Nichts ist so gross wie die Diskrepanz zwischen Papier und Strasse. Zur Krönung der Leon-Baureihe stellen die Spanier eine auf 799 Einheiten limitierte R-Version ihres Heisssporns auf die Räder. Der ist nichts Geringeres als das stärkste Seat Serienmodell aller Zeiten – doch der Output auf dem Papier liest sich dürftig. Wahnwitzige 7 kW leistet der böse R mehr als seine braven Brüder. Wer ein so fein kalibriertes Popometer hat, dass er dieses Leistungsplus spürt, soll sich bitte bei mir als Co-Tester melden. Die Leistung ist also zweitrangig. Trotzdem fährt der Cupra R zielgenau dorthin, wo sich profane Cupras nur selten verirren: Nämlich mitten ins Herz eines echten Petrolheads.
Die Designer haben es beim Leon Cupra wahrlich nicht einfach. Schon der normale Leon trägt ein so aufreizendes und scharfes Blechkleid, dass es nicht einfach ist, beim Cupra noch eine Schippe draufzulegen. Ergo unterscheidet sich der normale Cupra nur geringfügig vom zivilen Modell. Der limitierte R stellt seine Kraft und Exklusivität allerdings deutlicher zur Schau: Kotflügelverbreiterungen, Carbon-Zierelemente, aggressivere Schnauze, neue Auspuffanlage mit runden Endrohren und vor allem diverse bronzefarbenen Kontrastelemente machen auf den ersten Blick klar, dass dieser Seat etwas ganz besonderes ist.
Spätestens beim Motorstart wird die Position des Cupra R untermauert. Mit einem bassigen Ton – begleitet von zwei bis drei Auspuffknallern – outet sich der Spanier als Fahrmaschine, die sich auch akustisch bemerkbar macht. Der Testwagen ist ein Handschalter, ein DSG ist ebenfalls erhältlich, dann aber ohne die sieben zusätzlichen kW. Ich bevorzuge in einem sportlichen Modell ohnehin Handarbeit. Also: Erster Gang einrasten und los geht’s.
Alle, die den Cupra R als Alltagsauto nutzen möchten, können erstmal beruhigt aufatmen. Das adaptive Fahrwerk wartet mit einem Comfort-Modus auf und die Kupplung unterlässt zickigen Gegendruck. Man kann also völlig unbehelligt dahingondeln, perfekt gestützt von den Alcantara-Schalensitzen. Leider ist die recht hohe Sitzposition nicht ganz so sportlich, aber daran gewöhnt man sich, genauso an das Hartplastik rund um die Mittelkonsole. Um den richtigen Ton bei gleichmässiger Fahrt kümmert sich die Beats-Audioanlage, die vor allem auf der Autobahn aufgedreht werden muss, da die Wind- und Abrollgeräusche leider sehr deutlich in den Innenraum dringen.
Aber genug lamentiert, denn ein Schloss auf Rädern will der Cupra R gar nicht sein. Sein wahres Ich kommt in den beiden scharfen Modi Sport und Cupra zum Vorschein, wobei der Unterschied dazwischen vor allem in der Dämpfer-Härte liegt. Es empfiehlt sich daher, im Individual-Modus alles auf Cupra und allenfalls das Fahrwerk-Setup für weniger glatte Strassen auf Sport zu stellen. Zu guter Letzt sollte das wenig R-mässige ESP in den toleranten Sport-Modus versetzt werden, da man ansonsten gegen anstatt mit dem Auto fährt. Sind die Vorbereitungen abgeschlossen heisst es: Feuer frei.
Das Tolle am Cupra R ist, dass er direkt losstürmt. Bereits ab 1800 Umdrehungen liegt das volle Drehmoment an und zieht sich bis auf über 5000 Touren. Dazu kommt, dass das Zweiliter-Aggregat überraschend drehfreudig ist und extrem schnell über die 6000er-Grenze und locker darüber hinaus marschiert. Die Gänge flutschen nur so rein, die Anschlüsse passen perfekt und werden von einem alles andere als zurückhaltenden Donnergrollen aus dem Auspuff untermalt!
Insbesondere im Schubbetrieb bergab knallt und bollert es aus dem Auspuff, wie man es von Seat noch nie erlebt hat. Streng genommen kommt die Basis eigentlich von Konzern-Mutter VW, denn das Motor-Mapping und vor allem der Sound erinnern unverkennbar an den ebenfalls limitierten Golf GTI Clubsport S. Aber das ist egal, der Antrieb macht aus dem Leon Cupra endlich einen würdigen Cupra und der Auspuffsound ist laut genug, um den Sound Symposer im Innenraum zu übertönen.
Richtig wild wird es in den Kurven. Selbst ohne die optionalen Semi-Slicks verbeisst sich der stärkste Serien-Leon in den Asphalt und lässt sich auch durch progressives Beschleunigen in der Kurve nicht aus der Ruhe bringen. Möglich machen dies die Spurverbreiterung sowie das Sperrdifferential, welches in der Lenkung aber kaum zu spüren ist. Letztere wurde ebenfalls verschärft und lässt den Cupra so direkt einlenken, dass die ersten Kurven eckig ausfallen!
