Lange hat es gedauert, bis Seat sein eigenes SUV bauen durfte, doch gut Ding hat bekanntlich Weile. Gut ist der Ateca auf alle Fälle geworden, denn er fährt sich hervorragend und erfüllt seine Aufgaben mit Bravour. Als Tüpfchen auf dem I sind die Preise von Seat human. Anfängliche Befürchtungen, dass der Ateca im Schatten seines Konzernbruders Tiguan steht, sind sehr schnell verflogen – im Gegenteil, gerade jüngere Kundschaft dürfte aufgrund des günstigeren Preises und dem deutlich attraktiveren Design den Tiguan zugunsten des Ateca links liegen lassen!
Im Vergleich zum Tiguan hat der Ateca das schärfere Design, er wirkt frischer und jugendlicher, was auch daran liegt, dass er 12 Zentimeter kleiner ist als der Tiguan. Leider verliert sich das schnittige Design beim Heck, dort wirkt der Ateca nur noch brav. Wenn ich mir ausserdem beispielsweise den Peugeot 3008 anschaue, vermisse ich etwas den Mut der Spanier. Der Ateca ist nicht viel mehr als ein höhergestellter Leon. Gerade mit der Fensterlinie oder mit Bicolor-Lackierung könnte man optisch mehr aus einem SUV herausholen, aber wahrscheinlich möchte Seat einfach auf Nummer sicher gehen, da der Leon ein Verkaufsschlager ist.
Im Innenraum ist es mit der Eigenständigkeit schliesslich ganz vorbei. Die Unterschiede zum Leon finden sich nur noch in Details und es ist die Struktur des Volkswagen Konzerns, die den Ton angibt. Immerhin: Die Instrumente mit den Zeigern auf sechs Uhr und die Alcantara-Sitze bringen etwas sportliches Flair in den Innenraum. Ansonsten herrscht Sachlichkeit, dafür mit guter Ergonomie, tollem Infotainmentsystem und grosszügigen Platzverhältnissen. Der Raum im Fond und im Kofferraum ist zwar nicht ganz so riesig wie im Tiguan, aber immer noch mehr als ausreichend – nur, falls sich jemand Sorgen macht, der Ateca sei zu klein. Eine automatische Heckklappe mit Fusssensor bietet er ebenfalls an.
Auf den ersten Blick scheint mir die Antriebskombination des Testwagens etwas unpassend: Ein 1,4-Liter Benziner mit Handschaltung. In einem praktischen SUV? Gerade ein geräumiges und gemütliches Auto schreit doch nach einem Automatikgetriebe, ausserdem passen Dieselmotoren aufgrund des höheren Drehmoments besser zu den schweren SUVs. Während ich vom Getriebe positiv überrascht worden bin, haben sich meine Vorbehalte gegenüber dem Benziner bestätigt.
Doch zuerst möchte ich auf die Ausstattung und die Technik zu sprechen kommen. Ich erinnere mich noch gut an den ersten Test vom Seat Leon, bei dem ich feststellte, dass Features wie Keyless-Go, Tot-Winkel-Warner oder eine schöne Türverkleidung dem Golf vorbehalten waren. Diese Zeiten sind vorbei, es scheint, als dürfe sich Seat voll austoben und den Ateca richtig aufbrezeln. Ein schlüsselloser Zugang ist da nur der Anfang, mit der 360-Grad-Kamera sowie dem Stauassistent (nur mit DSG) ist der Ateca richtig gut ausgestattet. Auch von den Materialien und der Anmutung her braucht sich der Ateca vor niemandem zu verstecken.
Man muss schon ziemliche Ansprüche haben, damit der Ateca einem nicht genügt. So verfügt das spanische SUV beispielsweise nicht über adaptive LED-Scheinwerfer. Auch Lenkradheizung, Head-up-Display oder ein automatischer Parkassistent bleiben im Ateca genauso Wunschträume wie ein Motor jenseits der 140 kW, die der aktuell stärkste Diesel im Programm bietet. Bezüglich Power ist das letzte Wort vielleicht noch nicht gesprochen, denn im Netz kursieren Erlkönig Fotos, auf denen angeblich eine Cupra-Version vom Ateca zu sehen ist…
Doch zurück ins hier und jetzt. Der Testwagen mit dem 110 kW Benziner (also gerade mal halb so stark wie ein potenzieller Cupra), reicht bereits aus, um das mit 1546 Kilo vergleichsweise leichte SUV in Schwung zu bringen – wobei die Betonung auf «in Schwung bringen» liegt. Ab 100 km/h oder bergauf muss der Motor schnell richtig schuften, jedoch ohne gross weiteren Schub zu generieren. Der Benziner ist nämlich alles andere als drehgeil und verliert noch vor der 5000er Marke irgendwie die Lust zum weitermachen.
