Willkommen in der Königsklasse. Erstmals in meinem Leben hatte ich die Ehre, in einem Rolls-Royce Platz zu nehmen. Es ist ein fast schon surreales Erlebnis. Man steigt ein und der Versuch vom rationalen Teil des Gehirns, zu sagen, es ist nur ein Auto, geht sang- und klanglos unter. Das hier ist eine Welt für sich. Eine Welt, in der sich der Sekundenzeiger plötzlich langsamer zu bewegen scheint, so leise ist es hier. Dies soll ein Ort sein, in dem man Ruhe und Privatsphäre geniessen soll, fernab der Hektik da draussen.
Wer jemals einen V12 in einem Rolls-Royce gehört hat, wird nur noch lachen können, wenn andere Hersteller bei ihren Motoren von Laufruhe reden. Der V12 läuft zwar im Leerlauf, aber man hört ihn nicht. Wenn das Auto steht, ist es so ruhig wie in einem Elektroauto. Typisch für Rolls-Royce ist das Fehlen eines Drehzahlmessers, stattdessen zeigt ein Powermeter an, wieviel Leistungsreserven noch zur Verfügung stehen. Dies geht auf die Zeit zurück, in welcher der Hersteller keine exakten Leistungsangaben machte, sondern bloss die Aussage tätigte, ein Rolls-Royce verfüge über «ausreichend» Leistung.
Dies ist nicht schwer zu glauben, denn beim normalen Mitschwimmen im Verkehr zuckt die Nadel des Powermeters nur leicht herum und fällt nicht unter die 90%-Marke, sprich: Es stehen noch 90% Leistungsreserven zur Verfügung. Ebenfalls auffällig ist, wie stark das Auto die Strasse von den Insassen abkapselt. Im Rolls-Royce fährt man nicht, man schwebt.
Dies mag noch schön sein, weniger schön ist jedoch die sehr leichtgängige und gefühllose Lenkung, die das Lenken des riesigen Autos nicht unbedingt vereinfacht. Ein Traum ist dafür der Zwölfzylinder unter der Haube, der ein majestätisches Vorankommen ermöglicht. Das Triebwerk ist an Laufruhe und Gelassenheit nicht zu überbieten, verfügt aber über eine gewaltige Kraft, welche die schwere Limousine unter einem sonoren Klang davonschiessen lässt. Ganz und gar nicht Rolls-Royce-like – aber es ist möglich.
Gut möglich, dass die zweitürigen Coupés von Rolls-Royce eher fürs Selberfahren ausgerichtet sind. In der Limousine geht es jedoch überhaupt nicht um Fahreigenschaften oder gar um Fahrdynamik. Es geht um Gefühle und Spirit. Das fängt bei der Klimaanlage an, bei der keine Temperatur eingestellt werden kann, sondern nur mehr warm oder mehr Kalt. «Das macht man nach Gefühl», erklärt mir ein Verkäufer von Rolls-Royce. Ausserdem heisst es bei der Luftverteilung nicht profan Kopf- und Fussraum, sondern obere und untere Hemisphäre.
Egal, wohin man schaut, alles ist entweder mit Holz, Leder, oder Aluminium ausgeschlagen. Das Zusammenstellen des Interieurs geschieht weitgehend in Handarbeit und den Wünschen des Kunden sind keine Grenzen gesetzt. Jede Farbe und jedes Material sind möglich. Ein besonderes Highlight sind die Teppiche aus Lammwolle, in denen man förmlich drin versinkt. Ebenfalls bei Rolls-Royce erhältlich, im Vorführwagen aber leider nicht eingebaut, ist der Sternenhimmel. Das sind ganz viele, kleine LEDs, die in den Dachhimmel eingearbeitet werden und im Dunkeln wie ein Sternenhimmel leuchten. Natürlich ebenfalls alles in aufwendigster Handarbeit hergestellt, zum Preis eines Kleinwagens.
Im Fond, also dort, wo man eigentlich in einem Rolls-Royce hingehört, erwartet einen ebenfalls ein Platz voller Luxus. Ist gerade kein Chauffeur da, der einem die Türe zumacht, dann kann man die Fondtüre auch via Knopfdruck öffnen und schliessen. Ein kleiner, in die C-Säule integrierter Spiegel ermöglich es einem, vor dem Aussteigen noch einmal zu überprüfen, ob die Frisur perfekt sitzt. Die Sitze lassen sich einzeln in alle möglichen Richtungen verstellen, sodass man einen halben Liegesessel daraus machen kann. Das einzige, was im Vorführwagen gefehlt hat, ist eine Trennwand zum Chauffeur nach vorne.
Doch bei allem Luxus und Respekt, irgendwann habe ich mich satt gesehen und der Einwand meiner rationalen Gehirnhälfte, es handle sich bloss um ein Auto, dringt allmählich bis zu mir durch. Als Otto Normalverbraucher scheint der Preis von 503’000 Franken inklusive Optionen blanker Wahnsinn. Doch als Nicht-Millionär denkt man auch gar nicht daran, sich einen Rolls-Royce zuzulegen. Und jene, die das tun, verfügen wahrscheinlich bereits über zwei Yachten, einen Privatjet, fünf Anwesen und zehn andere Autos. Für die angepeilte Kundschaft ist dieser Preis kein Problem. Also kein Grund, sich darüber zu erbosen. Die beste Selektion geschieht heute eben über den Preis.
Ausserdem zählt in diesem High-End Segment sowieso nur eines: Image. Dieses hat sich Rolls-Royce im Laufe der Jahrzehnte hart erarbeitet und der Markenname ist heute ein Synonym für das Beste vom Besten. Nicht umsonst heisst es beispielsweise «das ist der Rolls-Royce unter den Smartphones». Ausserdem haben die Briten nach wie vor ein Alleinstellungsmerkmal, indem sie den Kunden bis ins Detail in den Mittelpunkt stellen. Das Auto wird für den Kunden gebaut, er hat das letzte Wort. Besagter Kunde werde ich in meinem Leben zwar nie sein und obwohl es letztendlich nur ein Auto ist, sollte man mindestens einmal in seinem Leben Rolls-Royce gefahren sein. Denn es geht um Gefühle und Spirit – und das kann man sich nicht erkaufen, man muss es selber erleben.
Steckbrief
Marke / Modell | Rolls-Royce Ghost |
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Preis ab | 390 300 CHF |
Antrieb | Benzin, Heckantrieb |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Biturbomotor |
Hubraum / Zylinder | 6592 ccm / V12 |
Getriebe | 8-Gang Automatikgetriebe |
Max. Leistung | 419 kW bei 5250 r/min |
Max. Drehmoment | 820 Nm bei 1500 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 4,9 s |
Vmax | 250 km/h (elektronisch abgeregelt) |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 14,0 l/100 km / 327 g/km / G |
Länge / Breite / Höhe | 5,40 m / 1,95 m / 1,55 m |
Leergewicht | 2435 kg |
Kofferraumvolumen | 490 l |
Bilder: Vesa Eskola