Die Brembo-Bremsanlage ist von den kompakten Audi-RS-Modellen entliehen und macht mit dem 1450 Kilo schweren Cupra buchstäblich kurzen Prozess. So wie der Motor auf kleinste Gaszuckungen reagiert, beisst die Bremse bereits beim Antippen ungewohnt heftig zu. Das leichte Quietschen der Bremsscheiben zeigt symbolisch, wie kompromisslos sportlich der Cupra R abgestimmt ist – und sich dennoch ohne Probleme im Alltag fahren lässt.
Der Cupra R ist kaum nennenswert stärker als der herkömmliche Cupra 300 – und dennoch überflügelt er das normale Serienmodell um Welten. Wo beim normalen Cupra stets der Alltagsgedanke die Oberhand zu haben scheint, ist es beim R genau umgekehrt. Die super-direkte Lenkung ist an der Grenze zum Nervösen, die Bremsanlage fast schon hypersensibel und der Motor mit den weit hörbaren Auspuffknallern für einige vielleicht schon too much. Für enthusiastische Fahrer ist dieses Auto aber goldrichtig und seine 50’900 Franken auf jeden Fall wert.
Von nun an wird Cupra als eigenständige Marke auftreten, zunächst logischerweise mit getunten Seat-Modellen wie bis anhin, eines Tages vielleicht mit einem komplett eigenständigen Modell. So oder so sollten sich die zuständigen Entwickler den Leon Cupra R als Vorbild nehmen: Ich glaube, genau solche alltagstauglichen und erschwingliche Fahrmaschinen sind das, was die Leute von der neuen Marke erwarten. Auf eine sportliche Zukunft!
Alltag
Der für ein Kompaktmodell recht grosse Wendekreis erschwert das Handling etwas. Ansonsten bietet der Cupra R dank fünf Türen durchschnittliche Platzverhältnisse und ist ziemlich übersichtlich.
Fahrdynamik
Es nicht das Leistungsplus, das für Herzrasen sorgt. Es liegt am rauen Sound mit gekonnten Knalleffekten sowie am extrem direkten Einlenkverhalten, dass sich der R ganz anders anfühlt. Die enorme Drehfreude des Motors und die gewaltige Traktion dank Sperrdifferential sorgen für den ultimativen Fahrspass.
Umwelt
Dass in diesem Sondermodell der Fokus nicht auf der Effizienz liegt, zeigt Seat gleich selber: Die Start-Stopp-Automatik ist bei jedem Motorstart standardmässig deaktiviert. Recht so. Dafür, dass der Testwagen häufig hart rangenommen wurde, ist der Testverbrauch mit 8,3 l/100 km aber nicht schlecht.
Ausstrahlung
Der Cupra R zeigt, wie böse ein Leon aussehen kann. Vor allem die bronzefarbenen Elemente sind sehr auffällig – vom bollernden Motorstart ganz zu schweigen!
Fazit
+ Auffällige Optik mit Bronze-Elementen macht aufs Sondermodell aufmerksam
+ Exzellente Sportsitze, aber zu hohe Sitzposition
+ Rauer Motorsound, geile Auspuffkracher im Schubbetrieb
+ Sehr drehfreudiger Motor
+ Knackiges Getriebe
+ Extrem direktes Einlenkverhalten
+ Auf trockener Strasse enormer Grip, optional sogar mit Semis bestellbar
+ Sehr agiles Einlenkverhalten
+ Gute Übersicht
+ Simple Bedienung
+ Akzeptabler Verbrauch
– Verhältnismässig grosser Wendekreis
– Sitzposition zu hoch
– Billiger Kunststoff um die Mittelkonsole herum
Mängel am Testwagen
– Ablagefach unten links vom Lenkrad hat sich bei sportlicher Fahrt gelegentlich geöffnet.
Steckbrief
Marke / Modell | Seat Leon Cupra R |
---|---|
Preis Basismodell / Testwagen | 50 900 CHF / 50 900 CHF |
Antrieb | Benzin, Frontantrieb |
Hubraum / Zylinder | 1984 ccm / R4 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor |
Getriebe | 6-Gang manuell |
Max. Leistung | 228 kW bei 5800 - 6500 r/min |
Max. Drehmoment | 380 Nm bei 1800 - 5700 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 5,8 s |
Vmax | 250 km/h (elektronisch abgeregelt) |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 7,3 l/100 km / 170 g/km / G |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 8,3 l/100 km / 193 g/km / + 14% |
Länge / Breite / Höhe | 4,27 m / 1,82 m / 1,43 m |
Leergewicht | 1453 kg |
Kofferraumvolumen | 380 - 1210 l |
Bilder: Koray Adigüzel
2 thoughts on “Seat Leon Cupra R: Manieren sind für Weicheier”