Es empfiehlt sich daher, frühzeitig zum Schalthebel zu greifen, was obendrein richtig Freude macht. Das Getriebe ist nicht nur gut abgestuft: Die leichtgängige, knackige Schaltung mit ihren leichten Widerständen zeigt wieder einmal, dass ein gutes Schaltgetriebe eine echte Alternative zur Automatik ist. Auch die feinfühlige Lenkung ist zwar leichtgängig, aber sehr präzise, sodass sich der Ateca in Verbindung mit dem leicht straffen Fahrwerk vom Handling her eher wie ein Leon wirkt und nicht wie ein hochbeiniges SUV. Gut gemacht!
Überhaupt ist das ganze Auto gut gemacht, nicht nur das Handling. Für die knapp 40’000 Franken, die der Testwagen kostet, bekommt man sowohl ein praktikables, als auch fahraktives SUV. Der Benziner eignet sich jedoch eher für Leute, die in städtischen Gebieten wohnen oder allgemein selten lange Strecken am Stück fahren. Für Vielfahrer oder Leute in den Bergen ist der Diesel die bessere Wahl, da er einfach mehr Power generiert. Wie bereits erwähnt, sind ein paar Ausstattungen VW vorbehalten. Auf der Autobahn dringt der Wind zudem etwas stärker in den Innenraum, aber das fällt nur auf, wenn man wie ich direkt vom Tiguan in den Ateca umsteigt.
Ich resümierte beim Tiguan, dass man mit ihm nichts falsch machen kann. Das gilt für den Ateca genauso. Welchen soll man also nehmen? Ich denke, es wird in den seltensten Fällen eine Frage des Geldes sein. Ein potenzieller Ateca Kunde würde sich höchstwahrscheinlich auch einen Tiguan leisten können. Vielmehr habe ich das Gefühl, dass es eine Entscheidung des Bauches oder sogar des Herzens sein wird, die schlussendlich zum Ateca führt. Denn ohne spürbar enger oder schlechter als sein Konzernbuder zu sein, bringt er einfach mehr jugendliches Flair mit und fährt sich einen Hauch weniger komfortabel, dafür aktiver. Gerade für jene, die gerne Auto fahren und ein sportlicheres Setup mögen, stellt sich deshalb nicht die Frage, ob man den Tiguan oder den Ateca wählen soll, sondern eine ganz andere: Soll ich den Ateca jetzt schon kaufen oder auf den Cupra hoffen und noch warten?
Alltag
Obwohl mit 4,36 Meter Länge kompakt, ist der Ateca sehr geräumig. Im Alltag helfen zudem viele Assistenzsysteme. Was dem Ateca fehlt, sind clevere Details wie eine dreigeteilte oder verschiebbare Rückbank.
Fahrdynamik
Für ein SUV fährt sich der Ateca präzise und leichtfüssig. Das Fahrwerk sorgt mit seiner leicht straffen Abstimmung genauso für Fahrspass wie das knackige Schaltgetriebe, doch dem kleinvolumigen Benziner geht bei hohen Drehzahlen die Luft aus. Der Sport Modus bringt keine spürbaren Verbesserungen.
Umwelt
Es sei vorweggenommen, dass der Ateca im gesamten Test mit bis zu zweistelligen Minustemperaturen zu kämpfen hatte. Trotzdem ist der Testverbrauch von 8,4 l/100 km zu weit weg vom Normverbrauch, der mit 6,1 l/100 km angegeben wird, zumal der Motor über eine Zylinderabschaltung verfügt.
Ausstrahlung
Es ist vor allem die Front, die den Ateca ausmacht. Klar sieht er rundum gut aus, doch gerade beim Heck wünscht man sich etwas mehr von den scharfen Kanten, welche die aktuelle Designsprache von Seat ausmachen.
Fazit
+ Schnittiges Design
+ Geräumiger Innenraum
+ Perfekte Verarbeitung und Ergonomie
+ Intuitive Bedienung
+ Simples Mediasystem mit Smartphone-Integration
+ Knackiges Getriebe
+ Präzise Lenkung
+ Leicht straffes Fahrwerk
+ Zahlreiche zuverlässig funktionierende Assistenzsysteme
+ Fairer Preis
– Hoher Verbrauch
– LED-Scheinwerfer ohne Kurvenlicht oder variable Ausleuchtung
– Benziner scheut hohe Drehzahlen
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Seat Ateca |
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Preis Basismodell / Testwagen | 21 950 CHF / 39 670 CHF |
Antrieb | Benzin, Allradantrieb |
Hubraum / Zylinder | 1395 ccm / R4 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor mit Zylinderabschaltung |
Getriebe | 6-Gang manuell |
Max. Leistung | 110 kW bei 5000 - 6000 r/min |
Max. Drehmoment | 250 Nm bei 1500 - 3500 r/min |
Beschleunigung 0 - 100 km/h | 9,0 s |
Vmax | 192 km/h |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 6,1 l/100 km / 139 g/km / E |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 8,4 l/100 km / 191 g/km / +38% |
Länge / Breite / Höhe | 4,36 m / 1,84 m / 1,61 m |
Leergewicht | 1546 kg |
Kofferraumvolumen | 485 - 1579 l |
Bilder: Koray Adigüzel