Renault Zoe: Die Zeit ist reif

2013 war die Welt für die meisten Autohersteller noch in Ordnung, der Verbrennungsmotor dominierte die gesamte Branche und Elektroautos waren ein Ausnahmezustand. Auch die Fahrer und Kunden mussten entweder das passende Fahrprofil aufweisen, ganz grosse Technik-Interessenten oder schlicht Freaks gewesen sein. Bei einer praktischen Reichweite von rund 150 Kilometern und einer geringen Leistung von 65 kW war der erste Zoe zwar fortschrittlich und ein mutiger Schritt von Renault, aber so richtig alltagstauglich war der Stromer mit dem sympathischen Namen nicht. Doch die Zeiten und das Auto haben sich geändert und der im Grunde «nur» überarbeitete Zoe passt besser denn je in die heutige Zeit!

An der Front haben die Designer am deutlichsten geschraubt. Der Blick ist nun deutlich entschlossener, der Grill prägnanter und die Motorhaube akzentuierter. Ansonsten ist es optisch nur ein Facelift, was neue Felgen, Farben sowie Rücklichter umfasst. Nicht ganz so modern sind die Proportionen, da der Kleinwagen sehr hoch ist, was durch den Akku im Unterboden erklärt wird. Allerdings sind neu konstruierte E-Autos mittlerweile nicht mehr zwingend hoher – ein Tribut des wahren Alters des Renault Zoe. Ein Nachteil, der sich noch rächt?

2019 Renault Zoe
Die Front wirkt entschlossener. LED-Scheinwerfer sind Serie.

Innen wurde offensichtlicher Hand angelegt. Nicht nur das ganze Cockpit ist neu, auch Infotainmentsystem und sogar die MIttelkonsole mit induktiver Handyladefläche entsprechen dem Zeitgeist. Das digitale Cockpit ist personalisierbar und gestochen scharf, das Infotainmentsystem mit Online-Anbindung und -Navigation flink und intuitiv. Darüber hinaus haben die Franzosen ordentlich an der Qualität gearbeitet: Bedienelemente fassen sich ausgesprochen gut an und grosszügige Stoffverkleidungen verleihen dem Interieur ein wohnliches Ambiente. Weiterer Pluspunkt: Der hochwertige Stoff besteht aus Recycling-Materialien, aber darauf würde man nie kommen, wenn man es nicht weiss! Des weiteren sind die Platzverhältnisse für die kompakten Ausmasse erfreulich grosszügig.

2019 Renault Zoe
Das Cockpit ist modern und hochwertig. Der Stoff und einige Kunststoffe stammen aus Recycling-Material.

Trotzdem ist nicht alles gut. Die Sitzposition ist viel zu hoch, womit wir wieder beim Akku im Unterboden sind. Das erschwert gerade für grosse Personen eine perfekte Ergonomie, genau wie die fehlende Mittelarmlehne, die sich im Zubehör-Angebot versteckt anstatt serienmässig an Bord zu sein. Und so schick die schwungvolle Mittelkonsole optisch wirkt, so schränkt sie leider die Bein- und Bewegungsfreiheit des Beifahrers spürbar ein.

2019 Renault Zoe
Schick und hochwertig: Der Wählhebel.

Soweit so gut, bislang könnte man dem Zoe ein etwas umfangreicheres Facelift zuschreiben. Doch unter dem Blech ist fast alles neu: Der 100 kW starke Elektromotor, die 52 kWh fassende Batterie, die Bremsen, die Dämmung, das Batteriemanagement sowie Lenkungscharakteristik und Fahrwerk-Setup. Was viele nicht wissen ist, dass Renault puncto Elektroantrieb mittlerweile ein grosses Know-How vorweisen kann. Der Elektromotor sowie die Plattform werden komplett in Eigenregie entwickelt, die Batterie nicht bloss zugekauft, sondern gemeinsam mit LG Chem entwickelt.

