Der Seat Leon Cupra ist mittlerweile bei weitem nichts neues. Der Cupra R ST ist als letztes Sondermodell der Abschluss der jetzigen Leon-Generation. Soweit die nüchterne Sachlage. Doch weil Cupra jetzt keine Variante mehr, sondern eine eigene Marke ist, wird der Sport-Anspruch endlich so ernst genommen, wie er es verdient. Dieser böse, graue Leon ist nicht nur der Beste, Schnellste und Sportlichste aller Zeiten, sondern auch das Killerargument gegen den Cupra Ateca. Ich bin mit dem Leon Cupra R ST rund 3000 Kilometer nach Slowenien und Kroatien gefahren und verrate schon mal soviel: Dieser Kombi kennt in seinem Segment keine Gegner – nur Opfer.
Gestartet habe ich meine Reise in Richtung Ljubljana über München, ausschliesslich Autobahnfahrt inklusive unlimitierte Abschnitte. Wie ein Brett liegt der Kombi auch bei Tempo 250 auf der Strasse, vermittelt ein sicheres, souveränes Gefühl. Kommt plötzlich ein anderer auf die linke Spur, kann man sich auf die mächtige Bremsanlage verlassen, die stark verzögert und auch bei harter Beanspruchung keine Schwäche zeigt. Obwohl der Cupra R ST nicht in erster Linie für die Autobahnheizerei gebaut worde, so meistert er Highspeed-Passagen mit Bravour. Der einzige Wermutstropfen sind sehr starke Windgeräusche, die bereits bei Schweizer Autobahntempo recht präsent in den den Innenraum dringen.
Der Wolf im Schafspelz
Was er ebenfalls mit Bravour meistert: Das gemächliche Dahingleiten. Auf den ersten Blick scheint der Kombi recht kompromisslos zu sein: Sportbremsanlage, Sportauspuff, härtere Dämpfer, mehr Negativsturz. Doch nichts davon spielt sich in den Vordergrund, wenn es nicht erwünscht wird. Im Comfort-Modus bleibt der Fahrkomfort auch auf den nicht immer so ebenen slowenischen Strassen ausreichend, die Bremse reagiert nicht zu bissig und verkneift sich das typische Gequietsche. Aus dem Auspuff kommt bei gemässigtem Gasfuss nur dezentes Knurren und Spurrillen animieren das Auto nicht gleich zum halben Spurwechsel.
Die facettenreiche Hauptstadt
Erster Halt des Roadtrips: Die slowenische Stadt Ljubeljana, welche auf Deutsch den kaum bekannten Namen Laibach trägt. Die sehr saubere Stadt liegt südlich der Alpen, die von einem erhöhten Punkt ein spektakuläres Panorama bieten. Sehr empfehlenswert ist der Besuch des Laibacher Schlosses, das sogar mit einer Zahnrad-Bahn erreichbar ist. Nicht nur der Schlossgarten, sondern auch die Aussicht über die Stadt sowie das Bergpanorama sind atemberaubend schön! Ähnlich wie Zürich ist Ljubeljana keine Metropole mit schwindelerregenden Hochhäusern, sondern ist relativ flach gebaut.
Malerisch ist die riesige, komplett autofreie Altstadt, die vom Laibach-Fluss, der sich kurz vorher gabelt, quasi eingerahmt wird. Auch kurze Bootstouren rund um die Altstadt sind möglich und kosten nur wenige Euro pro Person. Ein Paradies ist die Hauptstadt vor allem für Fleischesser, da die slowenische Küche gerne deftiges Schweinefleisch serviert. Ein Muss ist der Besuch des Sorbara Steak Houses direkt am Fluss. Eine wahre Geschmacksexplosion!
Umwege lohnen sich
Zurück in den Cupra R ST, der dank kompakten Abmessungen auch vollends stadttauglich ist. Unterwegs zur Südküste von Slowenien lohnt sich ein Halt bei den Postojna Höhlen im Landesinneren, zwischen Ljubeljana und dem Mittelmeer. Das Höhlensystem ist riesengross und kann teilweise sogar mit einem kleinen Zug befahren werden. Selbst für Menschen mit Platzangst absolut kein Problem, da die Decken der Höhlen sehr hoch sind!
