Also, eines ist auf Anhieb klar: Einem Auto, das so keck und sympathisch in die Welt blickt, wie der neue Twingo, kann man kaum böse sein. Dabei gäbe es schon Gründe, dem frechen Franzosen den einen oder anderen Crashkurs zu geben. Zum Beispiel im Kurs Ergonomie. Oder Motorlaufruhe. Aber obwohl (oder weil?) er so ein fröhliches Auto ohne eiskalte Perfektion ist, findet er den Weg in die Herzen. Weil er zu seinen Fehlern steht und sich mit vollem Einsatz ins triste, alltägliche Automobilleben wirft. Seine Mission: Farbe bekennen. Seine Mittel? Kein Grauton!
Der neue Twingo orientiert sich wieder deutlich an seinem Urahn. Während Nummer zwei, sein direkter Vorgänger, eine graue Maus war, wirkt der neueste Twingo viel aktiver. Er hat ein sympathisches Gesicht und viele rundliche Formen, weshalb sich wie beim Fiat 500 der Vergleich mit der Knutschkugel aufdrängt.
Verschiedene Stripes lassen sich ordern, um seinem Twingo einen persönlichen Touch zu versehen. Für ständig gute Laune während der Fahrt ist optional ein Stoffdach zu ordern, womit Cabrio-Felling ermöglicht wird – der Opel Adam Rocks lässt grüssen. Ein toller Schritt von Renault: Damit der neue Twingo keine graue Maus wird wie sein Vorgänger, gibt es ihn weder in Grau, noch in Silber.
Normalerweise habe ich ein eher mittelmässiges bis schlechtes Gefühl, wenn ich es mit Kleinstwagen zu tun habe. Wer mich schon einmal live gesehen hat und meine Körperabmessungen kennt, der weiss, warum. Kann ich mich überhaupt bequem hinters Lenkrad setzen? Und noch viel schlimmer: Die Sitzprobe im Fond! Komme ich da heil rein und vor allem wieder raus? Aber erstmal klemme ich mich hinters Lenkrad.
Als erstes fällt mir auf, dass der Einstieg zwar leicht erhöht ist, ich im Auto selber aber ziemlich weit unten sitze. Ungewohnt, weil der Einstieg zwar leicht erhöht ist, aber der Abstand zwischen Sitz und Fahrzeugboden trotzdem gering ist, fast wie in einem Sportwagen. Man gewöhnt sich aber daran. Was heutzutage hingegen nicht mehr sein sollte: Ein nur in der Höhe verstellbares Lenkrad. Was hatte ich für ein Hin und Her, bis ich endlich eine passable Sitzposition gefunden habe! Zudem ist der Schaltknauf für meine Körpergrösse zu weit hinten und die Fensterheber sogar viel zu weit hinten angeordnet. Darüber hinaus fehlt den Fensterhebern eine Schnellsenk-Funktion.
Ergonomie ist anscheinend nicht zuoberst im Pflichtenheft von Renault gestanden, denn auch die Sitze hinterlassen einen zwiespältigen Eindruck. Als Integralsitze sehen sie zwar gut aus (auch farblich) aber sie bieten bei weitem nicht so viel Halt, wie es die Optik auf den ersten Blick verspricht. Ausserdem sind sie auf einer längeren Fahrt nicht besonders bequem, da die Rückenlehne sehr einfach geformt ist.
Okay, wenn ein Kleinstwagen und 1,85 Meter Kasten aufeinander treffen, sind gewisse Komplikationen halt vorprogrammiert. Zum Beispiel das Ernten der Rückbank… dachte ich. Aber erstens gibt es den Twingo ausschliesslich als 5-Türer und zweitens grenzt der Raum, den der Twingo auf 3,60 Meter Länge bietet, an ein Wunder. Sitzt kein Riese vorne, habe sogar ich gut auf der Rückbank Platz, ausserdem ist der Twingo äusserst flexibel. Die Rückbank lässt sich 50:50 umklappen, wobei einen ebene (!) Ladefläche entsteht. Selbst der Beifahrersitz lässt sich umklappen, womit auch sehr lange Gegenstände in den Twingo passen.