2019 Renault Zoe
Die Sitze sind bequem, obschon der Seitenhalt etwas ausgeprägter sein dürfte. Die Position ist zu hoch.

Spätestens beim Fahren wird der Begriff Facelift dem Auto nicht mehr gerecht. Alles in allem wirkt das gesamte Auto reifer, harmonischer und leiser. Der Elektromotor verfügt jetzt über genügend Leistung, damit der Boost beim forschen Beschleunigen nicht gleich abflaut, sondern eine zügige Beschleunigung ermöglicht wird. Erst ab 100 km/h lässt der Schub spürbar nach. Dafür haben dank der verbesserten Dämmung die Windgeräusche ebenfalls spürbar nachgelassen. Auch eine längere Autobahnetappe meistert der Renault Zoe somit genauso komfortabel, wie man es von einem wertigen Auto erwartet.

2019 Renault Zoe
Der Platz im Fond ist für ein kleines Auto nicht schlecht. Das Muster am Dachhimmel ist von Leiterbahnen inspiriert.

Von einem sportlichen Handling zu sprechen wäre übertrieben, dennoch wurde der Fahrspass spürbar gesteigert. Verbessertes Lenkfeedback sowie der tiefe Schwerpunkt sorgen dafür, dass auch Kurven zügig durchfahren werden können. Wer es allerdings übertreibt und gleich ab dem Kurvenausgang die volle Leistung abruft, erntet protestierendes Untersteuern der Eco-Reifen und mahnende ESP-Eingriffe. Flott ja, aber bitte alles im Mass!

2019 Renault Zoe
Von der Seite betrachtet wird die hohe Silhouette deutlich. Die hintere Türe ist optisch leicht kaschiert.

Die gewonnene Reife und Alltagstauglichkeit manifestieren sich nicht nur im Komfort und Handling, sondern auch an den Assistenzsystemen. Mittlerweile unterstützen ein Fernlichtassistent, ein Tot-Winkel-Warner, ein automatischer Parkassistent sowie ein aktiver Spurhalteassistent der aber permanent deaktivierbar ist, den Fahrer. Dass ein adaptiver Tempomat fehlt, ist verschmerzbar, da der Zoe eher ein Kurzstrecken-Auto ist.

2019 Renault Zoe
Das Powermeter visualisiert, wieviel gerade verbraucht oder rekuperiert wird.

Als solches habe ich das Auto im Test aber nicht genutzt, sondern bin etliche Kilometer auf der Autobahn gefahren. Von den 385 WLTP-Kilometern bleiben so in der Praxis noch rund 280 Kilometer übrig. Es zeichnete sich allerdings beim Fahren von Überlandstrecken ab, dass eine Reichweite von mindestens 300 Kilometern realistisch ist, und zwar ohne dass man das Fahrpedal nur streichelt. Serienmässig vermag das Auto übrigens dreiphasig mit einer Leistung von bis zu 22 kW Wechselstrom zu laden, das bieten viele massiv teurere und grössere Elektroautos nicht. Dafür ist die optionale und neue Schnellladefunktion via Gleichstrom mit 50 kW nicht bahnbrechend.

2019 Renault Zoe
Die Navigation unterstützt eine Online-Suche. Die Bedienung ist intuitiv. Gut, dass die Klimaregler mechanisch sind.

Für die neue und stärkere R135-Variante des Autos sind mindestens 28’600 Franken fällig, der nahezu voll ausgestattete Testwagen ist mit 33’250 Franken angeschrieben. Das sind Preise auf Verbrenner-Niveau, allerdings kommt eine monatliche Batteriemiete dazu. Sie beträgt mindestens 94 Franken/Monat für 7500 km/Jahr. Pro 2500 km zusätzlich steigt der Preis um 10 Franken. Wer das Auto nicht länger als etwa sieben Jahre fährt, ist mit der Batteriemiete in der Regel günstiger unterwegs, denn der Kaufpreis inklusive Batterie liegt 9100 Franken höher. Ausserdem sind die laufenden Kosten aufs Autoleben betrachtet selbst mit der Miete immer noch tiefer als bei einem Verbrenner-Modell.