Was mit dem heissen Spanier unbedingt empfehlenswert ist: Nicht stets die direkte Route wählen, sondern nach Bergstrecken Ausschau halten, die viel Kurven und wenig Verkehr versprechen. Solche Strecken finden sich zwischen den südlichen Käffern Obrov, Prem und Škocjan. Die Ortschaften sind allesamt nicht sehenswert, doch was sie verbindet, ist ein Traum eines jeden Sportfahrers und das perfekte Auslauf-Revier des Cupra R: Enge, verwinkelte Strassen, dazwischen langgezogene Kurven, alles mit kaum Verkehr. Auf geht’s!
Entdecke das Tier in ihm
Am besten fährt es sich im Individual-Fahrmodus mit sämtlichen Einstellungen auf Cupra und dem Fahrwerk auf Sport, damit es auf den teils welligen Strassen nicht zu hart ist. Gierig reagiert der Cupra auf Gasbefehle, zieht dank des breiten Drehmomentplateaus linear durch und röhrt sonor aus dem Auspuff! Als erster Leon Cupra überhaupt verwaltet das neue 7-Gang-DSG die Gänge, welches die Wellen blitzschnell ohne den kleinsten Ruck einlegt. Perfekt! Ausserdem hilft die engere Spreizung sowohl beim Beschleunigen, als auch beim Spritsparen.
Die ersten Kurven kommen. Hart anbremsen, spitz einlenken, ab dem Scheitelpunkt voll aufs Gas. Null Untersteuern, der Kombi ist noch völlig unterfordert. Da geht viel mehr! Also länger auf dem Gas bleiben, ESP in den Sportmodus versetzen und noch später bremsen, bis in die Kurve rein. Völlig stabil lenkt der Cupra R ein und beschleunigt ohne Traktionsprobleme wieder raus! Nur wer wirklich viel zu früh viel zu viel Gas gibt, provoziert ein Untersteuern oder ein sanftes Rutschen über alle vier Räder. Ansonsten ist das Auto auch bei sehr harter Fahrweise nicht aus der Ruhe zu bringen. Der Grenzbereich liegt auf einem derart hohen Niveau, dass der hochbeinige Cupra Ateca in allen Belangen das Nachsehen hat, das kann ich mit Fug und Recht behaupten, obwohl ich ihn noch nicht gefahren bin.
Land statt Stadt
Um nach so einer heissen Fahrt wieder runterzukommen, bieten sich die beiden slowenischen Küstenstädte Piran und Izola zum flanieren und Baden an. Vor allem die Promenaden am Meer entlang lohnen sich besonders. Viele Restaurants und Aussichtspunkte runden die hübsche Umgebung ab. Besonders in Piran ist es auch mal spannend, die Hauptstrassen zu verlassen und durch die engen Gassen zu laufen, um eine Idee dafür zu bekommen, wie die Leute dort wohnen.
In Kroatien können die von mir besuchten Städte Pula, Rijeka sowie Zadar nicht mit der Schönheit und der Vielfalt von Ljubeljana mithalten. Vor allem die heruntergekommen wirkende Stadt Pula ist keinen Besuch wert. Stattdessen reizt die kroatische Landschaft entlang der Küste oder auf den zahlreichen Halbinseln mit einer tollen Kulisse. Auch hier gilt: Im Cupra R ST kommt man meist glücklicher an, wenn man nicht den direktesten Weg wählt! Und selbst wenn es mal regen sollte, bietet der Cupra dank des hervorragenden Allradantriebs keinerlei Traktionsprobleme, weshalb er definitiv ein Ganzjahressportler mit sehr hoher Alltagstauglichkeit ist.
Der wahre Cupra
Im Test und dem langen Roadtrip wurde der scharfe Kombi alles andere als geschont und sehr hart rangenommen. Zu oft und gerne wurde sein sportliches Potenzial ausgereizt! Am Ende landete der Testverbrauch bei 9,8 l/100 km, wobei dieser Wert getrost als Maximalwert angesehen werden kann. Wer das Auto einfach mal eine Woche lang normal im Alltag einsetzt, kann mit einem Verbrauch von 7 bis 8 Litern rechnen. Um die neue Marke Cupra populär zu machen, setzen die Spanier auf den Ateca, was von der Reichweite her wahrscheinlich der richtige Zug ist.