Dass der Kofferraum 219 – 980 Liter Volumen fasst, ist bei dieser Grösse ebenfalls eine starke Leistung. Doof ist allerdings, dass sich der Kofferraum nur durch langen Tastendruck auf den Schlüssel öffnen lässt, das ist mühsam. Renault hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass sich der Kofferraum sehr wohl auch direkt am Auto öffnen kann. Der Knopf befindet sich direkt über der Autonummer, wo ich ihn nicht vermutet und daher auch nicht gefunden habe. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass das Öffnen mit dem Schüssel nicht immer geklappt hat, der Kofferraum also manchmal klemmte.
Aber ich glaube nicht an Wunder. Es muss also einen rationalen Grund geben, woher der Twingo diesen enormen Platz herholt.
Natürlich bedient sich auch der kleine Twingo nicht höherer Magie. Sein enormes Raumangebot hat einen ganz einfachen Grund. Der Motor sitzt im Heck, direkt unter dem Kofferraum. Ja, richtig gelesen, der französische Zwerg hat einen Heckmotor und folglich auch Heckantrieb. Wem das jetzt bekannt vorkommt und an Smart denkt, hat Recht. Hätte Renault den Twingo mit Heckmotor alleine konstruiert, wären die Kosten nicht tragbar gewesen. Da aber Smart wieder einen Forfour anbietet, konnten Daimler und Renault sich die Entwicklungskosten teilen. Der Smart Forfour und der Twingo sind aus technischer Sicht daher Zwillinge.
Aber mal abgesehen vom Coolness-Faktor, einen Kleinstwagen mit Heckmotor zu fahren, hat diese eigenwillige Konstruktion mehrere Vorteile. Das enorme Raumangebot ist einer davon. Beim Fahren viel wichtiger ist aber die Handlichkeit. Mit einem Wendekreis von nur 8,65 Meter ist der Twingo im Handumdrehen auch in der engsten Parklücke versenkt. Wie fährt sich der Zwerg aber, wenn man die 50er Zone verlässt? Beim Anlassen lässt der Twingo schon mal die Muskeln spielen. Startet man den 0,9-Liter Dreizylinder Turbo, dann vibriert das ganze Auto, als wäre ein Smallblock-V8 unter der Haube verbaut.
Laufruhe ist dem Twingo fremd, das Motörchen rattert fröhlich vor sich hin. Aber es passt einfach zu seinem Charakter. Ein kaum hörbarer Motor wäre irgendwie seltsam, ausserdem hat ein schnatternder Dreizylinder seinen ganz eigenen Charme. Vor allem, wenn er so energisch durchzieht. Auch wenn auf dem Datenblatt 66 kW und 135 Nm lächerlich oder bestenfalls niedlich wirken, im nur 1051 Kilo schweren Twingo sind diese Kräfte völlig ausreichend. Selbst ein Überholmanöver auf der Landstrasse ist machbar, auch ohne freie Sicht bis zum Horizont. Sogar am Berg schlägt sich der Franzose wacker und zieht sich tapfer durch die Serpentinen. Erfreulich ist auch, dass die im stadtbetrieb leichtgängige Lenkung bei schneller Fahrt präziser und direkter wird. Zumindest, wenn man alleine unterwegs ist, kann der Twingo durchaus sportlich bewegt werden.
Bei vier Personen und Gepäck würde ihm wahrscheinlich die Puste ausgehen. Apropos Puste: Auf gar keinen Fall würde ich den ebenfalls erhältlichen 0,9-Liter Saugmotor mit 52 kW wählen. Das Aggregat ist auch im Smart verfügbar (der Turbomotor ebenfalls) und der Sauger hat in diversen Tests mit dem Smart ein vernichtendes Urteil erhalten. Mit dem Turbomotor kommt nämlich durchaus Fahrspass auf, mit dem Sauger jedoch kommt höchstens Frust auf.
Wie üblich, verbrauchen mickrige Turbomotoren im Alltag deutlich mehr, als es der NEFZ-Wert verspricht, vor allem, wenn sie wie im Twingo häufig gefordert wurden. 4,3 l/100 km verspricht Renault, im Test sind es 6,2 l/100 km gewesen. Wer ruhiger und vor allem weniger Autobahn fährt wie ich, sollte es auf ungefähr 5,5 l/100 km bringen, was dann ein akzeptabler Wert wäre. Überhaupt reagiert der Twingo auf der Autobahn nicht nur mit erhöhtem Verbrauch, sondern er reagiert auch empfindlich auf Seitenwind. Einmal musste bei einer kräftigen Böe gar das ESP eingreifen, was definitiv nicht passieren dürfte.