2019 Renault Zoe
Flink ist der Renault Zoe, auch Fahrfreude kommt auf. Richtig sportlich ist der Kleine aber nicht.

Dass der Renault Zoe im Grunde also bereits sieben Jahre alt ist, ist keinesfalls ein Nachteil. Im Gegenteil, das Auto ist über die Jahre und mit dem wachsenden Know-How von Renault gereift und zu einem voll alltagstauglichen, spritzigen und wertigen Kleinwagen geworden. Allerdings war das umfassende Update auch nötig, denn die Konkurrenz im Segment steigt. Im Übrigen will Renault die Vorreiter-Rolle punkto Elektromobilität nicht verlieren. Ein vollelektrischer Zoe R.S. wurde bereits vor wenigen Jahren als Konzept präsentiert und Renault hält einen scharfen Elektro-Kleinwagen in wenigen Jahren nicht für ausgeschlossen. Man darf gespannt sein…

2019 Renault Zoe
Der Zoe ist ein praktischer und spritziger Kleinwagen. Vor allem die hohe AC-Ladeleistung ist bemerkenswert.

Alltag 4 out of 5 stars

Wer nicht häufig Langstrecke fährt, kommt mit dem Aktionsradius gut zu Recht. Für seine Grösse sind die Platzverhältnisse ordentlich, der Wendekreis kompakt und Ablagen sind zahlreich vorhanden.

Fahrdynamik 3.5 out of 5 stars

Mit der Sportlichkeit hat es der Zoe nicht so, obwohl das Handling deutlich verbessert wurde, es schwankt dank des tiefen Schwerpunktes nicht und die Lenkung gibt ausreichendes Feedback. Doch die Antriebsleistung ist ab dem Stand beschränkt und wer ambitioniert um Kurven fahren wil, erntet früh protestierendes Untersteuern.

Umwelt 5 out of 5 stars

Ein kompaktes Elektroauto, das nicht einen 600 Kilo schweren Akku mitschleppt, ist ökologisch momentan das Sinnvollste. Der Stromverbrauch im Test hält sich mit 17,0 kWh/100 km in Grenzen, zudem ist mit weniger Autobahnfahren problemlos ein niedrigerer Verbrauch möglich.

Ausstrahlung 4 out of 5 stars

Das Design wurde gezielt modernisiert. Vor allem die Front ist jetzt nicht mehr unscheinbar. Allerdings wirken die Proportionen etwas rundlich, da das Auto schmal und hoch ist.

Fazit 4.5 out of 5 stars

+ Neutrales Design, dass das Auto nicht direkt als Stromer outet
+ Top Verarbeitung, wertige Stoffapplikationen im Innenraum
+ Klasse Infotainmentsystem mit hoher Funktionalität und Online-Navigation
+ Gute Geräuschdämmung
+ Tiefer Schwerpunkt
+ Leiser, geschmeidiger und linearer Antrieb
+ Ausgewogenes Fahrwerk
+ Hohe Ladeleistung von 22 kW serienmässig, 50kW optional
+ Fairer Preis, Möglichkeit der Batteriemiete
+ Viele zuverlässige Assistenzsysteme verfügbar

– Zu hohe Sitzposition
– Mittelarmlehne nur optional via Zubehör erhältlich
– Kein adaptiver Tempomat verfügbar
– Mässig prickelndes Handling in den Kurven

Mängel am Testwagen

– Keine Mängel

Steckbrief

Marke / ModellRenault Zoe R135
Preis Basismodell / Testwagen28 600 CHF / 33 250 CHF (mit Batteriemiete) – 37 700 CHF / 42 350 CHF (mit Batteriekauf)
AntriebElektrisch, Frontantrieb
Akkukapazität52 kWh
Max. Leistung100 kW
Max. Drehmoment245 Nm
Beschleu­nigung 0–100 km/h9,5 s
Vmax140 km/h (elektronisch abgeregelt)
WLTP-Verbrauch / Energieeffizienz17,7 kWh/100 km / A
Test-Verbrauch / Differenz17,0 kWh/100 km / -4%
WLTP-Reichweite385 km
Ø Test-Reichweite280 km
Länge / Breite / Höhe4,09 m / 1,73 m / 1,56 m
Leergewicht1563 kg
Kofferraumvolumen338 - 1225 l

Bilder: Vesa Eskola

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