Wer aber auf maximale Sportlichkeit steht, sollte unbedingt zum Leon Cupra R ST greifen, solange es ihn noch gibt. Er bietet im Vergleich zum Ateca keinerlei Nachteile, nur Vorteile. Denn, ganz ehrlich, Feldwege und Schnee meister der Leon Cupra genauso gut. Der wahre Cupra ist also nicht der Ateca, sondern der Leon. Noch nie war die Zeit reifer als jetzt, um einen Leon Cupra zu kaufen! Sportlicher wird es nicht mehr, weshalb der auslaufende, ausgereifte Leon hier zum echten Geheimtipp avanciert.
Alltag
Aller Sportlichkeit zum Trotz ist der Cupra R ST dank grsszügigem Innenraum sowie geräumigem Kofferraum voll alltagstauglich. Ausserdem ist er recht handlich und fühlt sich auch in der Stadt zu Hause. Nur die recht hohen Windgeräusche auf der Autobahn sind etwas mühsam.
Fahrdynamik
In seinem Segment gibt es keinen, der ihm das Wasser reichen könnte. Das sagt eigentlich schon alles. Klasse Durchzug, Grip ohne Ende, Traktion ohne Ende, starke Bremsen, sehr spitzes Einlenkverhalten und ein Grenzbereich, der jenseits von gut und böse ist. Dazu ein herrlich knurriger Motorsound!
Umwelt
Ein Sparmodell ist der Cupra sicher nicht und der Testverbrauch zeigt, was raus kommt, wenn man das Auto presst. Gemessen an der Leistung ist der Verbrauch aber noch akzeptabel.
Ausstrahlung
Das aggressive Design wird durch die Vierrohr-Auspuffanlage sowie die diversen Bronzefarbenen Akzente super unterstrichen. Obwohl das Design mittlerweile etliche Jahre auf dem Buckel hat, wirkt es immer noch sehr aktuell.
Fazit
+ Sportliches, extrovertiertes Design
+ Perfekt stützende Sportsitze, ausgezeichnete Ergonomie
+ Grosszügige Platzverhältnisse
+ Knurriger Motorsound
+ Extrem schnelles Doppelkupplungsgetriebe
+ Sehr spitzes Einlenkverhalten, klasse Rückmeldung der Lenkung
+ Keinerlei Untersteuertendenz, Grip und Traktion ohne Ende
+ Bissige und standfeste Bremse
+ ESP dreistufig komplett deaktivierbar
+ Keine aufdringlichen Assistenzsyssteme
+ Komplette Serienausstattung
+ Klasse Preis
– Deutliche Windgeräusche bei Autobahntempo
– Grosser Wendekreis
– Sitzposition zu hoch
– Infotainmentsystem nicht mehr ganz up to date
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Seat Leon Cupra R ST |
---|---|
Preis Basismodell / Testwagen | 52 900 CHF / 54 110 CHF |
Antrieb | Benzin, Allradantrieb |
Hubraum / Zylinder | 1994 ccm / R4 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor |
Getriebe | 7-Gang Doppelkupplungsgetriebe |
Max. Leistung | 221 kW bei 5300 - 6500 r/min |
Max. Drehmoment | 400 Nm bei 2000 - 5200 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 4,9 s |
Vmax | 250 km/h (elektronisch abgeregelt) |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 7,2 l/100 km / 164 g/km / G |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 9,8 l/100 km / 223 g/km / +36% (inkl. DE-Autobahn) |
Länge / Breite / Höhe | 4,54 m / 1,82 m / 1,43 m |
Leergewicht | 1630 kg |
Kofferraumvolumen | 587 - 1470 l |
Bilder: Koray Adigüzel
1 thought on “Roadtrip mit dem Seat Leon Cupra R ST: Die Zeit ist reif”