Mit dem neuen Twingo macht Renault einen mutigen Schritt nach vorne. Ein ganz neues Konzept, welches aber viele Vorteile bietet. Kein Konkurrent (ausser der baugleiche Smart Forfour natürlich) bietet soviel Platz und ist dermassen handlich. Darüber hinaus kommt Fahrfreude auf, was ich persönlich einem solchen Zwerg nicht zugetraut hätte. Allerdings ist er kein Schnäppchen. Zwar beginnen die Preise bereits bei 13’400 Franken, aber ein nackter Twingo muss angesichts der mageren Serienausstattung wahrlich kein schöner Anblick sein.
Der Testwagen schlägt dann nämlich schon mit 21’400 Franken zu buche, was nicht mehr so günstig ist. Aber der Preis lohnt sich trotzdem. Ich würde unbedingt noch das Stoffdach für 1000 Franken empfehlen, damit die Fahrfreude unter freiem Himmel sich vollends entfalten kann. Der Twingo ist nämlich trotz ein paar Ergonomie-Fehlern ein absolutes Gute-Laune-Auto. Und jetzt noch meine Bitte an Renault: Baut einen Twingo R.S. Mit komplett deaktivierbarem ESP. Der Twingo R.S. wäre dann quasi der Porsche 911 unter den Kleinstwagen.
Alltag
Natürlich eignet sich der Twingo nicht für Familien, aber für junge Leute, auch mit Kleinkindern, bietet der Twingo ausreichend Platz, vor allem auch dank seiner Variabilität. Seine Handlichkeit sorgt dafür, dass er überall durch kommt und selbst in engste Lücken hineinpasst. Ausserdem ist er sehr übersichtlich, was heutzutage ebenfalls keine Selbstverständlichkeit ist. Für Familien wäre er als Zweitwagen eine Überlegung wert.
Fahrdynamik
Der kleine Twingo zieht besser durch, als ich es vermutet hätte. Ausserdem wird die Lenkung bei höherem Tempo erfreulich präzise, sodass auch Bergstrassen Freude bereiten.
Umwelt
Wer dem Twingo gerne die Sporen gibt, wird feststellen, dass er kein Sparwunder ist, denn der Verbrauch steigt dann locker über sechs Liter, was für ein 3,60 Meter Auto eindeutig zu viel ist. 6,2 l/100 km sind das Resultat von viel Autobahnfahrten und intensiver Nutzung des Turboschubs.
Ausstrahlung
Fröhlich und unschuldig wirkt der neue Twingo. Es sind viele bunte Aussenfarben erhältlich, die sich mit verschiedenen Streifenmustern kombinieren lassen. Wenn er so vor einem steht, man muss ihn einfach knuffig finden.
Fazit
+ Enormes Platzangebot
+ Sehr kleiner Wendekreis
+ Spezielle, mutige Konstruktion mit Heckmotor und -Antrieb
+ Ausgewogenes Fahrwerk
+ Recht kräftiger Turbomotor
+ Gute Übersicht
+ Intuitives R-Link Multimediasystem
+ Diverse Individualisierungsoptionen
– Einige Ergonomie-Fehler
– Hoher Testverbrauch
– Sehr rigoroses ESP
– Reagiert empfindlich auf Seitenwind
– Mühsame Kofferraum-Entriegelung
Steckbrief
Marke / Modell | Renault Twingo |
---|---|
Preis Basismodell / Testwagen | 13'400 CHF / 21'400 CHF |
Antrieb | Benzin, Heckantrieb |
Hubraum / Zylinder | 898 ccm / R3 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Heckmotor / Turbomotor |
Getriebe | 5-Gang Manuell |
Max. Leistung | 66 kW bei 5500 r/min |
Max. Drehmoment | 135 Nm bei 2500 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 10,8 s |
Vmax | 165 km/h |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 4,3 l/100 km / 99 g/km / B |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 6,2 l/100 km / 143 g/km / +44% |
Länge / Breite / Höhe | 3,60 m / 1,65 m / 1,55 m |
Leergewicht | 1051 kg |
Kofferraumvolumen | 219 - 980 l |
(Bilder: Koray Adigüzel)
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