweltfreundlich darzustellen. Strom ist genauso eine Ressource wie Benzin und für seine kompakte Grösse und seinen schlanken Antriebsstrang geht der Renault Megane E-Tech mit 21,0 kWh/100 km nicht besonders sparsam damit um.
Ausstrahlung
Wie die meisten Elektroautos hat auch der Megane E-Tech durch den Akku im Boden eine höhere Dachlinie. Dabei würde er schnittiger aussehen, wenn er flach gebaut wäre. Abgesehen davon gefällt der Megane E-Tech mit seinem aufgeräumten Design, welches auf zukunftsweisende Attribute verzichtet.
Fazit
+ Neue, cleane Designsprache, nur dezente E-Attribute
+ Hochwertige Verarbeitung
+ Fantastisches, Android-basiertes Infotainmentsystem
+ Verschiedene Fahrmodi mit deutlicher Spreizung
+ Hoher Fahrkomfort
+ Umfangreiches und zuverlässiges Assistenzpaket
+ Relativ geringes Gewicht
+ Niedriger Preis
– Relativ hoher Verbrauch
– Zu geringe Praxisreichweite
– Geringe DC-Ladeleistung
– Keine optimale Ergonomie durch mangelnde Sitzverstellung und hohem Fahrzeugboden
– Schlechter Seitenhalt
– Knappe Platzverhältnisse im Fond
– Deutlich spürbarer Übergang von Rekuperation zur Bremse
– Kein One-Pedal-Driving möglich
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Renault Megane E-Tech |
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Preis Basismodell / Testwagen | 40 000 CHF / 49 350 CHF |
Antrieb | Elektrisch, Frontantrieb |
Akkukapazität | k.A. kWh (brutto) / 60,0 kWh (netto) |
Max. Leistung | 160 kW |
Max. Drehmoment | 300 Nm |
Beschleunigung 0–100 km/h | 7,4 s |
Vmax | 160 km/h (elektronisch abgeregelt) |
WLTP-Verbrauch / Energieeffizienz | 17,3 kWh/100 km / A |
Test-Verbrauch / Differenz | 21,0 kWh/100 km / +21% |
WLTP-Reichweite | 450 km |
Ø Test-Reichweite | 250 km |
Max. Ladeleistung (DC) | 130 kW |
Länge / Breite / Höhe | 4,20 m / 1,77 m / 1,50 m |
Leergewicht | 1783 kg |
Kofferraumvolumen | 440 - 1332 l |